Unstimmiges und Merkwürdiges
Der Inhalt der Offenbarungen wirft viele neue Fragen auf. Nicht nur, daß
auffällig viel über Geld und Vermögen gesprochen wird, es gibt
auch echte Unstimmigkeiten und unerfüllte Prophezeiungen, die nicht
einfach wegerklärt werden können. Nachfolgend sollen einige
erwähnt werden, die zum Teil bereits bei wenig kritischem Lesen
auffallen.
- Die Abschnitte LuB 2 und 13 gab es 1833 im BdG noch nicht. Wichtig ist
das vor allem, weil es darin um das Priestertum
geht. Dieses Wort fiel aber in der Anfangszeit der Kirche nie, geschweige
denn wurden zwei verschiedene Priestertümer erwähnt, es wurde
höchstens von Autorität gesprochen. Das Fehlen dieser beiden
Abschnitte belegt, daß die Priestertümer in ihrer heutigen Form
erst viel später eingeführt wurden. Deshalb weiß auch niemand,
wann das Melchisedekische Priestertum zum ersten Mal auftrat. Die einzige
wage Vermutung wird, weil sie so schön in die Kirchengeschichte hineinpaßt,
heute als Faktum verkündet. Man findet sie als Fußnote zum 15. Mai
1829 in der offiziellen Kirchengeschichte (HC 1:40-42), die sich folgendermaßen
herleitet: Joseph Smith sagt am 6. September 1842, daß eine Wiederherstellung
stattgefunden habe. LuB 27:12 verweise darauf bereits im September 1830 (die
Verse Mitte 5 bis Ende gab es 1833 noch nicht - siehe BdG XXVIII). Deshalb
müsse die Ordination vor September 1830 stattgefunden haben. Weil Joseph
Smith und Oliver Cowdery in LuB 20:2,3 Elders und Apostel genannt werden,
müsse die Ordination vor dem 6. April 1830 erfolgt sein (siehe BdG
XXIV:3,4; lt. RLDS-Nachdruck gegeben im Juni 1830). Weil Oliver Cowdery und
David Whitmer im Juni 1829 gleichermaßen berufen gewesen sein sollen
wie Apostel Paulus muß die Ordination vor Ende Juni 1829 stattgefunden
haben. Auf diese dürftige Indizienkette baut die heutige Aussage auf,
das Melchisedekische Priestertum sei Ende Juni 1829 gebracht worden.
- Der aufmerksame Leser setze sich einmal mit LuB 3:16-18 auseinander:
Doch mein Werk wird vorangehen, denn wie das Wissen um einen Erretter
an die Welt gelangt ist, nämlich durch das Zeugnis der Juden,
durch die Bibel, also in Buchform, so wird das Wissen um einen Erretter
auch an mein Volk gelangen , gemeint sind wohl die Heiligen,
und an die Nephiten und die Jakobiten und die Josephiten
und die Zoramiten, laut Buch Mormon allesamt um das Jahr 400
ausgerottet, nämlich durch das Zeugnis ihrer Väter
, und dieses Zeugnis soll den Lamaniten und den Lemueliten und den Ischmaeliten
zur Kenntnis kommen, die in Unglauben verfallen sind wegen des Übeltuns
ihrer Väter, welchen es der Herr zugelassen hat, daß sie ihre
Brüder, die Nephiten, wegen deren Übeltaten und Greuel zerschlugen.
Es stellt sich hier die Frage, wie ein solches Wissen in Buchform an vier
ausgerottete Völker gelangen soll. (Die Buchform wäre für
die Geisterwelt wohl nicht sonderlich geeignet.)
- LuB 7 ist die Übersetzung eines Pergaments, das
der Apostel Johannes selbst geschrieben und verborgen haben soll.
Nähere Erläuterungen dazu gibt es nicht. Es ist offen, ob sich
Joseph Smith im Besitz eines solchen Pergaments befunden hat oder nicht.
Die Schwierigkeit tritt durch die widersprüchlichen Angaben sowohl in
der offiziellen Kirchengeschichte (HC 1:36) als auch im Buch der
Gebote Abschnitt VI auf. Dort heißt es: Offenbarung, gegeben an
Joseph und Oliver ... Übersetzt von Pergament, von ihm selbst geschrieben
und verborgen. Es bleibt ungeklärt, ob es sich um eine
Übersetzung oder eine Offenbarung handelt. Apologetisch wird hierauf gern
geantwortet, es handele sich um beides. Tatsächlich aber paßt die
Erwähnung eines realen Pergament in das Schema von Joseph Smiths Drang
nach unsichtbarer Validierung seiner Aussagen.
- Die Zuverlässigkeit der Zeugen für das Buch Mormon muß
heute stark angezweifelt werden. So mußten sie selbst zur Unterschrift
unter die heutigen Zeugnisse gedrängt werden. Wenn man
einmal davon, sowie von einigen Widerrufen, absieht, ist die Prophezeiung von
LuB 17:1 trotzdem nicht erfüllt. Denn neben den Platten sollten die
Zeugen auch noch die Brustplatte, das Schwert Labans, den Urim
und Thummim, ... , sowie den wundertätigen Richtungsweiser sehen.
Aber davon ist in den Zeugnissen und auch sonst nirgendwo die
Rede.
- Warum braucht man Glauben, um real existierende Platten zu sehen?
(LuB 17:2)
- Entsprechend LuB 25:7 wurde die Frau des Propheten, Emma
Smith, in der Kirche ordiniert, ein Vorgang, der heutzutage
undenkbar wäre.
- In LuB 29:40 wird Adam als derjenige dargestellt, der vom Satan versucht wurde und
dieser Versuchung nachgab, indem er von der verbotenen Frucht aß.
- Daß Kirchenmitglieder damals radikal ihre andersgläubigen
Nachbarn angriffen, ist nicht auf persönliche Schwächen von einzelnen
Mitgliedern zurückzuführen, sondern wurde durch die gesamte Lehre
gefördert. Noch heute kann man lesen: Wenn ihr treu seid,
werdet ihr euch zusammenfinden, um euch im Land Missouri zu freuen, denn
es ist das Land eures Erbteils, das jetzt das Land eurer Feinde
ist. (LuB 52:42). Diese setzten sich natürlich zur Wehr,
und waren damit sogar erfolgreich, da die Mormonen nun mal nicht ein
durch göttliche Macht beschütztes Volk sind.
- Nachdem eine Gruppe von zehn Ältesten drei Tage bei strahlendem Sonnenschein
mit dem Kanu von Independence nach Kirtland unterwegs waren, hatte W.W.Phelps am
hellichten Tag eine Vision, worin er den Teufel über das Wasser schweben
sah. Bereits am nächsten Morgen empfing Joseph Smith eine Offenbarung,
in der es erstmal nur um Satan und seine Macht über das Wasser ging
(siehe LuB 61). Diese zeitliche Verbindung zwischen aktuellen Themen und
den Offenbarungen finden sich (nicht überraschend) häufig.
- Am 25. Dezember 1832 will Joseph Smith den Abschnitt 87
empfangen haben, die Ankündigung eines Krieges zwischen Nord- und
Südstaaten. Worauf er sich konkret bezieht, geht aus der Kirchengeschichte
hervor: Das Wüten der Cholera war in fast allen großen
Städten des Globus beängstigend. Die Seuche brach in Indien aus,
während die Vereinigten Staaten, inmitten ihres Prunks und ihrer Größe,
von der direkten Auflösung bedroht waren. Die Bewohner von South Carolina,
versammelt in Debatten (im November), erließen Verfügungen,
die ihren Staat zur freien und unabhängigen Nation erklärten
... Präsident Jackson gab seine Proklamation gegen die Rebellion heraus,
rief ausreichend Truppen zusammen, um sie niederzuschlagen und erbat die
Segnungen Gottes ... (HC 1:301). Dazu sind einige Anmerkungen zu machen:
Die Südstaaten rebellierten über einen langen Zeitraum, so daß
es nicht schwer war, kriegerische Handlungen vorauszusehen. Dennoch kam
es wegen dieser Unabhängigkeitserklärung nicht dazu, der Konflikt
wurde friedlich beigelegt. Der Satz in Bezug auf die Kriege, die
in Kürze eintreten werden, die mit der Auflehnung Südkarolinas
anfangen und mit dem Tod und Elend vieler Seelen enden werden,
trifft also schon nicht zu (LuB 87:1). Deshalb wird heute gesagt, daß
Kürze sehr großzügig gemeint war und sich deshalb
auf den Sezessionskrieg bezieht, der 1861 bis 1865, also erst eine
ganze Generation später stattfand. Betrachten wir diesen Bürgerkrieg
und vergleichen ihn mit LuB 87:3,4. Großbrittanien wurde zwar aufgerufen,
griff aber nicht in den Krieg ein. Nicht eine andere Nation griff in die
Auseinandersetzung ein, es blieb ein rein amerikanischer Krieg, so daß
kein Krieg über alle Nationen ausgegossen wurde.
Auch erhoben sich nicht die Sklaven gegen ihre Herren
und Sklaven wurden von den Südstaaten nie für
den Krieg geordnet und ausgebildet oder eingesetzt, die Sklaverei
wurde ausschließlich von Weißen im Kampf verteidigt.
Mit beschlossener Verheerung allen Nationen
ein Ende bereitet hat Gott bis heute nicht, und das, obwohl schon
damals der Tag des Herrn schnell kommen sollte (LuB 87:7,8). Der Schlüssel
zur Offenbarung liegt hier wieder einmal in der Undeutlichkeit und Dehnbarkeit der Begriffe,
wie man sie von allerlei Prophezeiungen und Horoskopen kennt man
kann ganz einfach sehr viel hineindeuten.
- Interessant aus heutiger Sicht ist das Gottesbild, das in LuB
88:41 gemalt wird: Er erfaßt alles, und alles ist vor ihm,
und alles ist rings um ihn; und er ist über allem und in allem; und
alles ist durch ihn und von ihm, nämlich Gott, für immer und
immer. Diese Beschreibung paßt zu denen in den Vorlesungen
über Glauben, Ein Ruf aus der Wüste und Eine Stimme
der Warnung. Ähnlich lautende Beschreibungen anderer Religionen
werden heute von der HLT-Gemeinschaft geschmäht.
- In Abschnitt 97 spricht der Herr: Es ist mein Wille,
daß mir im Land Zion, also in Independence, Missouri,
ein Haus gebaut werde ähnlich dem Muster, das ich euch
gegeben habe. Ja es soll schnell gebaut werden ... wenn Zion dies tut, so
wird es gedeihen und sich ausbreiten und sehr herrlich werden, sehr groß
und sehr schrecklich ... gewißlich kann Zion nicht stürzen noch
von seinem Platz entfernt werden, denn ... die Hand des Herrn ist da; und er
hat bei der Kraft seiner Macht geschworen, er werde Zions Errettung und hoher
Turm sein. (LuB 97:10,11,18-20). Das war am 2. August 1833 in
Kirtland, Ohio. Irgendwie muß der Herr bei dieser
Offenbarung an Joseph Smith vergessen haben, daß bereits zwei Wochen
zuvor (am 23. Juli) und 1300 Kilometer entfernt die Mitglieder in Zion von
den anderen Anwohnern zu einem Abkommen gezwungen worden sind, demzufolge sie
diesen Kreis bis zum darauffolgenden Jahr verlassen haben mußten. Diese
griffen zu diesem Mittel, da sie sich von den sich ansiedelnden Mormonen
bedroht fühlten (siehe oben LuB 52 Feinde). In Kirtland war zu
dieser Zeit der Tempel nach dem oben erwähntem Muster bereits im Bau.
Parley P. Pratt schreibt hierzu verteidigend: Diese Offenbarung wurde
von der Kirche in Missouri nicht vollständig erfüllt, darum wurde die
angedrohte Strafe gänzlich ausgegossen, wie die Geschichte der fünf
folgenden Jahre zeigen wird. (HC 1:402,403). Er verurteilt hier
offensichtlich die Mitglieder der Kirche wegen der Nichterfüllung einer
noch gar nicht gegebenen himmlischen Anweisung, und die deshalb ihren Rauswurf
aus Jackson County selbst verschuldet hätten. Die Opfer dieses
Volksaufstandes brachten bestimmt großes Verständnis für diese
Argumentation auf.
- Nach wie vor ungeklärt ist der Widerspruch zwischen LuB 132:1,38,39
und Jakob 2:24-27 im Buch Mormon. Obwohl jeweils der Herr selbst als Autor
zitiert wird, werden die vielen Frauen Davids einmal als Sünde
und einmal als gottgewollt bezeichnet.
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