Eine Stimme der Warnung und Belehrung für alle Völker. _______ Kapitel 1. Über etliche schon in Erfüllung gegangene Prophezeiungen. Wir haben ein festes prophetisches Wort; und ihr tut wohl, daß ihr darauf achtet, als auf ein Licht, das da scheint in einem dunkeln Orte, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen. Und das sollt ihr für das erste wissen, daß keine Weissagung in der Schrift geschieht aus eigener Auslegung. Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht, sondern die heiligen Menschen Gottes haben ge- redet, getrieben von dem Heiligen Geiste. 2. Petri 2,1921. Um irgend etwas aus der Schrift zu beweisen, muß zuerst eine gewisse, bestimmte, untrügliche Regel der Auslegung aufge- stellt werden, ohne welche sich der Geist in Ungewißheit und Zweifel verliert, immer forschend, doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen imstande ist. Die Vernachlässigung einer solchen Regel hat die Menschen in die größte Verwirrung und Ungewißheit in allen ihren bibli- schen Nachforschungen gebracht. In der Tat, solange es den Menschen überlassen ist, das Wort Gottes zu verändern oder auf eine geistige, ungewisse oder besondere Weise auszulegen, ist alles Ungewißheit. Was aber zuvor geschrieben ist, das ist und zur Lehre ge- schrieben, auf daß wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoff- nungen haben. Gesetzt nun, es schriebe uns ein entfernter Freund und machte uns unter gewissen Bedingungen gewisse Versprechungen, welche, wenn wir sie erlangten, uns großen Nutzen und Vorteil |
6 bringen würden, so könnte man natürlich sagen, der Brief war uns zum Nutzen und zur Lehre geschrieben, auf daß wir durch Geduld und Trost des Briefes Hoffnung haben möchten, das Ver- sprochene zu erlangen. Wenn wir nun den Brief deutlich verständen, und wüßten, was wir zu erwarten hätten, dann würde er und Trost und Hoffnung gewähren; wenn dagegen in unserem Geiste noch irgend- ein Zweifel oder eine Ungewißheit wäre, ob wir denselben auch recht verständen, alsdann könnten wir keinen Gewissen Trost oder Hoffnung aus dem Geschriebenen erlangen, da wir ja nicht wüßten, was wir zu hoffen hätten; folglich würde der Brief zu uns gar keinen Nutzen haben. Und so verhält es sich mit der Schrift. Keine Prophezeiung oder Verheißung wird dem Leser eher nützen oder Geduld, Trost oder Hoffnung in seinem Gemüte erzeugen, bis er sie deutlich versteht, damit er genau wisse, was er zu hoffen habe. Die Weissagungen der Propheten sind nun ebenso deutlich zu verstehen wie der Kalender, der eine Sonnenfinsternis vorher- sagt, wenn nicht, so ist die Bibel von allen Büchern dasjenige, dessen Nutzen am ungewissesten ist. Weit besser würde es alsdann für die Menschen gewesen sein, wenn der große Schöpfer unseres Daseins seinen gefallenen Kreaturen nichts geoffenbart hätte, als ein Buch zu offenbaren, welches sie im Zweifel und Ungewißheit ließe, und miteinander von einem Zeitalter zum andern über die Bedeutung seines Inhalts zu streiten. Daß eine solche Ungewißheit und ein solcher Streit während ganzer Zeitalter gewesen ist, wird niemand leugnen. Die Weisen und Gelehrten waren stets uneinig, und noch herrscht eine große Uneinigkeit unter ihnen betreffs einer richtigen Auffassung der Prophezeiungen. Woher rührt nun diese Meinungsverschieden- heit? Entweder sind die Offenbarungen selbst mangelhaft oder die Menschen sind schuld daran. Aber zu sagen, eine Offenbarung ist selbst mangelhaft, hieße Gott der Torheit zeihen; Gott behüte, die Menschen müssen Schuld daran sein. Es gibt zwei große Ursachen für diese Blindheit, welche ich jetzt angeben werde. Die erste ist: Die Menschen sind der Mei- nung, daß eine unmittelbare göttliche Eingebung durch den Heiligen Geist nicht für alle Zeiten der Kirche beabsichtigt war, sondern nur für die erste Zeit. Da sie die Schrift erfüllt wähnten, alles Nötige geoffenbart sei und daß der Geist, welcher zu aller Wahrheit |
7 führt, nicht länger für die Leute wäre, daher suchten sie ihrer eigenen Weisheit und Gelehrsamkeit das zu verstehen, was immer nur durch den Geist der Wahrheit verstanden werden konnte; denn niemand weiß, was in Gott ist, außer der Geist Gottes. Die zweite Ursache ist: Da sie den Geist der göttlichen Ein- gebung verloren hatten, so fingen sie an, ihre eigenen Meinungen, Überlieferungen und Gebote aufzustellen und gaben während den letzten siebenzehnhundert Jahren Belehrungen und besondere Aus- legungen über das Wort Gottes, anstatt an die geschriebenen Dinge zu glauben. Und sobald als sie von der wörtlichen Bedeutung abwichen, war die Meinung oder Auslegung eines Mannes ebensogut wie die eines andern; alle hatten dieselbe Vollmacht, und daher ent- stand die ganze Finsternis und das Mißverständnis über diese Punkte, wodurch die Welt während den letzten siebenzehnhundert Jahren beunruhigt worden ist. Unter den mannigfaltigen Dingen, welche die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich lenken, ist eine Sache von größerem Werte als alle anderen. Ein Grundsatz, welcher, wenn man ihn einmal besitzt, von großem Nutzen sein würde, um alles andere Wünschens- werte zu erlangen, gleichviel, ob Macht, Reichtum, Ehren, Throne oder Herrschaft. Verhältnismäßig wenig haben es je besessen, obgleich es von vielen andern erlangt werden konnte, aber entweder bemerkten sie es nicht mehr kannten seinen Wert nicht. Es hat Wunder getan für die wenigen, die es besessen haben. Einige errettete es vom Ertrinken, während alle, die es nicht besaßen, in den mächtigen Fluten ihr Grab fanden. Andere errettete es vom Hungertode, indes Tausende um sie her umkamen; durch dasselbe gelangten die Menschen oft zu Staatswürden; ja noch mehr, einige erlangten sogar die Herrschaft über Reiche. Der Besitz desselben hat bisweilen Menschen aus den Kerkern im Paläste versetzt; und es gibt Beispiele, in welchen diejenigen, die es besaßen, dem Hungertode entgingen, während Städte zer- stört wurden und alle andern umkamen. Wenn eine Stadt oder ein Volk durch Hungersnot oder durch das Schwert vernichtet wurde, so entkamen häufig nur diejenigen unverletzt, die es besaßen. Der Leser wird jetzt fragen, was kann wohl jenes Ding sein? Nenne es mir, ich will es kaufen, und wenn ich alle meine irdi- schen Schätze opfern sollte. Wohlan, lieber Leser, dieser Schatz ist das Vorherwissen, eine Erkenntnis der |
8 zukünftigen Dinge! Laß ein Buch veröffentlicht werden, betitelt: Eine Erkenntnis der Zukunft, und laß die Menschen wirklich überzeugt sein, daß es eine gewisse, bestimmte Erkenntnis zukünftige Dinge gibt, so daß seine Blätter die zukünftige Ge- schichte der Völker und vieler großer Ereignisse enthüllen, gleich wie die Geschichte der Vergangenheit Griechenlands oder Roms ent- faltet, so würde jedes Exemplar einer großen Auflage sogleich für einen hohen Preis verkauft werden; in Wirklichkeit würde es un- schätzbar sein. Nun, lieber Leser, die Bücher der Propheten und der Geist der Prophezeiung waren gerade zu diesem Zweck gegeben. Deshalb sagt der Apostel: Strebet aber nach den besten Gaben; am meisten aber, daß ihr weissagen möget. Nachdem nun so viel gesagt worden ist, so wollen wir jetzt das weite vor und liegende Feld betreten und die Schätze der Weisheit und des Wissens erforschen, welche während ganzer Zeitalter in der Finster- nis wie ein Licht beleuchtet haben. Wir wollen Gegenden er- forschen, die vielen unbekannt sind; wir wollen die offenliegenden Herrlichkeiten schauen, welche sich überall zeigen; und unsere Seelen mit dem Wissen nähren, welches seinem Wesen nach die Be- stimmung hat, den Mut zu vergrößern, das Gemüt zu erheben, und die Neigungen über das Kleinliche, Niedrige und Alltägliche dieser Welt zu erheben und den Menschen durch die wachsende Erkenntnis zur Seligkeit zu erhöhen. Aber zuerst wollen wir über die bestimmte Regel der Aus- legung sprechen. In dieser Hinsicht wollen wir uns nicht auf irgendeinen Menschen oder Kommentar verlassen; denn der Heilige Geist hat sie durch den Mund Petri gegeben. Und das sollt ihr für das erste wissen, daß keine Weissagung in der Schrift geschieht aus eigener Auslegung. 2. Petri 1, 20. Beim Studium der Prophezeiungen ist eine wichtige Ein- teilung beständig im Auge zu behalten; nämlich der Unterschied zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Der Leser muß sich bemühen, den schon erfüllten und noch unerfüllten Teil herauszufinden, und dabei immer eingedenk sein, daß Petri Regel der Auslegung auf beides anwendbar ist. Wenn wir nun in unsern Nachforschungen finden, daß jede bis auf dieses Jahr erfüllte Prophezeiung buchstäblich erfüllt worden ist, so muß daraus folgen, daß auch die noch unerfüllten Prophezeiungen ihre buchstäbliche Erfüllung nicht verfehlen werden. Wir wollen mit der Zeit Noahs anfangen. 1. Buch Mos. 6, 17. |
9 Denn siehe, ich will eine Sintflut mit Wasser kommen lassen auf Erden, zu verderben alles Fleisch, darinnen ein lebendiger Odem ist, unter dem Himmel. Alles, was auf Erden ist, soll untergehen. In den folgenden Versen befiehlt der Herr dem Noah, in die Arche zu gehen und Tiere allerlei Art mit hineinzunehmen usw. Und im 22. Verse heißt es: Und Noah tat alles, was ihm Gott gebot. Es war gut für Noah, daß er nicht mit dem neuen System der Gottesgelehrtheit, alles geistig aufzufassen, vertraut war, denn unter ihrem verdunkelnden Einflusse würde er niemals geglaubt haben, daß eine so wunderbare Prophezeiung eine wört- liche Meinung und buchstäbliche Erfüllung bedeute. Nein, man würde ihm gesagt haben, daß unter der Flut eine geistige Flut, unter der Arche eine geistige Arche zu verstehen wäre, und sobald er anderer Meinung gewesen, so würde man ihn für einen Schwärmer, Betrüger oder Toren gehalten haben; aber es verhielt sich wirklich so, daß er eben einfältig genug war, um die Prophe- zeiung buchstäblich zu glauben. Hier ist nun ein schönes Beispiel des Vorherwissens, denn die ganze Welt, die es nicht be- saß, kam durch die Sintflut um. Die nächste Weissagung, die wir anführen wollen, steht im 1. Buch Mos. 15, 1316. Da sprach er zu Abraham: Das sollst du wissen, daß dein Same wird fremd sein in einem Lande, das nicht sein ist; und da wird man sie zu dienen zwingen und plagen vierhundert Jahre. Aber ich will richten das Volk, dem sie dienen müssen. Darnach sollen sie ausziehen mit großem Gut. Und du sollst fahren zu deinen Vätern mit Frieden und in gutem Alter begraben werden. Sie aber sollen nach vier Manns-Leben wieder hierher kommen, in die Missetat der Amoriter ist noch nicht voll. Die harte Behandlung der Kinder Israels während vierhundert Jahren, ihr Auszug mit großem Gut, die Gerichte Gottes über Ägypten, ebenso wie der Tod Abrahams in gutem Alter sind zu wohl bekannte Tatsachen, als daß sie noch einer weiteren Er- örterung bedürften; es genügt zu sagen, daß dies ein überzeugen- des Beispiel genauer Erfüllung der Prophezeiungen ist, die mehr als vierhundert Jahre vor ihrer Erfüllung gemacht worden sind. Daraus entnehmen wir nun, daß keiner von jenen alten Männern etwas von dem neuen System einer geistigen Auffassung wußte. Unsere nächste Stelle steht im 1. Buch Mos. 19, 1213. Und die Männer sprachen zu Lot: hast du noch irgend hie einen |
10 Eidam und Söhne und Töchter, und wer dir angehört in der Stadt, den führe aus dieser Stätte. Denn wir werden diese Stätte verderben; darum, daß ihr Geschrei groß ist vor dem Herrn, der hat uns gesandt, sie zu verderben. Lot, einfältig genug, diese Dinge wörtlich zu nehmen, nahm diejenigen seiner Familie, die ihm folgen wollten, mit sich und rettete so sein Leben; ohne Zweifel zur großen Belustigung der Sodomiter, die ihm wahr- scheinlich nachsahen und schrien: Täuschung, Täuschung! da sie die ganze Prophezeiung nur für ein Bild hielten. Hier ist nun ein Beispiel, wie ein Mann den Flammentode durch Erkennt- nis zukünftiger Dinge, die ihm verliehen war, entkam, indes die ganze Stadt unterging. O, welcher Segen war es für Lot, daß er nichts von der neuen Art, Prophezeiungen auszulegen, wußte. Wenn es ihm in den Sinn gekommen wäre, aus Sodom geistig, anstatt wörtlich herauszugehen, so würde es ihm das Leben gekostet haben. Wir wollen jetzt eine Prophezeiung Josephs im Lande Ägypten prüfen, 1. Buch Mos. 41, 2931. Siehe, sieben reiche Jahre werden kommen in ganz Ägyptenland. Und nach denselben werden sieben Jahre teure Zeit kommen, daß man vergessen wird aller solcher Fülle in Ägyptenland; und die teure Zeit wird das Land verzehren, daß man nichts wissen wird von der Fülle im Lande vor der teuren Zeit, die hernach kommt; denn sie wird sehr schwer sein. Joseph fährt dann fort, Anweisungen zu geben, Korn in gro- ßer Menge während der sieben fruchtbaren Jahre aufzuspeichern, um vor der kommenden Hungersnot geschützt zu sein. Und Pharao, der in der Schule der neueren Gottesgelehrtheit nicht besser als seine Vorgänger bewandert war, dachte nicht einmal daran, sie anders als ganz buchstäblich aufzufassen. Und so diente er und Joseph in Gottes Hand dazu, nicht nur ihr Volk, sondern auch das Haus Israel vor der Hungersnot zu retten. Dies ist ein anderes überzeugendes Beispiel von der Macht des Vorherwissens. Er rettete nicht nur vor Hungersnot, son- dern es erhöhte auch Joseph aus den Kerker in den Palast; von der tiefsten Erniedrigung zu der höchsten Ehre, so daß man vor ihm schrie: Beuge deine Knie! Aber ach! was für ein Tod und eine Trauer wäre eingetreten, wenn sie nur von einer geistigen Hungersnot und einem geistigen Korne geträumt hätten. Nachdem wir nun einige deutliche Beispiele aus früheren Zeiten gegeben haben, so wollen wir oberflächlich einige von den |
11 merkwürdigsten Ereignissen berühren, die prophezeit und erfüllt worden sind, bis wir zu den jüdischen Propheten kommen, wo sich ein weites Feld eröffnet, das in seinem Laufe die merkwürdigsten Ereignisse aller Zeiten berührt und mit einer vollständigen Ent- hüllung der Herrlichkeiten endigt, die sich in den letzten Tagen auftun werden. Ein merkwürdiges Beispiel aus dem Leben des Propheten Elia ist, daß er Ahab prophezeite, es werde während mehr als drei Jahren nicht regnen, was auch nach seinem Worte geschah. Ein merkwürdiges Beispiel ist auch der Syrier Hazael, der zu Elisa kam, und Gott wegen seines kranken Herrn, des Königs von Syrien, zu befragen. Der Prophet sah ihn ernst an und brach in Tränen aus; als ihn Hazael fragte: Warum weinest du? so antwortete er und sprach: Der Herr hat mir gezeigt, daß du König über Syrien werden wirst. Er vor dann fort, ihm die Grausamkeiten zu enthüllen, die er gegen Israel ausüben werde, welche zu schrecklich sind, um hier erwähnt zu werden, damit das zarte Ohr nicht beleidigt werde. Aber Hazael, erstaunt, diese Dinge in betreff seiner Person zu hören, die ihn zu jener Zeit mit Schrecken erfüllten, rief vor Überraschung aus: Aber wie! ist dein Knecht ein Hund, daß er etwas so Großes tun sollte? Doch muß man zum Erstaunen sagen, daß später alles buchstäblich erfüllt wurde. Im 21. Kapitel des 2. Buchs der Chronika steht geschrieben, daß an Joram eine Schrift von Elia kam, die, nachdem sie die große Gottlosigkeit erwähnt, deren er sich schuldig machte, indem er sich zur Abgötterei wandte und auch seine Brüder von seines Vaters Hause ermordete, die besser als er waren, so fortfährt: Siehe, so wird dich der Herr mit einer großen Plage schlagen, an deinem Volke, an deinen Kindern, an deinen Weibern und an aller deiner Habe; du aber wirst viel Krankheit haben in deinem Eingeweide, bis daß dein Eingeweide vor Krankheit herausgehe von Tage zu Tage. In demselben Kapitel steht geschrieben: Die Philister und Araber kamen gegen ihn und führten weg seine Weiber, Kinder und alle Habe; und nach dem allem plagte ihn der Herr in seinem Eingeweide mit solcher Krankheit, die nicht zu heilen war, und sein Eingeweide ging von ihm wegen seiner Krankheit, und er starb an einer bösen Krankheit. Der 26. Vers des 6. Kapitels des Buchs Josua enthält eine wunderbare Weissagung in betreff Jerichos: Verflucht sei der |
12 Mann vor dem Herrn, der sich aufmacht und diese Stadt Jericho wieder bauet. Wenn er ihren Grund leget, das koste ihn seinen ersten Sohn, und wenn er ihre Tore setzet, das koste ihn seinen jüngsten Sohn. Nach diesem Fluche lag die Stadt Jericho lange Zeit wüste da, weil es niemand wagte, dieselbe auf Kosten seines erstgeborenen und jüngsten Sohnes wieder aufzubauen, bis endlich, nachdem viele Richter und Könige aufeinander gefolgt und Jahrhunderte vergangen waren,Hiel, der Betheliter, der zur Zeit Ahabs lebte, wahrscheinlich in der Meinung, daß der Herr den von Josua darüber ausgesprochenen Fluch vergessen hätte, die Stadt wieder aufzubauen wagte; aber er hatte nicht sobald ihren Grund gelegt, als Abiram, sein Erstgeborener, starb; da er aber noch verstockten Herzens blieb und ihre Tore setzte, verlor er seinen jüngsten Sohn Segub, nach dem Worte des Herrn, das er geredet hatte durch Josua; siehe 1. Buch der Könige 16, 34. Wir könnten ein ganzes Buch mit Beispielen ähnlicher Art, die durch den ganzen geschicht- lichen Teil der Heiligen Schrift zerstreut sind, füllen; aber wir unterlassen es, um zu einer genaueren Erforschung der Weis- sagungen der jüdischen Propheten zu eilen. Wir werden dieselben verfolgen, wie sie in bezug auf Jerusalem, Babylon, Tyrus, Ägyp- ten und verschiedene andere Völker in Erfüllung gegangen sind. Babylon, die älteste und berühmteste Stadt der Welt, hatte eine herrliche Lage an den Ufern eines majestätischen Flusses, der seinen Lauf durch die Ebenen von Schinar nahm, in deren Nähe einst der Turm von Babel stand. Sie war viereckig, von einer mehr als dreihundert Fuß hohen Mauer umgeben, und hatte einen Umfang von mehr als sechzig englischen Meilen, mit hundert Toren von Erz, an denen sich eiserne Stangen befanden, mit fünf- undzwanzig Toren auf jeder Seite, welche zu Straßen führten, die in einer Strecke von fünfzehn englischen Meilen durch die Stadt liefen, und so bildete die ganze Stadt genaue Vierecke von gleicher Größe. Mitten in diesen Vierecken lagen schöne Gärten, die mit Bäumen, Spazierwegen und mit Blumen verschiedener Farbe geziert waren, indes die Häuser auf den Rändern der Vierecke unmittelbar gegen die Straßen gebaut waren. Mitten in dieser Stadt saß Nebukadnezar auf dem Throne, umgeben von königlichem Glanze und Pracht, und schwang sein Zepter über alle Reiche der Welt. Da gefiel es Gott, in einem Gesichte während der Nacht den dunklen Schleier der Zukunft zu lüften und ihm |
13 mit einem Blick in die Geschichte der Welt zu zeigen, bis auf das Ende aller Dinge. Siehe, ein sehr großes und hohes Bild stand vor ihm, dessen Haupt war von feinem Golde, seine Brust und Arme von Silber, sein Bauch und seine Lenden waren von Erz, seine Schenkel waren Eisen, seine Füße waren eines Teiles Eisen und eines Teiles Ton. Solches sah er, bis das Ein Stein herabgerissen ward ohne Hände, der schlug das Bild an seine Füße, die Eisen und Ton waren, und zermalmte sie; da wurden miteinander zermalmt Eisen, Ton, Erz, Silber und Gold und wurden wie Spreu auf den Sommertennen; und der Wind verwehte sie, daß man sie nirgends mehr finden konnte. Der Stein aber, der das Bild schlug, wurde ein großer Berg, der die ganze Welt füllte. Als Daniel vor den König gebracht wurde, um den Traum zu sagen und auszudeuten, rief er aus: Gott vom Himmel, der kann verborgene Dinge offenbaren; der hat dem König Nebukad- nezar angezeigt, was in künftigen Zeiten geschehen soll. Dann, nachdem er den Traum erzählt, fuhr er fort: Du, König, bist ein König aller Könige, dem Gott vom Himmel Königreich, Macht, Stärke und Ehre gegeben hat; und alles, da Leute wohnen; dazu die Tiere auf dem Felde und die Vögel unter dem Himmel in deine Hände gegeben, und dir über alles Gewalt verliehen hat; du bist das güldene Haupt. Nach dir wird ein ander Königreich aufkommen, geringer denn deines. Darnach das dritte Königreich, das ehern ist, welches über alle Lande herrschen wird. Das vierte wird hart sein wie Eisen; denn gleich wie Eisen alles zermalmet und zerschlägt, ja, wie Eisen alles zerbricht, also wird es auch alles zermalmen und zerbrechen. Daß du aber gesehen hast die Füße und Zehen eines Teils Ton und eines Teils Eisen; das wird ein zerteilet Königreich sein, doch wird von des Eisen Art drinnen bleiben; wie du denn gesehen hast Eisen mit Ton ver- menget,und daß die Zehen an seinen Füßen eines Teils Eisen und eines Teils Ton sind, wird's zum Teil ein stark und zum Teil ein schwach Reich sein. Und daß du gesehen hast Eisen mit Ton vermenget, werden sie sich wohl nach Menschen Geblüt unter- einander mengen, aber sie werden doch nicht aneinander halten; gleich wie sich Eisen mit Ton nicht mengen läßt. Aber zur Zeit solcher Königreiche wird Gott vom Himmel ein Königreich auf- richten, das nimmermehr zerstört werden wird; und sein König- reich wird auf kein ander Volk kommen. Es wird alle diese |
14 Königreiche zermalmen und zerstören; aber es wird ewiglich bleiben. Wie du denn gesehen hast einen Stein ohne Hände vom Berge herabgerissen, der das Eisen, Erz, Ton, Silber und Gold zermalmet. Also hat der große Gott dem Könige gezeigt, wie es hergehen werde; und das ist gewiß der Traum, und die Deutung ist recht. In dieser großen Übersicht des Gegenstandes wird uns zuerst das Reich Nebukadnezars vorgeführt, zweitens die Meder und Perser, die Babylon dem Belsazer entrissen und über die ganze Erde herrschten; drittens, die Griechen unter Alexander, welcher die Welt eroberte und dann in Babylon regierte; viertens, das römische Reich, welches alles unterjochte; fünftens, seine Teilung in das östliche und westliche Reich und seine endliche Auflösung oder Zerstückelung in verschiedene Königreiche des neuen Europas, die durch die Füße und Zehen, die eines Teils Eisen und eines Teils Ton sind, dargestellt wurden. Und zuletzt wird uns ein ganz neues Königreich vorgeführt, das Gott vom Himmel in den letzten Tagen oder während der Regierung dieser Könige auf- richten wird, was durch die Füße und Zehen dargestellt wurde. Dieses letzte Königreich wird niemals seinen Herrn wechseln, wie alle die andern Königreiche, die vor diesem waren. Es wird auf kein anderes Volk kommen, es wird alle diese Königreiche zermalmen und es wird ewiglich bleiben. Viele sind der Meinung, daß dieses letzte Königreich, auf welches hingewiesen wird, das Reich Gottes war, das in den Tagen Christi oder seiner Apostel gegründet wurde. Ein größerer Fehler könnte jedoch nicht gemacht werden; das in den Tagen Christi oder seiner Apostel auf gerichtete Reich Gottes zermalmte keines von den Reichen der Welt; sondern es wurde selbst bekriegt und überwältigt, um die Worte Daniels zu erfüllen, die im 7. Kapitel, 21. und 22. Vers enthalten sind: Und ich sah dasselbige Horn streiten wider die Heiligen, und es behielt den Sieg wider sie, bis der Alte kam und Gericht hielt für die Heiligen des Höchsten; und die Zeit kam, daß die Heiligen das Reich einnahmen; und auch im 27. Vers: Aber das Reich, Gewalt und Macht unter dem ganzen Himmel wird dem heiligen Volke des Höchsten gegeben werden, des Reich ewig ist, und alle Gewalt wird ihm dienen und gehorchen. Johannes sagt in der Offenbarung, 13. Kapitel, 7. Vers: Und ward ihm gegeben zu streiten mit den Heiligen und sie zu |
15 überwinden. Und ward ihm gegeben Macht über alle Geschlechter und Sprachen und Heiden. Um diese Worte zu erfüllen, wurde den Gewalthabern der Erde die Macht gegeben, die von Gott gesandten Männer zu töten oder, wenn noch einige übrig blieben, von den Menschen zu verbannen und sie zu zwingen, sich auf wüste Inseln oder in die Gruben und Höhlen der Berge der Erde zu flüchten, obgleich die Welt ihrer nicht würdig war; während zugleich an ihrer Stelle viele falsche Propheten und Lehrer auftraten, von denen die Menschen sehr viele aufnahmen, weil sie die heilsame Lehre nicht leiden konnten. Auf diese Weise wurde das Reich Gottes unter den Menschen aufgelöst und ging verloren, und an seine Stelle traten die Lehren und Kirchen der Menschen. Wir wollen aber diesen Gegenstand noch ausführlicher behandeln, wenn wir von dem Reiche Gottes sprechen werden. Es mag genügen zu sagen, daß das von Daniel erwähnte Reich in den letzten Tagen durch Gott vom Himmel ohne die Hilfe menschlicher Gesetze oder Vorschriften aufgerichtet werden wird. Und wenn es einmal aufgerichtet ist, wird es nicht zu wachsen aufhören; alle Macht der Erde und der Hölle werden sein Wachstum nicht hindern, bis zuletzt der Alte zu Gericht sitzen und Jesus Christus in den Wolken vom Himmel kommen wird, mit großer Macht und Herrlichkeit, als der König der Könige und der Herr der Herren, und alle diese Königreiche vernichten, und das Reich, die Gewalt und Macht unter dem ganzen Himmel den Heiligen geben wird. Dann wird nur ein Herr sein, und sein Name einer, und er wird König über die ganze Erde sein. Wir wollen jetzt zu Nebukadnezar zurückkehren, den der Herr, durch den Mund Jeremias, seinen Diener nennt, um sein Gericht zu halten über die Völker. Es scheint, daß der Herr diesen großen Mann erhob, um ihn zum König der Könige und Herrn der Herren zu machen, indem er ihn mit seinem eigenen Schwerte rüstete und ihm Macht und Gewalt gab, zu dem ausdrücklichen Zwecke, seine Gerichte auszuführen und alle Völker der Erde zu geißeln und zu demütigen. Jeremias, im 25. Kapitel, sagt: Der Herr beabsichtigte, Nebukadnezar und sein Heer gegen Jerusalem und gegen alle umliegenden Völker kommen zu lassen, um sie zu zerstören und in Gefangenschaft zubringen siebenzig Jahre; nach siebenzig Jahren aber wollte er den König von Babylon und all dies Volk heim- |
16 suchen um ihre Missetaten. Wer kann nun die Geschichte von der Erfüllung dieser großen Ereignisse, die so genau von Jeremias, Jesaia und Hesekiel angegeben sind, verfolgen, ohne von Erstaunen und Bewunderung ergriffen zu werden über die wunderbare Gabe der Prophezeiung, durch welche die Menschen in jenen Tagen die Geschichte der Zukunft lesen konnten, wie man die Geschichte der Vergangenheit liest. In der Tat, der Geschichtsforscher des neunzehnten Jahrhunderts, der die Geschichte der Babylonier, Meder, Perser, Griechen, Römer, Ägypter und Juden in seinen Händen hat, wird sich mit den unter jenen Völkern vorgefallenen Ereignissen kaum vertrauter machen können, als die Propheten, welche dieselben siebenzig Jahre vor ihrer Erfüllung kannten. Die Juden wurden von Nebukadnezar unterworfen; ihre Stadt Jerusalem mit ihrem Tempel durch Feuer zerstört; ihre Fürsten, Adeligen und ihr Volk mit ihren ganzen Heiligtümern nach Babylonien geführt. Alle Einzelheiten dieser Zerstörung und Gefangenschaft und die Zeit ihrer Dauer, nämlich siebenzig Jahre, wurden genau von Jeremias vorhergesagt. Nach Unterwerfung der Juden ließ der König von Babylon sein Heer gegen Tyrus marschieren, eine Handelsstadt, die an einem Seehafen lag, und nicht nur von der See, sondern auch von einer starken Mauer umgeben war. Ein so stark befestigter Ort erforderte die größte Geschicklichkeit und Ausdauer Nebukadnezars und seines ganzen Heeres, welches lange Zeit unaufhörliche Anstrengungen machte, zuletzt jedoch Tyrus einnahm und die Bewohner in Gefangenschaft brachte, siebenzig Jahre lang. Nach dieser Zeit kehrten sie zurück und bauten ihre Stadt wieder auf; denn Jeremias hatte vorher die Eroberungen von Tyrus, seine siebenzigjährige Knechtschaft ge- weissaget, und ebenso, daß es nach jener Zeit wieder aufgebaut werden würde. Nachdem nun Tyrus wieder aufgebaut war, so blühte die Stadt eine Zeitlang, wurde aber später gänzlich ver- wüstet. Überreste von ihren Trümmern werden noch heutigentages auf dem Grunde des Meeres gefunden; aus der Stelle, wo die Stadt stand, ist ein unfruchtbarer Felsen geworden, auf dem nur einige arme Fischer wohnen. Diese ganze Zerstörung und sogar ihr gegenwärtiges Aussehen einer wüsten und ewigen Einöde wurde von den Propheten genau vorhergesagt. Nachdem der König von Babylon Tyrus glücklich genommen und manches Haupt kahl und mancher Rücken durch die Strapazen der Belagerung gebeugt war, versprach ihm der Herr durch den |
17 Mund Hesekiels das ganze Gut Ägyptens als Gold für sein Heer, und ihm für seine große Leistung, in welcher er Gott gegen Tyrus gedient, zu belohnen. Alsdann, seht seinen Krieg an, in welchem er Ägypten nahm und dessen Einwohner in Gefangenschaft brachte, bis die siebenzig Jahre um waren. Und endlich folgt ihm, wie er die Rache und den Zorn des Herrn ausgeführt gegen Uz, an den Königen der Philister, samt Asrelon, Azaah, Eskron, Edom, Moab, Ammon, Dedan, Tema und Buz; an den Königen in Arabien, an den Königen in Simri, allen Königen in Edam, allen Königen in Meden; an allen Königen in Mitternacht, beide in der Nähe und Ferne, und endlich gegen alle Königreiche der Welt, daß sie trunken werden und speien, niederfallen und nicht aufstehen mögen vor dem Schwert, das er unter sie schicken will. Als aber der Herr seinen ganzen Willen an diesen Völkern erfüllt hatte, beschloß er andrerseits, diesen großen Monarchen und seine Nachfolger zu strafen, und die Stadt und das Land, über welches er regierte, zu einer ewigen Wüste zu machen. Und alles dies wegen ihres Stolzes und Hochmutes. Der Herr sprach: Soll sich die Axt gegen den rühmen, der damit haut, oder soll sich diese Säge gegen den rühmen, der sie ziehet? Um nun aber die Rückkehr der Juden und anderer Völker aus ihrer siebenzigjährigen Gefangenschaft und Knechtschaft und die Bestrafung Babylons zu vollziehen, wird von den Propheten ein andrer, von dem des Nebukadnezars sehr verschiedener Charakter angeführt; einer, der in der Schrift der Gesalbte des Herrn heißt. Man kann ihn für einen der außerordentlichsten Charaktere halten, welche die Heidenwelt hervorgebracht; seine Milde, Aus- dauer, sein Mut, Erfolg und vorzüglich sein strenger Gehorsam gegen das Gebot jenes Gottes, welchen weder er noch seine Väter gekannt hatten alles das beweist, daß Jesaia ihn nicht mit Unrecht den Gesalbten des Herrn nannte, der die Völker aus der Knechtschaft erlösen und die größte Stadt und Herrschaft, die jemals auf der Erde war, geißeln und unterjochen, die Juden zurückbringen und ihrer Stadt und ihren Tempel wiederaufbauen sollte. In der Tat, er gehört mit zu den wenigen, welche die Welt nur für außerordentliche Zwecke hervorbringt. Laßt uns jedoch des Propheten eigene Worte über ihn hören, im Jesaia, 45. Kapitel: So spricht der Herr zu seinem Ge- salbten, dem Cyrus, den ich bei seiner rechten Hand ergreife, daß |
18 ich die Heiden vor ihm unterwerfe und den Königen das Schwert abgürte, auf daß vor ihm die Türen geöffnet werden und die Tore nicht verschlossen bleiben: Ich will vor ihr hergehen und die Höcker eben machen; ich will ehernen Türen zerschlagen und die eisernen Riegel zerbrechen. Und ich will dir geben die heimlichen Schätze und die verborgenen Kleinode; auf das du erkennest, daß ich, der Herr, der Gott Israels, dich bei deinem Namen genannt habe, um Jakob, meines Knechtes, willen; und um Israel, meines Auserwählten, willen. Ja, ich rief dich bei deinem Namen und nannte dich, da du mich noch nicht kanntest. Ich bin der Herr, und sonst keiner mehr; kein Gott ist, ohne mich. Ich habe dich gerüstet, da du mich noch nicht kanntest, auf daß man erfahre, beide, von der Sonne Aufgang und der Sonne Niedergang, daß außer mir keiner sei. Ich bin der Herr und keiner mehr. Im 13. Vers sagt er: Ich habe ihn erwecket in Gerechtigkeit, und alle seine Wege will ich eben machen. Er soll meine Stadt bauen und meine Gefangenen loslassen; nicht um Geld, noch um Geschenke, spricht der Herr Zebaoth. Der Leser wird sich erinnern, daß Jesaia ungefähr hundert Jahre vor der Gefangenschaft der Juden lebte und hundertundsiebenzig Jahre vor ihrer Heimkehr durch Cyrus. Hier möchte ich innehalten und fragen, welche Macht außer der des großen Gottes konnte einem Manne die Kraft verleihen, einen andern Mann ein Jahrhundert vor seiner Geburt mit seinem Namen zu nennen und richtig die Geschichte seines Lebens vorher- zusagen? Wie groß muß sein Erstaunen und seine Verwunderung gewesen sein, als er nach vieljährigen Kriegen und Erschütterungen als Sieger ausziehend und wie ein Nest die Schätze der Völker sammelnd, zuletzt sein Lager unter den Mauern des stärksten Ortes der ganzen Erde aufschlug? Er sah auf dessen Mauern, die eine Höhe von mehr als 500 Fuß hatten, dessen Tore eisern waren; das Volk glaubte sich drinnen in der Stadt vollkommen sicher, da es auf mehrere Jahre reichlich mit Lebensmitteln versehen war. Wie konnte er daran denken, jene Stadt einzunehmen, wen würde nicht ein solches Unternehmen zurückgeschreckt haben, es sei denn, der große Jehova hätte ihn begeistert? Da er aber den Fluß Euphrat aus seinem Lauf brachte und in den trockenen Bette des Flusses unter den Mauern der Stadt marschierte, so gelangte er ohne große Schwierigkeit in den Besitz der Stadt, denn der König Belsazar hatte sich mit seinen |
19 Gewaltigen und Kebsweibern betrunken, und das da zu aus den Gefäßen, die sein Vater aus dem Tempel, dem Hause Gottes zu Jerusalem, genommen hatte, und seine Beine zitterten schon vor Schrecken über die Handschrift an der Wand, zu deren Auslegung Daniel eben gerufen worden war, die sein Reich den Medern und Persern gab. Nachdem Cyrus dieses große Reich sich unterworfen, setzte er sich auf den Thron der Königreiche; und da er mit Daniel bekannt wurde, erlangte er ohne Zweifel Kenntnis von dem jüdi- schen Urkunden, und dann wurde ihm das Geheimnis offenbart: er konnte dann sehen, daß ihn Gott bei seinem Namen gerufen, daß die Hand des Akllmächtigen ihn zur Schlacht gerüstet und sein ganzes Werk gezeigt hatte; er konnte alsdann verstehen, warum sich die Schätze der Erde in seinen Schoß ausgegossen hatten, und den Königen das Schwert abgegürtet war, warum vor ihm die Türen geöffnet und die eisernen Riegel zerbrochen waren. Es geschah, auf daß er erfahre, daß es einen Gott in Israel gebe, und keinen andern, und daß alle Götzen wie nichts wären; daß er auch die Juden wiederbringen, ihre Stadt und ihren Tempel wiederaufbauen und Gottes Pläne gegen Babylon ausführen sollte. Demgemäß erließ er an die Juden eine Bekanntmachung, wieder heimzukehren, und an die Völker, ihnen beim Wiederaufbau zu helfen. Denn, spricht er, Gott hat mir befohlen, ihm ein Haus zu bauen zu Jerusalem. Esra, Kapitel 1, 23 sagt: So spricht Cyrus, König in Persien: der Herr, der Gott des Himmels, hat mir alle Königreiche der Erde gegeben; und er hat mir be- fohlen, ihm ein Haus zu bauen zu Jerusalem in Juda; der nun unter euch seines Volkes ist, mit dem sei sein Gott, und er ziehe hinauf gen Jerusalem in Juda; und baue das Haus des Herrn, des Gottes Israel; er ist der Gott, der zu Jerusalem ist. Welcher starke Beweis, welcher mächtige Einfluß brachte Cyrus zu der Überzeugung, daß es der Gott vom Himmel war, der in Jerusalem wohnte, der allein Gott war, der alle diese Dinge getan hatte? Er war weder in dem Glauben des wahren Gottes noch in der Heiligen Schrift unterrichtet worden. Er war sogar immer sehr eifrig in der Anbetung der Götzen gewesen; bei den Götzen suchte er in seinem früheren Leben Hilfe. Ich erwidere, es war die Macht Gottes, welche sich durch eine Prophezeiung und ihre Erfüllung kundgab; weder in einem geistigen Sinne noch auf eine dunkle, ungewisse, geheimnisvolle Weise, die schwer zu verstehen war; sondern durch einen bestimmten, buchstäblichen, |
20 deutlichen Beweis, den niemand bestreiten oder widerlegen konnte. Jesaia sagt, daß dies der Zweck war, den Gott vor Augen hatte, sobald er eine solche Deutlichkeit offenbarte. Und Cyurs bewies, daß es die gewünschte Wirkung hatte. Ich will hier bemerken, daß, da wir später jenen Teil der Prophezeiungen durchgehen wollen, der noch zu erfüllen ist, wir bestimmte Beweise anführen werden, daß die heidnischen Völker der letzten Tage auf dieselbe Weise wie Cyrus überzeugt werden müssen; das heißt, gewisse, von den Propheten deutlich vorher- gesagte Ereignisse, die jedoch noch eintreten sollen, wehrten nach ihrer Erfüllung alle heidnischen Völker von dem wahren Gotte überzeugen, und sie werden wissen, das Er gesprochen und es getan hat. Und alle diese großen und gelehrten Männer der Christenheit und alle Gesellschaften, welche dem Worte einer Prophezeiung eine andere als buchstäbliche Bedeutung geben, werden beschämt und genötigt sein, anzuerkennen, daß alles geschah, wie es geschrieben steht. Doch wir wollen zu unserer Untersuchung der Prophezeiungen und ihrer Erfüllung zurückkehren. Die Propheten hatten nicht nur die Unterjochung von Babylon durch Cyrus geweissagt, sondern sie hatten auch sein Geschick durch alle Zeiten verkündigt, sogar, daß nach seiner gänzlichen Verwüstung niemand mehr dort wohnen würde, nicht einmal der wandernde Araber würde dort eine Zeit- lang verweilen, und der Araber wird keine Hütte daselbst machen. Siehe Jesaia 13, 1922. Der berühmte jüdische Missionar Herr Joseph Wolf fragte auf seinen Reisen in Chaldäa die Araber, ob sie ihre Hütten unter den Trümmern von Babylon aufrichteten, was sie verneinten, weil sie fürchteten, daß, wenn sie dies täten, der Geist Nimrods sie beunruhigen würde. So sind alle Prophezeiungen der Pro- pheten in betreff jener mächtigen Stadt in Erfüllung gegangen. An Edom finden wir die von den Propheten deutlich ausge- sprochenen Prophezeiungen auch auf eine merkwürdige Weise er- füllt. Diese Prophezeiungen wurden zu einer Zeit gegen Edom gemacht, als sein Land sehr fruchtbar und gut angebaut war und überall viele blühende Städte waren. Aber jetzt sind aus seinen Städten wüste Trümmerhaufen geworden, auf denen sich nur See- raben, Rohrdommeln und wilde Tiere, Schlangen usw. aufhalten, und sein Boden ist jetzt unfruchtbar geworden; der Herr hat Ver- wirrung und die Steine der Leere darauf gelegt, und es hat wüste |
21 dagelegen von einem Geschlechte zum andern, um ausdrücklich die Prophezeiung zu erfüllen. Wir wollen jetzt eine kurze Beschreibung von dem Gesichte Daniels geben, von dem das 8. Kapitel seiner Prophezeiungen in betreff des Bockes und der Ziege handelt. Der Leser dürfte wohl daran tun, das ganze Kapitel zu lesen; aber wir wollen hier besonders die Ausdeutung beachten, wie sie ihm von Gabriel ge- geben wurde und dem 19. bis 25. Verse angeführt wird. Und er sprach: Siehe, ich will dir zeigen, wie es gehen wird zur Zeit des letzten Zornes; denn das Ende hat seine bestimmte Zeit. Der Widder mit den zwei Hörnern, den du gesehen hast, sind die Könige in Medien und Persien. Der Ziegenbock aber ist der König von Griechenland. Das große Horn zwischen seinen Augen ist der erste König. Daß aber vier an seiner Statt stunden, da es zerbrochen war, bedeutet, daß vier Königreiche aus dem Volke entstehen werden; aber nicht so mächtig, wie er war. In der letzten Zeit ihres Königreiches, wenn die Übertreter überhandnehmen, wird ein frecher und tückische König aufkommen. Der wird mächtig sein, doch nicht durch seine Kraft. Er wird greulich ver- wüsten, und wird ihm gelingen, daß er es ausrichte. Der wird die Starken samt dem heiligen Volk zerstören. Und durch seine Klugheit wird ihm der Betrug geraten. Und wird sich in seinem Herzen erheben, und mitten im Frieden wird er viel verderben; und wird sich auflehnen wider den Fürsten aller Fürsten, aber er wird ohne Hand zerbrochen werden. In diesem Gesichte finden wir zuerst die Meder und Perser dargestellt, wie sie sein sollten, bis sie durch Alexander den Großen besiegt wurden. Es ist nun eine wohlbekannte Tatsache, daß dieses Reich eine Zeitlang nach dem Tode Daniels ungemein mächtig und groß wurde, indem sich seine Eroberungen bis nach dem Westen, Norden und Süden erstreckten, so daß niemand vor ihnen standhalten konnte, bis Alexander, König von Griechenland, mit einen kleinen Heere auserwählter Männer heranrückte und die Perser, welche auf den gegenüberliegenden Ufer des Flusses Stellung genommen hatten, angriff. Er stürzte sich mit seinem Pferde in die Fluten, setzte an der Spitze seines Heeres über den Fluß und lieferte den Persern, ungeachtet ihrer großen Über- macht und vorteilhaften Stellung, eine Schlacht, worin er seinen Gegner gänzlich besiegte. Dann begannen die Griechen das Land zu überschwemmen und zu unterjochen, indem sie die Perser in |
22 einer Anzahl Schlachten schlugen, bis sie dieselben gänzlich unter- worfen hatten. Es ist auch gut bekannt, daß Alexander, König von Griechen- land, von Volk zu Volk zog und die Welt sich unterwarf, bis er, nach Eroberung der Welt, in einem Alter von 32 Jahren zu Babylon starb. Und da es aufs stärkste geworden war, zerbrach das große Horn und wuchsen an dessen Statt ansehnliche vier gegen die vier Winde des Himmels. Sein Königreich wurde unter vier seiner Generäle geteilt, welche niemals seine Macht erlangten. Nun in der letzten Zeit ihres Reiches, als die Sünden des jüdi- schen Volkes sich überhäuften, vernichtete die römische Macht das jüdische Volk, nahm Jerusalem und ließ die täglichen Opfer ein- stellen, und nicht nur dies geschah, sondern sie zerstörten auch die Starken samt dem heiligen Volke, d. h. die Apostel und die ersten Christen, welche von den Machthabern Roms getötet wurden. Wir wollen jetzt fragen: gibt die Geschichte aller dieser Staaten einen deutlicheren Beweis von vergangenen Ereignissen, als Daniels Weisheit ihn von Ereignissen gab, welche der Zu- kunft angehörten und von denen einige dem Laufe der Zeit auf mehrere Jahrhunderte vorausgeeilt waren, indem er Ereignisse offenbarte, die kein menschlicher Scharfsinn möglicherweise vor- ausgesehen haben konnte? Der Mensch kann mit seinem Scharf- sinne vieles ausführen, er kann das pfadlose Meer ohne günstigen Wind oder Strömung befahren; er kann sich ohne Flügel bis zu den Wolken erheben; der kann ohne Tiere Länder mit erstaunlicher Schnelligkeit durchreisen oder kann seine Gedanken seinem Neben- menschen durch Briefe mitteilen. Es gibt jedoch etwas, was er nie erlangen kann; nein, nicht einmal mit der Weisheit ganzer Zeitalter; es ist nicht für Geld zu haben; es kommt nur von Gott und wird dem Menschen als eine freie Gabe gegeben. So sagt der Prophet zu den Götzen: Saget uns das Zukünftige, auf daß wir wissen mögen, daß ihr Götter seid. Wir wollen jetzt weiter zeigen, wie genau die Prophezeiungen in bezug auf die Person Jesu Christi buchstäblich erfüllet wur- den. Siehe, sagt der Prophet, eine Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären. Wiederum, Bethlehem sollte der Ort seiner Geburt sein; und Ägypten, wo er sich mit seinen Eltern aufhielt, der Ort, aus welchem er berufen werden sollte. Er wandte sich nach Nazareth, denn es stand geschrieben: Er soll Nazarenus heißen. Er zog ein zu Jerusalem, auf einem Esel und auf |
23 einem Füllen der lastbaren Eselin, weil der Prophet gesagt hatte: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen der lastbaren Eselin. Und wiederum sagte der Prophet: Er wird gestraft und gemartert werden; er wird sein voller Schmerzen und Krankheit; er wird wie ein Lamm sein, das zur Schlachtbank geführet wird, und wie ein Schaf, das verstummet vor seinem Scherer und seinen Mund nicht auftut; in seiner Niedrigkeit war sein Gericht erhaben; wer will seines Lebens Länge ausreden, denn sein Leben ist von der Erde ge- nommen. Er wurde um unserer Missetat willen verwundet, und durch seine Wunden sind wir geheilt; er wurde den Übeltätern gleich gerechnet; er ist begraben wie ein Reicher. Ihm ist kein Bein zerbrochen; sie teilen seine Kleidung; sie werfen das Los um seine Kleider; sie geben ihm Galle und Bitterkeit zu trinken; sie verraten ihn um dreißig Silberlinge; und als er geendet hatte, ruhte er im Grabe bis zum dritten Tage, wo er dann trium- phierend aufstand, ohne die Verwesung zu sehen. Nun, lieber Leser, hättest du unsern teuren Erlöser während seines ganzen Verweilens im Fleische begleiten können und hättest dir die Mühe gegeben, die einzelnen Umstände seines Lebens und Todes aufzuzeichnen, wie sie von Zeit zu Zeit eintraten, so würde deine Geschichte nicht deutlicher sein, als sie die Propheten von ihm gaben mehrere hundert Jahre vor seiner Geburt. Wir wür- den wohl daran tun, etwas in bezug auf die Weise zu beachten, in welcher die Apostel eine Prophezeiung auslegten, und das ist dies, sie führten dieselben einfach an und berichteten ihre buchstäbliche Erfüllung. Diese Weise verfolgend, konn- ten sie dem in den jüdischen Synagogen versammelten Volke mit solchen überzeugenden Beweisen ins Herz dringen, daß dasselbe genötigt war, den vermeintlichen Betrüger als den Messias an- zuerkennen. Aber hätten sie nur einmal daran gedacht, eine geistige oder ungewisse Auslegung zu machen, wie die Theologen der Gegenwart, so würde alles Ungewißheit und Zweifel gewesen, und ein Beweis würde von der Erde verschwunden sein. Nachdem wir nun Prophezeiungen der Propheten des Alten Testaments und ihre Erfüllung veranschaulicht und klar bewiesen haben, daß immer eine buchstäbliche Erfüllung beabsichtigt war, so kann der Gegner vielleicht fragen, ob dieselbe Auslegungs- weise auch auf die im Neuen Testament enthaltenen Prophe- zeiungen anzuwenden sei. Wir wollen daher einige wichtige Bei- |
24 spiele von Prophezeiungen und ihrer Erfüllung aus den Neuen Testamente anführen, worauf wir bereit sein werden, das große Feld zu betreten, welches noch in der Zukunft liegt. Eine von den merkwürdigsten Prophezeiungen der Heiligen Schrift ist in Lukas 21, 2024 enthalten. Wenn ihr aber sehen werdet Jeru- salem belagert mit einem Heere, so merket, daß herbeigekommen ist ihre Verwüstung. Alsdann wer in Judäa ist, der fliehe auf das Gebirge; und wer mitten drinnen ist, der weiche heraus; und wer auf dem Lande ist, der komme nicht hinein. Denn das sind die Tage der Rache; das erfüllet werde alles, was geschrieben ist. Wehe aber den Schwangern und den Säugern in denselbigen Tagen; denn es wird große Not auf Erden sein und ein Zorn über dies Volk. Und sie werden fallen durch des Schwerts Schärfe und gefangen geführt werden unter alle Völker; und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis daß der Heiden Zeit erfüllt wird. Diese Prophezeiung enthält das Schicksal Jerusalems, des Tempels und des ganzen jüdischen Volkes während wenigstens achtzehnhundert Jahren. Um das Jahr Siebenzig wurde Jeru- salem von dem römischen Heere belagert. Die Jünger, der War- nung eingedenk, welche ihnen vierzig Jahre vorher von ihrem Herrn und Meister gegeben worden war, entflohen in die Wüste. Die Stadt Jerusalem wurde genommen nach einer langen und be- schwerlichen Belagerung, in welcher die Juden das Äußerste durch Hungersnot, Test und durchs Schwert zu leiden hatten und aus Mangel an Begräbnisplätzen sogar die Häuser mit Toten anfüllten, während Weiber aus Nahrungsmangel ihre eigenen Kinder ver- zehrten. In diesem Kampf kamen in Judäa beinahe eine und eine halbe Million Juden um, ohne die, welche in Gefangenschaft gerieten. Ihr Land wurde verwüstet, ihre Stadt niedergebrannt, ihr Tempel zerstört und der elende Überrest des Volkes unter alle Völker der Erde zerstreut, in welcher Lage sie seither immer geblieben und von einem Volke zum andern getrieben, oft fälsch- lich der ärgsten Verbrechen angeklagt, wegen welcher sie verbannt und ihrer Güter beraubt wurden. Sie wurden in der Tat meistens für Geächtete unter allen Völkern gehalten; die Sohle ihrer Füße hat keine Ruhe gefunden, und sie sind verlacht und verspottet worden, und das Volk hat gesagt: Dies ist das Volk des Herrn, und sie sind aus diesem Lande hinausgegangen. Während dieser ganzen Zeit haben die Heiden das Land |
25 Kanaan besessen und die heilige Stadt, wo die Vorfahren der Kinder Israels Gott verehrten, unter ihre Füße getreten. Trotz- dem, in dieser langen Gefangenschaft haben die Juden die Ver- heißungen betreffs ihrer Heimkehr niemals aus den Augen ver- loren. Mit schmachtenden Herzen erwarten sie die Zeit, in welcher sie wieder jene gesegnete Erbschaft besitzen können, die ihren Vor- fahren hinterlassen war; wo sie wieder ihre Stadt und ihren Tempel aufbauen, ihr Priestertum wiederherstellen und wie ehe- dem Gott verehren könnten. Sie haben in der Tat mehrerer Ver- suche gemacht, heimzukehren, aber alle ihre Versuche wurden ver- eitelt; denn es war ein unabänderlicher Beschluß, daß Jerusalem von den Heiden sollte unter die Füße getreten werden, bis der Heiden Zeit erfüllt sei. Über die Geschichte dieser langen Zer- streuung haben Moses und die Propheten sehr deutlich geschrieben. In der Tat hat Moses die Einzelheiten erwähnt, wie sie während der strengen Belagerung ihrer Feinde in Verzweiflung und Not ihre Kinder heimlich verzehren würden. Wer das 28. Kapitel des 5. Buches Moses liest, wird die Geschichte über das Schicksal der Juden lesen, von Moses mit einer Klarheit prophezeit, welche die Geschichte der Vergangenheit charakterisiert. Unsere nächste Stelle steht in der Apostelgeschichte 21, 1011, wo ein Prophet mit Namen Agabus den Gürtel Pauli nahm, seine eigenen Hände und Füße band und sprach: Das saget der Heilige Geist: Den Mann, des der Gürtel ist, werden die Juden also binden zu Jerusalem und überantworten in der Heiden Hände. Die Erfüllung dieser Weissagung ist zu bekannt, als daß eine Beschreibung derselben nötig wäre. Wir wollen daher weiter gehen und eine Prophezeiung Pauli beachten, die im 2. Tim. 4, 34 enthalten ist. Denn es wird eine Zeit sein, da sie die heilsame Lehre nicht leiden werden; sondern nach ihren eignen Lüsten werden sie ihnen selbst Lehrer aufladen, nach den ihnen die Ohren jucken, und werden die Ohren von der Wahrheit wenden und sich zu den Fabeln kehren. Diese Prophezeiung ist bis auf den Buchstaben in Erfüllung gegangen; denn sie bezieht sich auf alle Religions- lehrer, die seit jener Zeit bis heute aufgestanden sind, außer die- jenigen, welche durch unmittelbare Offenbarung be- auftragt waren und eine Eingebung des Heili- gen Geistes empfangen hatten. Und nun aber den Leser von ihrer vollständigen Erfüllung zu überzeugen, brauchen wir nur |
26 auf die unzähligen Priester der heutigen Zeit hinzuweisen, welche um Lohn die Gebote der Menschen predigen und welche ihre Voll- macht von ihren Mitmenschen erhalten; und was die Fabeln an- betrifft, zu denen sie sich gekehrt haben, dürfen wir nur die geistigen und besonderen Auslegungen erwähnen, welche fast aus jedem religiösen Werk und von der Kanzel zu unserem Ohre gelangen. Es gibt jedoch noch ein andere Prophezeiung Pauli, die wohl unserer Beachtung verdient und die Zeiten erläutert, in wel- chen wir leben; sie ist in den fünf ersten Versen des 3. Kapitels 2. Tim. zu finden: Das sollst du aber wissen, daß in den letzten Tagen werden greuliche Zeiten kommen. Denn es werden Men- schen sein, die von sich selbst halten, geizig, ruhmredig, hoffärtig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, ungeistlich, lieblos, unversöhnlich, Schänder, unkeusch, wilde, ungütig, Verräter, Frev- ler, aufgeblasen, die mehr lieben Wollust denn Gott; die da haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie. Und solche meide. Aus dem letzten Verse dieser Stelle erfahren wir zu unserem Erstaunen, daß sich diese Masse gesetzlicher Gott- losigkeit nur auf solche bezieht, die Religion zu haben behaupten, das heißt, dies ist der Charakter des sogenannten christlichen Teils der Gemeinde in den letzten Tagen. Verwundere dich darüber nicht, lieber Leser, denn wir machen die Behauptung nicht, ohne den positiven Beweis dafür zu haben; erinnere dich, Nichtbekenner haben keinen Schein eines gottseligen Wesens, sondern jene heuchlerischen Charaktere sollen einen Schein eines gottseligen Wesens haben, aber seine Kraft ver- leugnen. Wenn du aber das Zeugnis Pauli über diesen Gegen- stand bezweifelst, so blicke um dich und untersuche selbst. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Es betrübt mein Herz, während ich schreibe. Ach, ist es so weit gekommen; hat der Geist der Wahrheit den Schleier der Finsternis von den letzten Tagen entfernt, nur um uns das Bild eines gefallenen Volkes zu zeigen; eine abgefallende Kirche, die voll von Schändlichkeiten jeglicher Art ist und sogar die Guten verachtet; indes ihr selbst nichts geblieben ist als der Schein der Gottseligkeit, und sie die Kraft Gottes ver- leugnet; das heißt, sie verwirft eine unmittelbare göttliche Ein- gebung und die übernatürlichen Gaben des Geistes, welche immer die Kirche Christi bezeichnen. War es nur für dies, daß der |
27 Heilige Geist Ereignisse ungeborener Zeiten den Blicken heiliger Männer offenbarte, durch welche sie die kommenden Herrlichkeiten der letzten Tage schauen konnten? O! ihr Propheten und Apostel, ihr alten heiligen Männer, was habt ihr getan, wenn ihr hier stehen bleibt; wenn sich euer prophetisches Gesicht den Strom der Zeit hinab nur bis auf die gegenwärtige Zeit erstreckte? Ach! ihr habt unser Herz mit Sorge und Verzweiflung erfüllt; die Juden habt ihr in Sorge und Finsternis wandeln lassen, weit von dem, was ihren Herzen am teuersten ist; ihr Land ist eine Wüste, ihre Stadt und Tempel in Trümmern, und sie haben keine Kenntnis vom wahren Messias. Nachdem die Heiden Anteil an der Wurzel und der Fruchtbarkeit des zahmen Ölbaumes gehabt haben, sind sie nach dem- selben Beispiele des Unglaubens abgefallen und ohne Frucht abge- storben, mit der Wurzel ausgerissen, indes ihnen nur der Schein der Gottlosigkeit geblieben ist, während die Kraft, welche das Charakte- ristische der alten Kirche war, von den Menschen gewichen ist. Ist dies das Ziel aller eurer Arbeiten? Habt ihr darum geforscht, ge- arbeitet, geblutet und den Tod erlitten? Ich warte auf eine Ant- wort, wenn ihr ein Wort des Trostes bereit habt, in betreff der Zukunft, so sprecht es schnell aus, damit unsere Seelen nicht länger in dem finsteren Tale der Sorge und Verzweiflung bleiben. ___________ Kapitel 2. Noch unerfüllte Prophezeiungen. Was ist eine Prophezeiung anders als eine Geschichte der Zukunft? Nach dem wir nun offenbar und genügend bewiesen haben, das die durchgenommenen Prophezeiungen wörtlich bis auf den Buch- staben in Erfüllung gegangen sind, so hoffen wir, daß der Leser dieselbe Regel auch in bezug auf ihn noch unerfüllten niemals aus dem Auge lassen wird. Während wir an der Schwelle der Zukunft stehen und im Begriffe sind, die Wunder noch zukünftiger Zeiten zu schauen, die unsern erstaunten Blicken die größten und er- habensten Handlungen, die erstaunlichsten Umwälzungen, die außer- ordentlichsten Zerstörungen zeigen werden, sowie auch die wunder- barste Offenbarung der Macht und Majestät Jehovas in der |