Orson Hyde – Ein Ruf aus der Wüste (1842)


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A n h a n g.
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      Dieß vorhergehende kleine Werk wurde in Regens-
burg geschrieben, und der Verfasser hatte die Gesinnung
es daselbst heraus zu geben; allein nachdem das
Manuscript hievon dem Censor, so wie auch dem Stadt-
Commissär vorgelegt worden war, um Erlaubniß hiezu
zu erlangen, erhielt ich zur Antwort: daß in Folge der
darin enthaltenen Grundsätze, die so verschieden von
denen der in diesem Lande eingeführten Religion wären,
mir die Erlaubniß, dasselbe alldort heraus zugeben, nicht
bewilligt werden könne, da es nur Aufregung und Un-
ruhe unter dem Volke veranlassen würde. Sollte ich es
indeß doch wagen, es dort zu verbreiten, so würde die
ganze Ausgabe in Beschlag genommen werden, und ich,
(so wie mir durch eine dritte Person gesagt wurde) mich
einer Geldstrafe oder auch dem Einsperren zu unterziehen
haben. Um der Sache der Tugend und Religion willen
eine Geldstrafe zu zahlen, oder eingesperrt zu werden,
ist kein Schrecken für mich; allein meine Mühe und
mein Geld, das ich zum Besten meiner Mitmenschen
anzuwenden gedachte, ohne Aussicht zur Vollendung ei-
ner so wünschenswerthen Sache vergeuden zu müssen,
dieß mag mich hinlänglich entschuldigen, wenn ich den
guten Samen in ein freundlicheres Erdreich streue, wo
die Vögel unter dem Himmel nicht so zahlreich sind, um
ihn hinweg zu holen, ehe er noch Zeit hatte, Wurzel
zu fassen.
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Im Jahre 1837 ward ich in Gesellschaft mit an-
dern in einer Mission nach England gesandt, um unsere
Kirche alldort einzuführen. Wir landeten in Liverpool
den 18. Juli desselben Jahres und verweilten in Eng-
land bis zum 20ten April des folgenden Jahres; folg-
lich 9 Monate und zwei Tage in diesem Lande, wo wir
8 Monate in großer Thätigkeit zubrachten. Unsere Lehre
verbreitete sich in einer Schnelligkeit, die unsere eigene
Erwartung überstieg. Die Straßen, die Marktplätze und
Kirchen (wenn wir solche haben konnten) waren das Feld
unsrer Arbeiten, und so auch arbeiteten wir von Haus zu
Haus. Eine Menge Volkes drängte sich Tag und Nacht
um uns. Manchmal wurden wir von einem halben
Dutzend Priestern anderer Religionen auf einmal wider-
sprochen, allein, da es der Herr so haben wollte, daß
jeder Widerspruch, welchem wir begegneten, unsrer Sache
neue Schwungkraft verlieh, so kamen unsere Widersacher
bald zur Ueberzeugung, daß sie unfähig wären, unsere
Fortschritte durch gewöhnliche, rechtliche Mittel zu
hemmen.
      Diese faßten daher den boshaften Entschluß, ihren Ein-
fluß dahin zu benutzen, daß jeder, der da unsern Lehrsätzen
anhinge, außer Beschäftigung gesetzt, und bei Noth und
Bedürfniß dahin gezwungen würde, dasjenige zu verlassen,
was sie Ketzerei nannten. Viele wurden außer Beschäfti-
gung gesetzt und ihre Oberherrn verweigerten ihnen Empfeh-
lungs-Schreiben, wodurch sie anderwärts unterkommen
können. Dieß war eine Zeit der Versuchung! Sie ka-
men häufig, uns um Rath zu fragen indem sie sagten:
»Was sollen wir thun? Unsere Existenz hängt von un-
»serer Arbeit ab, und wenn wir keine Beschäftigung
»erhalten, müssen wir und unsere Familien darben.«
Wir fragten sie, ob sie vielleicht ihren Oberherrn nicht
treu gewesen wären bei der Erfüllung ihrer Berufsgeschäfte
sowohl in Zeit als Arbeit, und vielleicht deßhalb ent-
lassen wurden? Sie aber sagten nein, nicht wegen Vernach-
lässigung ihrer Arbeit und Pflicht, sondern in Folge
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ihrer Religion. Wir gaben ihnen nicht selten den letzten
Schilling, welchen wir hatten, damit sie sich Brod kau-
fen konnten.
      Bei einer Gelegenheit in der Stadt Preston in der
Grafschaft Lancashire hielt ich eine Anrede an eine zahl-
reiche Versammlung im Theater. Unter anderm berührte
ich auch den Gegenstand der grausamen und fühllosen
Weise mit welcher sie sich der Botschaft widersetzten,
welche Gott zu ihnen durch uns gesandt hatte. Nach-
dem ich über diesen Punkt gesprochen und ihnen das Un-
geeignete und Unmenschliche ihrer Verfahrungsart von
Augen gestellt hatte, sagte ich ihnen im feierlichen Tone
folgendes:
      »Der Jahre sind nur wenige, und der Monate nicht
»viele, wo ihr dasselbe zu leiden haben werdet, welches
»ihr nun über meine Brüder zu verhängen sucht. Euer
»Land wird trauern, und ihr werdet Euer Brod von
»Thür zu Thür betteln und dennoch hungrig sein.«
      Als ich diese Worte geendigt hatte, stund ein
Mann in der Versammlung auf und sagte mit bos-
hafter Freude: »Sie haben uns hier harte Dinge ge-
»sagt, mein Herr! jedoch bezeichneten Sie uns nicht
»bestimmt die Zeit, wann wir diese schönen Tage ha-
»ben sollen, wovon Sie sprechen. Wollen Sie wohl
»die Güte haben, mein Herr! uns dieselben zu be-
»stimmen.«
      Meine Antwort war: »Ehe Sie noch darauf vor-
bereitet sein werden.«
      Um dieser und noch anderer Reden willen, von
gleichem Sinne, (welche glücklicher Weise um jene Zeit
einen Weg in verschiedene öffentliche Journale fanden)
wurde ich als ein Gotteslästerer betrachtet, der sich
eine Macht und Gewalt anmaßte, welche kein Mensch
in dieser Zeit mehr besitzen kann. Ich beugte mich
jedoch willig unter ihre Vorwürfe, bei dem Bewußtsein
meines eigenen Herzens, daß ich recht hatte; und seit
dieser Zeit sind dieselben und ähnlichen Dinge durch
die Priester unserer Kirche in beinahe jeder Stadt Eng-
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lands, Schottlands und Wales wiederholt verkündiget
worden.
      Es geschieht nicht selten, daß jene Mittel, welche
selbstsüchtige und stolze Völker zu ihrem Wohlbehagen
und zu ihrer Sicherheit anwenden, nur einen desto
schnelleren und völligeren Umsturz über dieselben her-
beirufen.
      Es thut mir wirklich leid, daß ich nicht die Er-
laubniß erhalten konnte, dieß Werk in Regensburg
herauszugeben und zu verbreiten. – Ich will auch we-
der den Stadt-Kommissär noch irgend eine einzelne
Person hierüber tadeln, denn so wie ich vermuthe, ver-
bieten es die Gesetze des Landes; allein dieß ist ein
Unglück, mit welchem es jene Folgen zu erdulden hat, die
aus dem Wesen seiner Regierungsform entspringen,
welche da nicht duldet, daß seine Religion auf ihren
eigenen Verdiensten bestände, sondern welche es zu
Schutz und Vertheidigung mit dem starken Bollwerke
menschlicher Gesetze umzogen hat.
      Und indem sie so thaten, haben sie jeden Zugang
gegen das Eindringen eines jeglichen Grundsatzes ge-
schlossen, welcher auf irgend eine Weise, gegen ihre
Gewohnheiten, ihre Traditionen und ihren Ritus an-
streiten möchte, würde auch ein Engel zu ihnen reden.
      Obgleich viele Personen in Regensburg sind, für
welche ich hohe Achtung habe, und deren Namen ich
stets mit Dank in mein Gedächtniß zurückrufen werde,
so regt sich doch ein Gefühl der Pflicht in mir, wel-
ches mir die traurige Verbindlichkeit auflegt, dem
Volke jenes Landes sagen zu müssen, daß, wenn sie
sich noch ferner weigern, diese Religion zu dulden, sie
nur ein vermeintliches Uebel zurückweisen, um einem
wirklichen dafür Aufnahme zu gewähren; und daß:
wenn sie in dieser Beziehung nicht schnell ihre Gesetze
reformiren, damit diese Religion unter ihnen verbreitet
werden möge, sie heimgesucht werden von einem Boten,
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welchem ihre Gesetze weder den Eingang verwehren,
noch den ihre Armeen bemeistern können. Sie werden
nicht nur allein genöthigt sein, seine Botschaft zu
hören, sondern auch zu fühlen, so lange diese Schranken
nicht gehoben werden; und in Zukunft wird es sich
zeigen, ob diese Worte die Frucht eines boshaften Her-
zens waren, oder ob sie eingegeben wurden von dem
Geiste der Billigkeit und Wahrheit.
      Möge es doch niemanden einfallen, gegen die in
diesem Werke dargestellten Grundlehren zu spotten, oder
sie lächerlich zu machen, denn es wird weder ihm noch
seinen Hörern Segen bringen. Ich sage nicht, daß dieß
Werk vollkommen in seinem Mechanismus ist: ich ver-
stehe die deutsche Sprache nicht vollkommen, allein
in Mitte der düstern Blicke der öffentlichen Meinung,
die man gegen uns in den Spalten aller Journale oft
in der fälschlichsten und schimpflichsten Sprache aus-
streute, sondern auch ohngeachtet Verbannung, Schwert
und Tod dasjenige freimüthig zu erklären, was uns
Gott mitgetheilet hatte; so werden wir gleich unserm
Meister als Gotteslästerer und Usurpatoren einer Macht
betrachtet, welche keinem Menschen zukömmt. Allein die
öffentliche Meinung ist nicht unser Führer. Wir haben
nur einen Gegenstand zu vollfüllen, und dieser Gegen-
stand ist: die Botschaft, welche Gott uns gegeben hat,
in allen Nationen unter dem Himmel zu verbreiten.
Und wenn immer auch ein Hinderniß unserm Wirken
entgegen tritt, so wird dasselbe entweder durch unsere
eigenen Gesuche, oder durch mittel- oder unmittelbares
Dazwischentreten einer allvermögenden Gewalt gewißlich
gehoben.
      Wir lehren nicht, daß wir Engel, sondern Men-
schen sind, auch nennen wir uns nicht vollkommen; wir
fühlen aber unsere Abhängigkeit von Gott unsers Lebens
und Heiles wegen, und wir glauben, daß, nachdem
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wir hier unser Werk vollbracht haben, wir auf dieselbe
Weise vollkommen werden, wie unser Meister, nämlich:
durch Leiden. Indeß ist es uns bei weitem lieber,
diejenigen zu sein, welche für diese Sache zu leiden
haben, als diejenigen, welche uns deßhalb Leiden verur-
sachen.
      Wer da immer suchen wird, diese Lehre mit Freund-
schaft und gutem Willen zu verbreiten, um dadurch
dem Herrn in Reinheit und Gerechtigkeit zu dienen,
wird himmlischen Frieden bei diesem Wirken finden;
wer aber immer sie zu unterdrücken, oder sich derselben
zu widersetzen sucht, der wird unfruchtbar am Geiste,
und jenes Friedens beraubt sein, welchen unser Hei-
land Seinen Jüngern gab, als Er zu ihnen sagte:
»Meinen Frieden gebe ich euch, meinen Frieden hinter-
lasse ich euch.« – Jeder möge deßhalb sein eigenes
Betragen in Bezug auf diese Sache vor dem Richter-
stuhle seines eigenen Gewissens in der Gegenwart Got-
tes bringen und bei sich selber die Wahrheit dessen
beurtheilen, was ich gesagt habe.
      Wir haben mehrere Prediger in Amerika, welche
Deutsche von Geburt und Erziehung sind. Einige der-
selben werden wahrscheinlich bald nach Deutschland ge-
sandt werden, und wenn der Herr will, so werde auch
ich wieder zurückkehren, nachdem ich die Vereinigten
Staaten Amerika's besucht haben werde.



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      Hyde spricht von Entlassungen aufgrund religiöser Ansichten. Daß das nicht in Ordnung ist, leuchtet jedem ein. Jedoch wird heute ein Angestellter der Kirche entlassen, wenn er oder sie den Glauben verliert und dazu steht. Es kommt eben immer nur auf die eigene Machtposition an, und die hat die Kirche in der heutigen Zeit.

      Hyde gab die Verheißung: „Der Jahre sind nur wenige, und der Monate nicht viele“ und meinte damit das Zweite Kommen Christi. Dieser Satz ist nicht ganz so dehnungsfähig wie die Aussage „in dieser Generation“, insbesondere weil Monate explizit erwähnt werden. Mittlerweile sind die Betroffenen längst tot und weit mehr als wenige Jahre – von Monaten sprechen wir gar nicht – sind vergangen. Tolle Verheißung, toller Prophet, Seher und Offenbarer. Na ja, er redete eben nur das nach, was Joseph Smith erzählte.

      Das Land reformierte die Gesetze nicht schnell. Von einem Boten wurde es dennoch nicht heimgesucht. Wie also lautet die Antwort auf die Herausforderung Hydes: „in Zukunft wird es sich zeigen, ob diese Worte die Frucht eines boshaften Herzens waren, oder ob sie eingegeben wurden von dem Geiste der Billigkeit und Wahrheit“? Er forderte heraus und er hat verloren. Warum nur hat er nicht noch eine dritte Möglichkeit zur Wahl gestellt? Er hätte seinen Punkt damals verfehlt. Somit hat er heute seine Glaubwürdigkeit verspielt.

      Noch einmal räumt Hyde ein, die einzigen Fehler in diesem Buch wären die seiner menschlichen Schwäche, z.B. seiner mangelhaften Deutschkenntnisse. Wir sehen heute nur auf seine Lehren und Verheißungen und vergleichen sie mit heutigen Lehren und eingetretenen Dingen.

      Dabei können wir feststellen, daß sich zahlreiche Lehren der damaligen Kirche von den heutigen unterscheiden und die Rückkehr Christi entgegen damaliger Lehre noch immer nicht stattgefunden hat. Auch seine Märtyrerdarstellung überzeugt aufgrund der Einseitigkeit nicht und taugt höchstens zum Heranziehen blinder Fanatiker. Die meisten von ihm als negativ herausgestellten Eigenschaften von Personen und Organisationen beschreiben die heutige Kirche sehr weitgehend. Wir haben hier also ein eindrucksvolles Dokument aus den späten Anfängen einer mehr restaurierenden als reformierenden Organisation, die heute genauso um den Schutz ihrer Lehren und ihrer Errungenschaften bemüht ist, wie die von ihr angegriffenen Organisationen es schon damals taten. Der Leser, der sein Herz nicht verstockt, wird diese Änderungen zugeben und die daraus resultierenden Konsequenzen ertragen müssen.


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