Orson Hyde – Ein Ruf aus der Wüste (1842)


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Einige gesammelte Gedanken.

——«·»——

      Den Zeichen der Zeit und den weissagenden Worten
eines alt-jüdischen Propheten gemäß ist die Welt am
Vorabende der Wunder; ja, seltsame und gewichtige
Veränderungen stehen uns nahe. Das große Werk der
Vorbereitung zu Christus zweiter Ankunft hat bereits
begonnen, und obgleich es noch im Kinderschritte ein-
herwankt, so fängt es doch schon schnell an, Kraft zu
gewinnen, und mit freudigem Vorgefühle blicken wir
hin auf jenen Tag, wo ein glorreicher und ehrenvoller
Sieg unsere Bemühungen krönen wird, und uns die
Stimme des Herrn zurufen wird: »Ihr habt wohl
gethan meine guten und gläubigen Diener, deßhalb soll
auch grosser Lohn euern Bemühungen werden.« —
      Da aber in den jetzigen Tagen die Meinung all-
gemein vorherrscht: daß Gott in unsern Zeiten nicht
mehr mit den Menschen sprechen will, daß die Engel
längst ihr Werk beschlossen haben und heimgegangen
sind zum Himmel, um nicht wieder zu kommen bis
zum Tag des Gerichts – daß die Visionen die Men-
schen nicht mehr beglücken, daß die Prophezeihungen
mangeln und die Begeisterung von der Erde wich –
so ist es moralisch unmöglich für die Welt, sie mit
der Zeit und Weise der Heimsuchung bekannt zu ma-
chen, denn ihr Unglauben verschloß jeden Kanal, durch
welchen ihr der Herr Belehrung zuführen wollte; deß-
halb »wird der Tag des Herrn über diese Welt herein
brechen, wie ein Dieb in der Nacht.«
      Obgleich convulsivisches Zittern die Erde rüttelt
wie einen gichtbrüchigen Greis, und verzehrende Flam-
men Städte und Dörfer in Asche legen, während die
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Diener Gottes, die zur eilften Stunde des Tages
in den Weinberg berufen wurden, hingehen, um zu
verkünden: daß die Stunde Seines Gerichtes gekommen
ist – so kann doch alles nicht den Unglauben der Men-
schen überwinden. Denn sie werden fortfahren an den
abergläubischen Traditionen ihrer Väter mit aller jener
Heftigkeit zu hangen, mit der der sterbende Geizhals
an seinen schimmlichten Schätzen hängt, und sie werden
in ihrem Unglauben verharren, bis der Pfeil des Ge-
richtes ihr Herz durchbohren, und ihrer irdischen Lauf-
bahn ein Ende setzen wird.
      Noe ward mit einer eigenen Botschaft von dem
Herrn zu den Völkern vor der Sündfluth gesandt;
allein diese glaubten ihm nicht, und sie kamen in ihren
Sünden um. Es ward ihnen gesagt, was da kommen
würde, und sie wurden auf eine glaubenswerthe Art
über ihre Gefahr gewarnt, allein sie betrachteten dieses
nur als einen betrüglichen Traum. Sie hatten Augen
und sahen nicht, sie hatten Ohren und hörten nicht,
und sie hatten Herzen, aber sie glaubten und verstanden
nicht. Deßhalb brach die Sündfluth unerwartet über
sie ein, obgleich sie darob gewarnt wurden.
      Nothwendig ist es deßhalb, daß da einige voraus-
gehen mit einer Botschaft vor der zweiten Ankunft des
Erlösers; denn Er hat gesagt: »Stehet auf und gehet
dem Bräutigam entgegen.« – Es bedarf hier wohl
nicht bemerkt zu werden, daß die Mitternacht eine Zeit
grosser Dunkelheit ist, nämlich eine Zeit, wo die Sinne
des größten Theils der Menschheit in tiefen und festen
Schlaf versunken, unempfindlich für ihre Lage sind,
und die herannahende Gefahr nicht gewahren.
      Wem immer Gott die Ehre erweisen wird, ihn
auszusuchen, um der Träger einer direkten Botschaft
von Ihm an dieses sorglose Geschlecht zu werden, so
wie Noe es für seine Zeitgenossen war, so muß er
Spott, Hohn und Verachtung des größten Theils der
Menschen auf sich nehmen. – Man wird ihn einen
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Fanatiker, einen Betrüger, einen falschen Propheten,
einen Enthusiasten, einen Narren, einen Ketzer, einen
Gotteslästerer und einen Wolf in Schafskleidern nennen.
Man wird ihn nicht nur allein mit Mahomet, sondern
auch mit jedem fliegenden Meteore vergleichen, welches
den religiösen Horizont seit seinen Tagen durchkreuzte.
      Wer hat da Willen genug, die mächtige Strömung
des schmutzigen Wassers zu dämmen, welches aus ver-
unreinigten Quellen fließt?! Wer will aus freiem
Antriebe dem Herrn seine Dienste weihen, um Sein
Zeugniß zu verkünden im Angesichte eines eben so
strengen als tiefgewurzelten Vorurtheils, welches je eine
Generation charakterisirte? Was mich betrifft, so ant-
worte ich: Der Herr ist mein Helfer; ich will Seinem
Befehle gehorchend hingehen, und Seinen Willen be-
kannt machen, so wie Er ihn mir bekannt machte, un-
ter allen Menschen, sollten sie auch deßhalb meine
Feinde werden, und mich mit Tadel, Schimpf und
Schande überhäufen, weil ich der Entledigung meiner
Pflicht getreu geblieben. Der Herr, dem ich diene,
wird mir diese Schmach in einen blickenden Diamant
verwandeln, um meine Krone an jenem Tage damit
zu schmücken, wo mir gesagt werden wird; »Du bist
getreu gewesen in wenig Dingen, daher will ich dich
über Vieles setzen.«
      Möge doch keiner die Sache verachten, weil sie
nicht in den Zirkeln der Grossen und an den Höfen
der Könige entsprungen ist. Gott kann Licht aus Fin-
sterniß hervorbringen! Denn als einst Finsterniß ihren
dunklen Mantel über das Chaos dieser Erde am Mor-
gen der Schöpfung gebreitet hatte, da rief er: »Es
werde Licht!« und sogleich brach Licht hervor aus der
Dunkelheit und rollte seine glorreichen Fluthen über
das Anlitz einer neugebornen Welt; so plötzlich und
hell, als je ein Funke dem Stahl und Kiesel entsprang!
      Die Zeit wird bald beweisen, welche Aufnahme
dieses kleine Werk erfahren soll, und wie das Volk in
Beziehung dessen handeln will. Meines Erachtens nach
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ist es jedoch von solcher Natur, daß Niemand es mit
gänzlicher Gleichgültigkeit vorüber gehen lassen wird.
Ja gewiß; es muß irgend ein Gefühl erwecken! und
wie ich auch beurtheilt werden mag, es geschrieben und
bekannt gemacht zu haben; jene, die es lesen, werden
es gewißlich billigen.
      Ja ich bekenne offen, daß die Sache, welche ich
verfechte, eine Sache ist, für die allein ich nur zu leben
wünsche, und für die ich auch bereit bin zu sterben.
Nicht Augenblicke religiöser Aufwallung, bestimmten
mich zu diesem Zeugnisse, nein, sondern zehn Jahre,
reich an Erfahrungen, während welchen Wohlstand und
Trübsal abwechselnd meine Gefährten waren. Ich fühle
mich manchmal gleich einem kleinen Schiffe (seit ich
abwesend bin von meinem Vaterlande), das auf frem-
den und unbekannten Gewässern segelt, unter deren
Oberfläche vielleicht manche Klippe für den fremden
Schifffahrer verborgen steckt. Und sollte ich auch Schiff-
bruch leiden unter feindlichen Stürmen an einer frem-
den Küste, so bangt mir nicht, denn meine Ladung
(die Seele) ist nach ihrem vollen Werthe versichert in
den Wohnungen des Himmels. Deßhalb habe ich nichts
zu fürchten als nur Ihn, Der tödten und wieder le-
bendig machen kann! Früh schon ward ich als Waise
zurück gelassen – kein väterliches Auge blickte auf
mich, kein Mutterherz schlug mehr für mich. Die
Hand, die meine Kindesthränen stillte, war regungslos,
und die Brust, die mich einst nährte, war erkaltet im
Tode.
      Für zwanzig lange Jahre kannte ich nicht Einen,
in dessen Adern Freundes-Blut für mich geflossen wäre.
Deßhalb genoß ich auch nicht jene Vortheile einer geregelten
Erziehung, die so Viele besitzen, und die so wünschenswerth
sind. Aber da es nur wenige Menschen gibt, die, so geringe
auch ihre erworbenen Fähigkeiten sein mögen, beim Anblicke
des in Feuer stehenden Hauses ihres Nachbars, nicht den
Inwohnern desselben zurufen würden, die Flucht zu er-
greifen, um sich zu retten – gerade so zu thun fühle ich,
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wenn ich durch das Glas der heiligen Schrift auf die
Welt hinblicke und sie so blindlings dem Rande eines
schmählichen Abgrundes entgegen strömen sehe, während
Revolutionen, Umwälzungen, Blutvergießungen und
Flammen verzehrenden Feuers bereit stehen, dem un-
rühmlichen Reiche des Satans ein Ende zu machen,
unter dessen drückender Tyranei die Erde für beinahe
6000 Jahre geseufzt hat – ja da fühle ich einen Geist
in meiner Brust erstehen, der über jede Schwachheit
meiner Natur triumphirt. Und würde ich vernachlässi-
gen, allen Klassen, Graden und Professionen der Män-
ner und Weiber Buße und Bekehrung zuzurufen, so
weit mir Macht und Gelegenheit gegeben ist; »würden
die Steine rufen« an meiner Statt. Die Anordnungen
des Hauses Gottes sind verändert, Seine Gesetze sind
übertreten, und der Bund zwischen Ihm und Seinem
Volke ist gebrochen worden, deßhalb brennt das Miß-
vergnügen des Herrn gegen diese Generation, dessen künf-
tige Geschichte theilweise in dem 24. Kapitel des Pro-
pheten Isaias zu lesen ist. Und ich fühle mich bevoll-
mächtigt zu sagen: daß es gut stehen wird mit jedem
Manne, Weibe oder Kinde, das in die Jahre der Ver-
nunft gekommmen, wenn sie bereuen und sich demüthigen
vor dem Herrn, und wenn sie getauft sind im Wasser
zur Nachlassung ihrer Sünden, damit sie den heili-
gen Geist empfangen mögen, zur Nachlassung ihrer
Sünden. Auf diese Weise muß ein Volk versammelt
werden in Glauben, Tugend und Gerechtigkeit, da-
mit, wenn die erste Auferstehung statt findet (welche
den Worten des Engels zufolge in dieser Generation
sich ereignen wird) sie verändert und werden entrückt wer-
den mögen in den Wolken, dem Herrn entgegen in die
Luft, um so immer bei Ihm zu sein« wie Paulus er-
klärt hat Thessal. 4. Kap. 16 und 17. Vers.
      Noe ward in der Arche auf den schwellenden Flu-
then des Wassers, über die Oberfläche der Erde empor-
gehoben, bis sie gereinigt und abgewaschen war von den
Gottlosen, und worauf er wohlbehalten auf den Gebirgen
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Arrarat's anlandete. Er sah wie die Gewässer hin-
weg fielen, und der trockene Grund zum Vorschein
kam, und er blickte um sich, und fand sich als den ein-
zigen Erben und Monarchen einer neuen Welt, denn
da war keiner mehr übrig geblieben, der seine Ansprüche
hätte anstreiten können. So wird es auch mit den äch-
ten Schaafen des guten Hirten sein, die da lebend auf
der Erde verweilen, bis zur Zeit der zweiten Ankunft
Christi, wo sie entrückt werden in Wolken dem Herrn
entgegen in der Luft. Dann wird die Phiole des Zornes
Gottes ausgegossen werden über die Gottlosen, ohne
Mischung der Gnade, denn das Salz ist von ihnen ge-
nommen worden durch den Erlöser, und nichts ist mehr
übrig gelassen, die Welt zu retten.
      Unser gesegneter Herr warf selbst einst die Frage
auf, bezüglich Seiner zweiten Ankunft als Er auf Er-
den noch im Fleische wandelte: »Wenn der Sohn des
Menschen kommet, wird Er Glauben finden auf Erden?«
— Er beantwortete diese Frage nicht, allein er wußte
wohl, daß jene, welche im Besitze des Glaubens wären,
um diese Zeit von der Erde entrücket würden um Ihm
zu begegnen in der Luft und daß dann folglich kein
Glaube mehr auf Erden mehr sein würde. Wenn aber
die Erde gereinigt sein wird durch den Geist des Gerich-
tes, oder wenn sie getauft sein wird mit dem Feuer
und dem heil. Geiste; wenn Satan gebunden und die
Quellen der Bosheit verschlossen sein werden, dann, dann
wird der Herr herabsteigen mit seinem Volke, während
die weite Arche des Himmels wiederhallen wird von
dem triumphirenden Jauchzen der Erlösten. Bewun-
dernde Engel werden mit deren Freudentönen lauschen,
die gleich den glänzenden Tropfen des Morgens auf
zarten Blumen, von ihren Lippen gleiten. In ihrem
Chorus werden die Worte erschallen: »Du hast uns er-
löst für Gott durch Dein Blut aus allen Nationen,
Völkern, Stämmen und Zungen, und hast uns vor Gott
zu Königen und Priestern gemacht, um zu regieren auf
Erden.
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      Alsdann werden sie die Verheißung, die vor mehr
denn 1800 Jahren gemacht wurde, an ihnen erfüllt sehen:
»Selig sind die Sanftmüthigen, denn sie sollen das
Erdreich besitzen.« Da wird keiner mehr sein, der ihre
Ansprüche streitig macht, denn sie werden gleich Noe die
Erde besitzen, ungestört und unerschreckt.
      Nachdem unsere ersten Aeltern das Gebot des Herrn
durch Theilung der Frucht übertreten hatten, da wurde
die Erde verflucht um des Menschen willen. Jene,
welche die meisten irdischen Reichthümer besitzen, haben
deßhalb auch den grössern Antheil an diesem Fluche,
besonders, wenn sie dieselben zu ihrer eigenen Vergrös-
serung anwenden, und nicht den Ermahnungen der Barm-
herzigkeit und des Mitleides gemäß damit handeln.
Deshalb sagte unser Erlöser: »Es gehet leichter ein
Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in den
Himmel.«
      »Wenn du vollkommen sein willst,« sagte Er fer-
ner, so gehe hin, verkaufe alles was du hast, und gib
es den Armen, und nimm dein Kreuz auf dich und
folge mir nach, und du wirst Schätze im Himmel er-
langen.«
      Diese Lehre ist in unsern Zeiten gerade so unpo-
pulär, als sie es war in den Tagen, wo der Herr sie
zum ersten Male lehrte. Der Reiche wandte sich ab,
und ging hinweg – und so werden sie auch jetzt thun.
Deßhalb sind nicht viele Reiche und Grosse, und Ge-
lehrte und Weise nach dem Urtheile dieser Welt beru-
fen, denn Gott hat die Armen dieser Erde ausgesucht,
die da reich an Glauben sind, die Erben Seines Reiches
zu werden.
      Jene, welche in goldenen Triumphwägen, und über
die Blumenbeete des Wohlstandes zum Himmel fahren
wollen, diese werden all ihren Scharfsinn und all ihre
Geschicklichkeit aufbieten, dieser Lehre eine andere Aus-
legung zu geben, um daß ihr Gewissen ungestört in
Schlaf gelullt werden möge in der Wiege des Reichthums.
Allein diese können kein Haar schwarz noch weiß machen;
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so sagte Er, Der nicht lügen kann. Deßhalb ist mein
Rath für die Reichen: »sich Freunde zu machen mit
dem Mammon der Ungerechtigkeit, damit, wenn sie von
der Erde scheiden, sie aufgenommen werden mögen in
die ewigen Wohnungen.« —
      Ich meines Theils betrachte die Güter dieser Welt,
so wie ein Baumeister das Gerüste betrachtet, welches
seine Arbeitsleute trägt, während selbe die Mauern sei-
nes Palastes aufführen. Er hat kein anderes Vergnü-
gen an dem Gerüste als nur in so ferne es beiträgt,
seine Wohnung zur Vollendung zu bringen. Und so
habe auch ich nicht das leiseste Verlangen nach den
Reichthümern dieser Welt als nur in so ferne sie bei-
tragen mögen zur Aufbauung der Sache meines Meisters
und zur Unterstützung bis ich das Werk vollendet
habe, welches mir zu thun gegeben ward. Alsdann aber
hoffe ich durch die Gnade Gottes, Ruhe zu finden in
jenem Tempel, welcher nicht von Menschenhänden erbaut,
sondern erleuchtet ist mit der Glorie Dessen, welcher
starb, um mich zu retten und welcher nun wieder lebt
um meine Sache zu verfechten bei dem Richter über die
Lebendigen und über die Todten.
      Ich habe Jenen keine persönliche Einwendung zu
machen, die sich da so viele Reichthümer aufhäufen, als
sie sich nur immer sammeln, oder wünschen können;
auch beneide ich nicht den Zustand solcher Personen,
Ich wiederhole hier nur jene Grundsätze, die uns unser
Erlöser gelehrt hatte, und welche ich als den heilbrin-
gendsten und besten Rath, der je in meiner Macht
stand, solchen Personen zu geben vermag.
      Der Wunsch, mich der, von meinem Meister mir
auferlegten Pflicht zu entledigen, bewog mich, diese Be-
merkung zu machen, und diesem Triebe gemäß will ich
noch ein Ding anführen, und dann Jedem es seinem
eigenen Gutdünken überlassen, wie er über diesen Punkt
zu handeln gedenkt. Wenn die Grossen dieser Erde
freigebiger gegen die Armen sein würden, und von ihrem
Stolze abließen, oder doch einen guten Theil desselben
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fahren ließen, so würden sie viel seltener um Beihilfe
zur Ausgleichung jener Verlurste aufgefordert werden,
die durch Feuer, Erdbeben oder Sturm so häufig sich
ereignen.
      Die Zeit wird kommen, wenn der Fluch von der
Erde genommen werden wird, unter welchem sie seit
beinahe 6000 Jahren seufzet. Wenn ein König, oder
irgend ein Grosser einem seiner besonderen Freunde ein
Geschenk machen will, so wählt er hiezu gewiß nichts
Geringes, sondern irgend etwas Charakteristisches jener
edlen Großmuth, welche Achtung gebietet und Bewun-
derung einflößt.
      So auch will der Herr den Fluch tadeln, welcher
auf der Erde lag, und sie wieder mit dem frischen
Grün des Edens bekleiden; ja Er wird den Baum des
Lebens wieder zurück bringen, und ihn seinem Volke
geben. Aber, so lange sie noch unter dem Fluche schmach-
ten, ist Er nicht geneigt ihn ihnen zu gewähren, denn
sie würden ihn nur benützen, wie ein gedankenloses Kind
ein Rasirmesser (zu ihrer eigenen Verletzung). Erhebet
deßhalb euere Häupter, ihr tugendhaften und demüthi-
gen Armen, die ihr nicht über euere Lage murret, und
die Gebote des Herrn haltet, denn zu euch ist dieses
Wort des Heils gesandt.
      Die Reichen können auch ihren Antheil haben an
diesem grossen Erbe, wenn sie die geeigneten Maaßregeln
hiezu ergreifen. Nein, Keiner ist ausgeschlossen, wenn
er in gerechter Weise darnach trachtet.
      In jenen Urkunden, welche in Amerika gefunden
wurden, und die ich schon früher beschrieben habe, war
auch eine Prophezeihung niedergeschrieben von der Hand
eiesn heiligen Mannes, der der Nation der Nephiten
angehörte. Dieselbe lautete: daß in den letzten Tagen,
wenn diese Urkunden aufgefunden und zur Kenntniß
der Völker gebracht werden sollen, eine grosse Stadt
ebaut werden wird in diesem Lande (Amerika) durch
jenes Volk, welches an diese Urkunden glauben wird.
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      In dieser Stadt werden sich Menschen aus allen
Nationen unter dem Himmel versammeln. Dieser Pro-
phezeihung gemäß wurde, nachdem unsere Kirche zu
wachsen und an Wichtigkeit zuzunehmen begann, eine
schöne Gegend ausgewählt, die zum Sammelplatze der
Völker, so wie zum Gründungsplatze der Stadt be-
stimmt ward. Diese Gegend lag in den westlichen Sek-
tionen der Vereinigten Staaten, wo sich nur wenige
Einwohner befanden und deren Grund und Boden größ-
tentheils dem Gouvernemente angehörte, weßhalb er
auch sehr wohlfeil angekauft werden konnte. Die Gegend
war neu und größtentheils unkultivirt. Eine Strecke
Landes ward daselbst von unserm Gouverneur verhan-
delt, und die Auswanderung begann. Hunderte, und
bald nachher Tausende wurden auf diesen Boden sogleich
angesiedelt, bis daß der größte Theil von drei Graf-
schaften von unsern Leuten in Besitz genommen war.
Der Gouverneur des Staates, in welchem diese Graf-
schaften lagen, sowie seine Coadjutoren, denen politi-
scher Einfluß mehr als Menschen Rechte galt, wurden
durch unsern schnellen Wachsthum beunruhigt. Das
amerikanische Gouvernement ist ein elektives, und die
Stimmen-Mehrheit des Volkes bestimmt den Mann
welcher in's Amt zu treten hat. Diese Männer fürch-
teten deshalb, daß, wenn sie unser Vorschreiten unge-
gestört billigen würden, wir bald im Besitze der Ma-
jorität des Staates uns befänden, und die Zügel der
politischen Macht in unsere Hände bekämen. Gesetzt
auch wir hätten so gethan, hätten wir mehr als unser
konstitutionelles Recht genommen?
      Viele der bedeutendsten Männer von Missouri (dies
war der Name des Staates) wünschten deßhalb, daß
wir außer ihre Gränzen ziehen möchten, doch sie konn-
ten nicht einig werden, wie sie uns hiezu veranlassen
wollten. Denn um keinen Preis würden sie zugegeben
haben, daß die Welt erfahre, wie sehr sie unsere wach-
sende Zahl und durch sie, den Verlurst ihrer politischen
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Stellung fürchteten. Endlich gelangten sie zu einem
Plane, welchen sie auch ausführten.
      Da die meisten unserer Leute von den östlichen
und nördlichen Staaten, welche frei sind, d. h. wo
keine Sklaverei erlaubt ist, nach dem Missouri-Staate
wanderten, welcher ein Sklaven-Staat ist, so verbreiteten
diese Männer das Gerücht: daß unser Volk sich mit
ihren Schwarzen eingelassen hätte, um den Saamen des
Mißvergnügens unter denselben auszustreuen. Obgleich
diese Aussage gänzlich auf Falschheit beruhte, so waren
doch die dämonischen Furien der Mißgunst eifrig und
betriebsam, derselben bei dem Volke Eingang zu ver-
schaffen, und populären Unwillen gegen uns anzuregen.
Dieß geschah um so leichter, da andere religiöse Sekten
im Hasse gegen uns aufstanden, als sie Tausende von
ihren Gliedern zu unserer Kirche übergehen, und ihre
Priester von den unsrigen überwunden sahen, so oft
dieselben uns zu öffentlichen Debatten herausforderten.
Aber anstatt daß das Gewicht unserer Argumente sie
zur Ueberzeugung gebracht hätte, so geriethen sie dar-
über in Wuth und beinahe in Wahnsinn, und beide
Partheien, sowohl religiöse als politische, waren in die-
ser Zeit so sehr gegen uns erbittert, daß sie jeden Vor-
wand als Deckmantel ergriffen, unter welchem sie ihre
Rache an den Opfern ihrer Wuth auszuüben suchten.
      Von diesem Zeitpunkte fingen sie uns zu hetzen
an. Sie schossen unsere Pferde und unser Hornvieh in
den Feldern, brannten die Häuser mehrerer an ihren
Gränzen angesiedelter Familien nieder und schlugen mit
unmenschlicher Grausamkeit unsere Männer, sobald sie
dieselben finden konnten, wo ihre Zahl der unsern über-
legen war. Jeder, der seine Religion nicht verläugnen-
wollte, mußte dulden, was deren wilde Raserei ihm auf-
bürdete, wenn er so unglücklich war, in ihre Hände zu
fallen.
      Ich will hier von den vielen nur ein Beispiel ih-
res Betragens gegen uns anführen, welches aus den
Schriften eines Augenzeugen gezogen ist.
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      Diese schreckliche Scene ging am Nachmittag des
30. Oktober 1838 in einer kleinen Gränz-Ansiedlung un-
sers Volkes vor.
      »Am 6. Tage verflossenen Juli's verließ ich mit
»meiner Familie Kirtland in dem Staate Ohio um
»den obern Theil des Staates Missouri in die Graf-
»schaft Caldwell zu ziehen. Als ich am 13. Okt. über
»den Missisippi in der Nähe der kleinen Stadt Lousia-
»nia schiffte, erfuhr ich auf diesem Platze die unbestimmte
»Nachricht, daß Aufruhr in den obern Gegenden aus-
»gebrochen wäre – allein ich konnte diesem Gerüchte
»noch keinen Glauben beimessen. Ich setzte meinen Weg
»westwärts fort bis zu Campton's Ueberfahrts-Platze,
»wo ich den Grandfluß überschritt und zum erstenmale
»mit Bestimmtheit erfuhr, daß ich in Gefahr wäre von
»einer Compagnie bewaffneter Männer aufgehalten zu
»werden, wenn ich meine Reise weiter fortsetzte. Allein
»so lange ich den vaterländischen Boden unter meinen
»Füssen hatte, war ich nicht geneigt, meine vorgefaßte
»Idee aufzugeben, nämlich mit meiner Familie in eine
»schöne und gesunde Gegend zu ziehen, um dort die Ge-
»sellschaft unserer Freunde und Verwandten zu genießen.
»Folglich reisten wir weiter, und gelangten so zu Whit-
»neys Mühlen, die an einem seichten Flusse in der
»Grafschaft Caldwell gelegen waren. Nachdem wir den
»Fluß überschritten, und so beiläufig drei Meilen zurück
»gelegt hatten, begegneten wir einer Compagnie von vier-
»hundert Mann zu Pferde, die mit Büchsen bewaffnet
»waren. Diese gaben uns sogleich zu erkennen, daß wir
»westwärts nicht weiter vorschreiten könnten, und droh-
»ten uns auch nebenbei mit augenblicklichem Tode, wenn
»wir Versuche hiezu machen wollten. Ich fragte sie um
»die Ursache dieses Verbotes, worauf sie uns antworte-
»ten: dieß geschähe, weil wir Mormonen, oder Latter
»Day Saints wären. Sie fügten auch noch ferner bei:
»daß alle jene, welche unsrer Religion anhingen, binnen
»zehn Tagen den Staat verlassen oder ihrem Glau-
»ben entsagen müßten. Auf diese Art waren wir dann
–   98   –

»genöthigt zu den obengenannten Mühlen zurück zu keh-
»ren. Hier verweilten wir drei Tage, den 26ten Frei-
»tags überschifften wir abermals den kleinen Fluß und
»zogen an dessen Ufer aufwärts eines andern Weges, wo
»durch wir glücklich dem nachsetzenden Haufen entgingen,
»und bald die Wohnung eines Freundes in Myrre's
»Nachbarschaft erreichten. Am 28. Okt. gelangten wir zu
»den Mühlen Hahns, und fanden dort eine Zahl unse-
»rer Freunde versammelt, die Rath hielten, welche Mit-
»tel sie zu ergreifen hätten um sich gegen den anrü-
»ckenden Haufen zu vertheidigen, der unter dem Befehle
»des Obersten Jennings aus der Grafschaft Livingston,
»ihnen mit Tod und Einäscherung ihrer Häuser drohte.
»Sie kamen zu dem Beschlusse, sich auf die bestmöglichste
»Weise zu bewaffnen, und bald darauf stunden achtund-
»zwanzig unserer Männer bereit, sich und ihre Familien
»gegen jeden Angriff irgend einer mässigen Zahl zu ver-
»theidigen, die auf uns einstürmen würde.
      »Dienstag den 30ten Oktober ging jene blutige
»Tragödie vor sich, deren grausame Scenen ich nie ver-
»gessen will. Mehr als drei Viertheile dieses schrecken-
»vollen Tages waren in Ruhe verflossen, alles war still,
»Keiner aus uns vermuthete das unglückliche und plötz-
»lich über uns einbrechende Schicksal, welches, gleich
»einem überschwemmenden Strome die Lage, die Ge-
»fühle und die Umstände von beiläufig dreißig Familien
Ȋnderte. Die Ufer des Shoal-Flusses waren mit scher-
»zenden und spielenden Kindern bedeckt, während die
»Mütter den häuslichen Verrichtungen oblagen, und
»die Väter in den Mühlen, oder anderwärts, so wie
»auch mit dem Einsammeln der Feldfrüchte für den
»Winterbedarf beschäftigt waren. Das Wetter war sehr
»schön – die Sonne schien klar – alles war ruhig,
»und in keiner Brust regte sich die Ahnung jener fürch-
»terlichen Krisis, die uns so nahe, ja die vor unsern
»Thüren war.«
      »Es war beinahe vier Uhr Nachmittags, als ich
»in meiner Hütte sitzend, mein Kind im Arme und
–   99   –

»mein Weib zur Seite, einen Blick auf das entgegen-
»gesetzte Ufer des Shoal-Flusses warf. Ich erblickte
»eine grosse Compagnie bewaffneter Männer zu Pferde,
»die mit größter Eile den Mühlen zusprengten. Und
»als sie so unter den Bäumen herankamen, welche den
»Rand der Wiesen begränzten (denn es war eine neue
»und meist unbebaute Gegend), so bildeten sie einen
»Dreiangel und rückten in geschlossener Ordnung vor-
»wärts. David Evans erblickte sie gleichzeitig, und
»die Ueberlegenheit ihrer Zahl erkennend (es waren
»ihrer 240 Mann, ihrem eigenen Bericht zufolge),
»schwang er seinen Hut und rief nach Frieden. Dieß
»ward aber von ihnen nicht berücksichtigt, sondern sie
»rückten immer näher, und ihr Anführer, Mr. Cum-
»stock, feuerte (der erste) sein Gewehr ab, worauf,
»nach einer feierlichen Pause von zehn oder zwölf Se-
»kunden, beiläufig hunderte von ihnen auf einmal los-
»brannten, und hiebei auf eines Grobschmiedes Werk-
»stätte zielten, wohin sich unsere Freunde zur Sicher-
»heit geflüchtet hatten. Jedoch die Angreifenden dran-
»gen so weit zur Werkstätte vor, daß sie ganz bequem
»durch die Lücken der übereinander gelegten Blöcke hin-
»durch, wovon die Schmiede aufgeführt war, auf die
»Körper jener zielen konnten, die sich zum Schutze vor
»ihren Mördern dahin geflüchtet hatten. Etwas weiter
»entfernt, im Hintergrunde der Schmiede, lebten ver-
»schiedene Familien in Zelten, deren Leben preisgegeben
»war; und in Mitte des Kugelregens, der ihnen nach-
»gesandt wurde, flohen sie in verschiedenen Richtungen
»dem Gehölze zu. Nachdem ich einige Minuten re-
»gungslos auf diese blutige Scene blickte, und gewahr
»wurde, daß ich selbst in der größten Gefahr schwebte
»(indem die Kugeln bereits schon das Haus erreichten,
»worin wir waren), so empfahlen wir uns alle dem
»Schutze des Höchsten, und verließen das Haus an dessen
»Hinterseite. Ich verbarg meine Familie so gut als
»ich konnte; und folgte dann dreien unserer Brüder,
»die aus der Werkstätte entsprungen, den Hügel hinauf
–   100   –

»rannten. Während wir so aufwärts flüchteten, wur-
»den wir von dem nachsetzenden Haufen entdeckt, der
»uns so lange Kugeln nachsandte, bis wir den Gipfel
»erreicht hatten. Beim Hinabsteigen des Hügels ver-
»barg ich mich in ein Dickicht, woselbst ich bis Abends
»acht Uhr lag. In der Dämmerung hörte ich eine
»weibliche Stimme, welche mich beim Namen rief und
»mir im leisen Tone sagte, daß die Verfolger abgezo-
»gen seien, und nun alles vorüber wäre. Ich verließ
»sogleich mein Versteck und eilte dem Hause Benjamin
»Lewis zu, wo ich meine Familie in Sicherheit, jedoch
»zwei meiner Freunde tödtlich verwundet fand, wovon
»der eine noch vor dem kommenden Morgen starb.«
      »Hier brachten wir denn diese Schreckensnacht im
»tiefen und schmerzlichen Nachdenken über die Scenen
»des verlebten Abends zu. Sobald der Tag anbrach,
»eilten ich und noch andere vier Männer, die mit dem
»Leben aus diesem Blutbade entkommen waren, den
»Mühlen zu, um den Zustand unsrer Freunde zu er-
»fahren, deren Schicksal wir leider nur zu gut ahnten.
»Als wir an das Haus des Mr. Hahn's kamen, fan-
»den wir an der Hinterseite desselben, den entseelten
»Körper Mr. Merik's, und an der Vorderseite den
»des Mr. Mc.Brides, der vom Kopf bis zu den Füssen
»im buchstäblichen Sinne des Wortes zerhauen und
»zerstückelt war. Miß Rebecca Judd, welche Augen-
»zeuge gewesen war, erzählte uns nachher, daß er mit
»seinem eigenen Gewehr erschossen wurde, nachdem er
»es abgegeben hatte, und daß Mr. Rogers, aus der
»Grafschaft Davies, welcher eine Fährte an dem Grand-
»Flusse besitzt, ihn hierauf mit seiner Sense so grausam
»zurichtete; der überdieß noch mit dieser seiner That
»von wilder Barbarei prahlte. In dem Hause selber
»fanden wir Mr. Yorks Körper, von wo aus wir,
»nachdem wir ihn betrachtet hatten, der Werkstätte des
»Grobschmiedes zueilten. Hier fanden wir acht unserer
»Brüder bereits verschieden; der neunte, Mr. Cox von
»Indiana lag im Todeskampfe, und starb bald darauf.
–   101   –

»Wir schickten uns sogleich an, sie alle zu einem Be-
»gräbnißplatze zu bringen; jedoch konnte dieser letzte
»Freundschaftsdienst, welchen wir den Reliquien unserer
»hingeschiedenen Freunde schuldig waren, nur in der
»größten Hast und ohne die gewohnten Ceremonien des
»Anstandes verrichtet werden, indem wir alle Augenblicke
»in Gefahr waren, von unsern Verfolgern erschossen zu
»werden. Wir vermutheten sie im Hinterhalte auf eine
»Gelegenheit lauernd, um jene wenigen Uebiggebliebenen
»noch gänzlich zu vernichten, die durch Hülfe der Vor-
»sehung dem Gemetzel des verflossenen Tages entrannen.
      »Wir konnten aber doch ohne Störung dieses mühe-
»volle Werk verrichten. Der Begräbniß-Platz war ein
»Gewölbe in der Erde, welches früher für einen Brun-
»nen bestimmt war, und dahinein mußten wir rück-
»sichtslos die Körper unserer Brüder werfen.
      »Unter den Erschlagenen will ich Sardins Smith's
»erwähnen. Er war der Sohn des Warren Smith
»und beiläufig neun Jahre alt. Dieser kroch aus Furcht
»vor den Verfolgern in den Blasebalg der Schmiede
»und hielt sich dort so lange versteckt bis das Blutbad
»vorüber war. Hernach aber wurde er von Mr. Glaze
»aus der Grafschaft Caroll entdeckt, der seine Büchse an
»des Knaben Kopf haltend, losdrückte und ihm den
»Obertheil desselben zerschmetterte. Mr. Stanley von
»Carroll sagte mir später, daß Glaze sich groß gemacht
»habe, einen jungen Zweig vom Baume »Mormone«
»abgerissen zu haben.«
      »Die Zahl der Erschlagenen und tödtlich Verwun-
»deten an jenem Abende des Blutvergießens waren
»achtzehn oder neunzehn; ihre Namen sind folgende:
»Thomas Mr. Bride – Levi Merrick – Elias Benner
– Josiah Fuller – Benjamin Lewis – Alexander
»Campbell – Warren Smith – Sardins Smith –
»George Richards – Mr. Napier – Mr. Harmer –
»Mr. Cox – Mr. Abbot – Mr. York – Wm. Merrick,
»ein Knabe von acht oder neun Jahren, und noch drei
»oder vier andere, deren Namen ich mich nicht erinnere,
–   102   –

»weil sie Fremde für mich waren. Unter den Verwun-
»deten, welche wieder geheilt wurden, befand sich auch
»Isaak Laney, der mit sechs Kugeln durchschossen wurde.
»Zwei empfing er durch den Leib, eine durch jeden Arm,
»und die anderen zwei durch seine Hüften. Nathan
»Knight ward ebenfalls durch den Leib geschossen, und
»Mr. Yokum, der an vielen Theilen zerhauen und zer-
»quetscht war, empfing ebenfalls eine Kugel durch den
»Kopf. Jacob Myres, Mr. Diyres, Tarleton Lewis,
»Mr. Hahn und noch mehrere andere waren gefährlich
»verwundet. Miß Mary Studwell ward, während sie
»floh, durch die Hand geschossen, wobei sie ohnmächtig
»über einen erhöhten Block hinabfiel, in welchem mehr
»denn zwanzig Kugeln stecken blieben, die sie ihr nach-
»gesandt hatten.
      »Um ihr Zerstörungs-Werk noch vollends zu ver-
»richten, beraubte diese Bande von Mördern, welche aus
»lauter Männern einer Sektion der obern Gegend be-
»stand, und von den Bedeutenderen der Grafschaften
»Davies, Livingston, Ray, Caldwell angeführt wurden,
»auch noch unsere Häuser und Gezelte und Wägen, die
»mit Betten und Kleidern und anderen Bedürfnissen
»beladen waren. Sie trieben unsere Pferde und Wägen
»fort, ohne der Hülflosigkeit der Witwen mit ihren
»Kindern zu achten, die sie so des Nothwendigsten des
»Lebens beraubten; ja sie zogen sogar die besseren Klei-
»dungsstücke von den Körpern der Erschlagenen.
      »Diese Schilderung des oben erwähnten Blutbades
»bestättige ich als eine treue Darstellung von That-
»sachen, die sich in dieser traurigen Epoche ereigneten.«
Joseph Young.      
      Bald nach diesem wurden wir auf Befehl des Gou-
verneurs mit militärischer Macht in kalter Winterszeit
aus dem Staate verwiesen, und wir mußten unser Korn
und unsere verschiedenen Vorräthe, welche für eine
doppelte Bevölkerung, gleich der unsrigen, hinreichend
gewesen wäre, zurücklassen. Auch unser Grund und
Boden, sowie unsere Häuser wurden eine Beute unserer
–   103   –

Verfolger, die uns seither nicht eines Guldens Werth
Entschädigung für das Ganze boten. Ich will es gar
nicht versuchen, die Lage unserer Freunde und besonders
die der verlassenen Weiber und Kinder zu schildern,
welche bisher den Wohlstand des Lebens genossen hatten
– es ist genug, wenn ich hierüber sage, daß wir mit
Drangsalen jeglicher Art bekannt gemacht worden sind.
      Den schmerzlichsten Verlust erlitten wir durch den
Tod unserer Brüder, denn ihre Gesellschaft war uns
theuer und werth. Allein stünde es auch in unserer
Macht, sie wieder zu erwecken, so würden wir sie doch
nimmer zurückrufen in diese Welt des Elendes. Nein!
Ihre Treue blieb standhaft dem Feinde gegenüber, sie
überstanden die grausamsten Behandlungen, und kamen
glorreich aus der blutigen Prüfung mit errungenem
unsterblichem Siege hervor, und flogen als unsterbliche
Geister ihrer himmlischen Heimath zu, wo sie sich nun
sonnen in dem Lächeln ihres Heilandes, und sich schmücken
mit den ewigen Lorbeeren, die sie sich durch ihren Mar-
tyrer-Tod errangen.
      Wenn eine Person den Sinn des Gehörs verliert,
so wird gewöhnlich der Sinn des Gesichtes schärfer und
lebhafter – so gab denn nun auf dieselbe Art der Tod
unsrer Brüder den Herzen der Zurückgebliebenen ver-
mehrte Kraft! Allein nach Allem diesem blieb doch
eine wunde Stelle zurück. Wer ist wohl gesinnt, einen
neuen Dorn in selbe zu drücken; oder gleich dem barm-
herzigen Samariten Oel und Wein hineinzugießen und
sie zu verbinden?
      Unsere Nachbarn, die nicht unserer Religion ange-
hörten, wandten alle vorhergehenden Dinge gleichsam
als Mittel an, um uns von unserer Ketzerei, so wie
von den Vorzügen und hohen Tugenden ihrer Religion
zu überzeugen; allein es gelang ihnen nicht, uns zu be-
reden, daß ihre Religion gut, oder die unsere falsch wäre.
      Der Gouverneur des Nachbarstaates, wohin wir
verwiesen wurden, durchwanderte inkognito die Scenen
unserer Verfolgung, und sah unsere Lage; und er und
–   104   –

die Bürger seines Staates (Illinois) empfingen uns
mit der größten Güte. Sie räumten uns Häuser ein
und versahen uns mit Nahrungsmitteln, bis daß wir
uns sie selbst verschaffen konnten. Ja, wir können in
Wahrheit von ihnen sagen: »wir waren Fremdlinge und
sie nahmen uns auf; wir waren hungrig und sie speisten
uns!« Und ob ich gleich jetzt ferne bin, so ruft mein
Herz für sie zum Herrn: »Gott, Du Allgütiger,
segne sie!«
      Wir erfuhren unter diesen Umständen die Wahr-
heit des alten Spruches: »Das Blut der Märtyrer ist
der Saamen der Kirche,« – denn nicht so bald waren
wir in Illinois angelangt, so fingen wir an, in den
Häusern, und wenn es das Wetter erlaubte, unter freiem
Himmel, auf offenem Felde und unter Baumgruppen
zu predigen; und es war nicht selten zu sehen, daß
fünfzig bis hundert Personen an einem Tage getauft
wurden, um unserer Kirche einverleibt zu werden. Unter
diesen war ein Mann, welcher 25,000 Acker Landes
besaß, und die er uns, den Acker zu zwei Thaler, ver-
kaufte, wofür wir ihm das Geld nach zwanzig Jahren
ohne Interesse zu bezahlen gehabt hätten. Allein seit-
dem hat er großmüthig eine Verzichtsleistung auf das
Ganze unterzeichnet. Das gesetzgebende Gouvernement
des Staates gab uns einen Freiheitsbrief, eine grosse
Stadt zu bauen mit den Privilegien, deren Gränzen so
weit auszudehnen, als es uns beliebe. In Folge un-
sers schnellen Wachsthums fürchtete das Volk von
Missouri, daß, wenn wir zu Kräften gekommen wären,
wir zurückkehren würden, um sie zu züchtigen, und
unser Land wieder in Besitz zu nehmen. Deßhalb drohten
sie uns, über uns herzufallen und uns weiter zu trei-
ben. Hierauf wurden Petitionen um Schutz an unsern
Gouverneur gerichtet; und er organisirte uns alle mili-
tärisch, schickte uns Kanonen und kleine Geschütze,
sorgte, daß wir alle regelmäßig bewaffnet wurden, und
befahl uns zuletzt, uns selbst zu vertheidigen.
–   105   –

      Da sich nun unsere Männer dem gemäß exerzirten
und einübten und eine geraume Zeit hindurch Waffen-
Uebungen vornahmen, so sind einige großmüthig gewesen,
uns in ihren Zeitungen als eine fechtende und kriegerische
Kirche darzustellen. In der That, ich habe selbst sogar
in einem Regensburger Tagblatte einen falschen Bericht
gelesen, welcher vermuthlich aus einem englischen oder
amerikanischen Blatte übersetzt worden war.
      Der Name der neu gegründeten Stadt ist Nauvoa.
Sie liegt am östlichen Ufer des Mississippi-Flußes, 40°
nördlicher Breite, im Staate Illinois. In diese Stadt
und deren angränzenden Umgebungen wanderte unser
Volk aus allen Theilen der vereinigten Staaten ein.
Beiläufig 1500 kamen von England, und erst kürzlich
habe ich einen Brief von einem meiner Freunde in Eng-
land erhalten, worin er mir anzeigt, daß nahe an 10,000
mehr auswandern werden, sobald sie die nöthigen Vor-
kehrungen hiezu werden getroffen haben. Ein Theil der-
selben wird noch diesen Herbst gehen und die andern
wahrscheinlich im nächsten Frühjahre. Die Zeit ist nicht
mehr ferne, wo in jeder Nation viele sich zu unserer
Sache bekehren, und sich hier (Amerika) versammeln wer-
den, gleichwie der Landmann seinen Weizen sammelt
zur Zeit der Erndte, oder gleich dem Fischmann, wenn
er sein Netze ans Land zieht. Denn wenn der Mitter-
nachts-Ruf gehört wird: »komme aus von ihr mein
Volk« – dann werden sie nicht länger mehr schlafen.
      Deßhalb wünschen wir, daß die Regierer und Gro-
ßen der Erde, so wie überhaupt jedermann erfahren
möge, daß Gott Sein Reich errichtet, und Seine Fahne
erhoben habe, und daß Seine Stimme weit hin gehört
werden wird, bis an die Enden der Erde. So hat Er
Seinem Diener dem Propheten Mr. Smith erklärt:
daß Er mit Feuer und Sturm und Erdbeben streiten
will, mit dieser Generation, und daß Er die Gottlosen
hinwegräumen will, durch Heinsuchungen jeglicher Pla-
gen und Strafen. Der Weinstock der Erde muß beschnit-
ten werden, denn seine Trauben sind völlig reif. Aber
–   106   –

schon ist eine Zufluchts-Stätte bereitet worden und die
Könige werden gewißlich darnach suchen. Zions Ban-
ner ist entfaltet, und ladet den Gläubigen jedes Him-
melsstriches ein zu kommen, um unter seinen Schatten
zu ruhen.
      Jerusalem wird aufstehen, denn ein Wort der
Gnade ist gesprochen worden, und obgleich nicht
zu Gunsten derer, die sie unterdrücken oder deren Pri-
vilegien einschränken, weil sie Juden sind. Ich bin kein
Jude, auch nicht der Sohn eines Juden; aber ich bin
ein Freund der Juden; denn das Heil der christlichen
Religion verursacht ihnen Betrübniß. Wenn Christus
nicht gekreuzigt, und Sein Blut nicht vergossen worden
wäre, so hätte er die Menschen nicht erlösen können;
es mußte Ihn Jemand tödten, denn dafür kam er ja
in diese Welt – wer Ihn aber tödtete, der hatte Schläge
und Leiden aller Art zu dulden. Die Juden traten vor,
und verursachten Seinen Tod – und seither haben sie
unter der Geißel gelegen, damit Heil über die Völker
käme. Wie undankbar muß deßhalb nicht ein Christ,
sein, der einen Juden verachtet! Die guten Eigenschaften
einer Person können am besten nach der Zahl der Leiden
und Entbehrungen berechnet werden, denen sie sich unter-
zieht, um anderen Gutes zu thun. Was größeres Gu-
tes konnte nun den Völkern widerfahren, als daß das
Christenthum sein Licht über sie verbreitete? Wahrlich
kein größeres! Und wer von uns hat wohl am meisten
gelitten, solchen Segen für die Welt zu verursachen?
Die Juden und sie leiden dafür noch bis auf diesen Tag.
Es scheint, daß sie gleichsam einem blinden Schicksale
überlassen wurden, so zu thun, als sie thaten; und die
Zukunft wird zeigen, ob sie nicht, nach allem, die
größten Wohlthäter der Welt gewesen sind und ob es
nicht in dem ewigen Plane des unsichtbaren Gottes lag,
diese grossen Ereignisse geschehen zu lassen. Zum Schluße
dieser gesammelten Gedanken möge es mir erlaubt sein
zu sagen, daß ich die größte Verbindlichkeit für die, mir
von dem allmächtigen Gott erwiesene Güte fühle. Fürs
–   107   –

Erste hat Er mir gewährt in dieser Zeit zu leben, wo
ich Sein Licht schauen kann, das Er zu scheinen ver-
anlaßte zur Kenntniß der Völker – zweitens hat Er
mich gewürdigt Seinen Namen hinzutragen vor die
Welt und die frohe Botschaft dieser Latter Day's in
vier Weltheilen zu verkünden. Drittens hat Er mich
durch Gebete eines Seiner Diener und durch An-
wendung des heiligen Oeles in Seinem Namen vollkom-
men von einem Uebel befreit, dessen Heilung viele Aerzte
vergebens versuchten.
      Obgleich da viele sagten, daß ich auch ohne diese
Anwendung hätte geheilt werden können, so kann ich
doch ihren Worten keinen Glauben beimessen, denn mir
ist es zur Ueberzeugung geworden, daß ich im Namen
des Herrn von meinem Uebel befreit ward.
      Ich bin nun bald drei Jahre von meinen Freun-
den und meiner Familie entfernt gewesen, und die Zeit
meiner Heimkehr rückt schnell heran. Wenn ich so der
Stunde entgegenblicke, wenn ich diesen Platz verlassen
werde, so erhebt sich in meiner Brust das Gefühl der
Zärtlichkeit für meine Brüder in Amerika. Obgleich
mir die Bekanntschaften, die ich während meines Auf-
enthalts in Regensburg gemacht habe, mir sehr werth
gewesen sind, so ist doch mein Herz voll Freude über
die Aussicht bald Jenen zu begegnen, die grössere An-
sprüche auf meine Zuneigung haben.
      So werden auch meine Gefühle sein, wenn die
Stunde heranrückt, wo ich diese Welt verlassen werde.
Ja, mit gleicher Bereitwilligkeit hoffe ich hinzugehen,
um mich jener triumphirenden Versammlung der Hei-
ligen anzuschließen, die da oben im Himmelslichte be-
kleidet sind mit dem Gewande der Unsterblichkeit.
      Als ich von Syrien, Palästina und Egypten im
verflossenen Februar zurückkehrte, fand ich es geeignet,
während einer oder zwei Jahreszeiten mich in dieser
Gegend aufzuhalten, um mich an den Blumen der
deutschen Literatur zu ergötzen, nachdem ich verschiedene
–   108   –

Monate unter den Dornen und Disteln einer uncivi-
lisirten Welt gewandelt hatte.
      Um meine müssigen Stunden nützlich auszufüllen,
habe ich einige englische Lektionen gegeben, und durch
Mitwirkung eines meiner Schüler ist es mir zuletzt
möglich geworden, dieses kleine Werk in der deutschen
Sprache zu bearbeiten.
      Obgleich ich meine Heimath verließ, ohne auf diese
grosse Reise weder eines Guldens Werth an Geld, noch
ein Oberkleid, einen Stock oder Schirm mitzunehmen,
so hat es mir doch an nichts gemangelt. Ich habe
immer genug für mich selbst, und auch noch etwas für
Jene übrig gehabt, die dürftiger waren als ich. Mein
Vertrauen hat seitdem nicht im Geringsten abgenom-
men, denn ich glaube, daß Der, Welcher zu mir redete
in den Visionen der Nacht, und Dessen Stimme ich
hörte am Mittage in den Wäldern Amerika's, mich
auch noch ferner erhalten wird in jeder Prüfung, und
mich stützen will mit den Flügeln Seiner Güte, bis
ich mein Werk vollbracht habe.
      O allmächtiger Vater! ich bitte Dich im Namen
meines Heilands Jesu Christi, bewahre mich vor jedem
Uebel, leite mich durch Deinen Geist und erhalte mich
aufrecht durch deine Macht, bis der Tod mich abruft,
und meine Seele alsdann ihrer sterblichen Wohnung
enteilt. Dann, o dann nimm mich gnädig bei Dir
auf, und gib mir einen Platz in Deinem Reiche, wo
die Gottlosen aufhören uns zu belästigen, und wo der
Müde eingeht zur ewigen Ruhe.

————————

      Es möchte vielleicht dem Leser dieses kleinen Werkes nicht
unangenehm sein, wenn ich hier eine Abschrift jenes Certifikates
beifüge, das ich von der Hand des Amerikanischen Konsuls in
Rotterdam empfing. Als ich von London daselbst anlandete, hatte
–   109   –

ich Gelegenheit, ihm meine Pässe und andere Papiere vorzulegen,
damit er sich überzeugen konnte, ob alles in gehöriger Ordnung
wäre.

Konsulat
der
Vereinigten Staaten zu Rotterdam.
      Ich, J. Wambersie, Konsul der Vereinigten
Staaten von Amerika für den Hafen von Rotter-
dam, bezeuge : daß ich die Beglaubigungs- und
Empfehlungs-Schreiben des Revd. Orson Hyde,
Prediger des Evangeliums, und Bürger der Ver-
einigten Staaten von Amerika, durchsucht und sie
als gut und von unbezweifelter Quelle gefunden
habe.
      Der Gouverneur von Illinois (einer der ver-
einigten nordamerikanischen Staaten) so wie meh-
rere hochgestellte Personen haben sich in den ach-
tungsvollsten Ausdrücken über Mr. Hyde ausge-
sprochen, der mit geeigneten Pässen von dem
Staats-Sekretär der Vereinigten Staaten Ame-
rika's, so wie auch von dem Minister des genann-
ten Staates am Hofe St. James versehen ist.
      In Zeugniß dessen habe ich hier meinen
Namen unterschrieben, und das Siegel des Kon-
sulates der Vereinigten Staaten zu Rotterdam
aufgedrückt.
      Rotterdam, den 24. Juni 1841.
            (L.S.)
J. Wambersie.      

      Die Vorgänge zum Zweiten Kommen werden hier beleuchtet. Hyde lehrt, daß die gerechten Mitglieder der Kirche in den Himmel entrückt werden sollen, in eine Art fliegende Arche, danach soll die Erde mit Feuer gereinigt werden und die Heiligen dann aus dieser Arche auf die Erde zurückkehren. Bizarre Theorie, besonders vom heutigen Standpunkt aus. Die Kirche redet heute nicht mehr über Verfahrensweisen.

      Was immer schon vermutet wurde wird auch hier bestätigt: Die Anhänger von Joseph Smith dachten, das Zweite Kommen würde sich zu ihren Lebzeiten ereignen. Hyde präsentiert hier als Prophet, Seher und Offenbarer nichts anderes: „... die erste Auferstehung ... welche ... in dieser Generation sich ereignen wird“ und konkreter „... die Verheißung, die vor mehr denn 1800 Jahren gemacht wurde, an ihnen erfüllt“; noch deutlicher wird er im Anhang, wo er es in nur wenigen Jahren verheißt. Die Definition „diese Generation“ entwickelte sich vom direkten zum erweiterten Sinne (im Alter angeheiratete blutjunge Ehefrauen gehören auch zur gleichen Generation, aber auch diese sind alle tot) und weiter zur abstrakten Auslegung (jetziges Zeitalter). Zur Zeit sind wir bei etwa 2000 Jahren, aber auch 2500 Jahre sind mehr als 1800, ohne Zweifel wird es dann noch immer auf diese Weise interpretiert.

      Unklarheit scheint auch in der Engelslehre geherrscht zu haben. Heute differenziert man verschiedene Wesen, die alle als Engel bezeichnet werden können, lebende Menschen ausgenommen. Welche aber sollen die sein, die beim zweiten Kommen den Erlösten bewundern lauschen sollen? Diese passen in keine heutige HLT-Lehre, wohl aber in die Lehre anderer Kirchen; die Engelslehre muß also einmal anders (nicht so ausgetüftelt) gewesen sein.

      Sehr entschieden streitet Hyde gegen Reichtum, und erklärt, wie korrupt er macht und wie schwer man so Erlösung erlangen kann. Das war damals sehr einfach. Heute ist die Kirche selbst extrem reich (etwa 50 Milliarden Mark mit rund 10 Milliarden Mark Jahreseinnahmen) und ihre Führer sind fast ausnahmslos sehr wohlhabende Geschäftsleute, die die Kirche wie ein straff organisiertes Unternehmen führen. Scheinbar gilt die damalige Aussage heute nicht mehr.

      Hyde sagt, daß Jesus „nun wieder lebt um meine Sache zu verfechten bei dem Richter über die Lebendigen und über die Todten.“ Er sagt damit, daß Jesus nicht der Richter ist und meint wohl, der Vater sei es. Heute sagt die Kirche: „Jesus Christus wird unser Richter sein. Wenn wir sterben, wird er uns nach unseren Werken und Wünschen richten.“

      Die Wahl Zion's wird sehr aufschlußreich beschrieben, denn es wurde „eine schöne Gegend ausgewählt“. Kein Wort von Offenbarung, von Eingebung oder Vorherbestimmung. Und das entspricht der Wahrheit. Es wurden Kundschafter losgeschickt, und die fanden diesen Platz. Joseph Smith wurde von Gott auch nicht vor Vernichtung an diesem Ort gewarnt.

      Es folgt eine sehr einseitige Beschreibung der Geschehnisse in Missouri, wie man sie auch in Joseph Smiths Schriften finden kann. Er wählt „von den vielen nur ein Beispiel“ aus, das natürlich nicht repräsentativ ist, sondern den schlimmsten Vorfall darstellt: das Hawns Mill Massaker. Das Problem bei derartigen Auseinandersetzungen ist, daß darunter meist Unschuldige zu leiden haben, die dann wieder als Entschuldigung für neue Untaten herhalten müssen, und so dreht sich die Gewaltspirale, bis eine Seite gewinnt oder irgend jemand Einsicht zeigt. Die andere Seite hat andere Geschichten. Hier gewann die andere Seite, und das gibt guten Märtyrerstoff. Aber niemand spricht heute gern über die Daniter oder die Blutsühne, über Mitglieder, die ihren Nachbarn die Vernichtung prophezeiten oder den Wegzug nahelegten usw.


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