Orson Hyde – Ein Ruf aus der Wüste (1842)


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Siebenter Artikel.
Ueber das Sakrament des Brodes und Weines.

      Diese erhabene Einsetzung wurde durch unsern Herrn
selbst eingeführt, gerade vorher, ehe Er litt am Kreuze,
in der Absicht, damit es immer unter uns verbleibe,
und in seiner Kirche verewigt werde, bis Er kommen
wird in seiner Glorie, um auf Erden zu herrschen, zu
welcher Zeit er versprochen hat, wiederum Wein zu
trinken mit seinen Kindern in seines Vaters Reiche.
      Eine Absicht dieser Einsetzung in der Kirche war,
daß durch dieselbe immer die vielgewichtige Wahrheit
in dem Andenken ihrer Glieder bleiben möge: daß der
Leib Christi zerbrochen ward für ihre Sünden, und sein
Blut vergossen wurde, um ihre Verbrechen abzuwaschen.
      In unsrer Kirche ist dieß Sakrament an jedem
ersten Tage der Woche gespendet, welcher gegenwärtig
unser Sabbath ist. Im Anfange jedoch war der siebente
Tag der Sabbath; und wir vermuthen, daß der erste
wieder der letzte sein wird, und der letzte gleich wie
der erste. Anstatt daß dieß Sakrament durch öftern
Gebrauch an Feierlichkeit und Gewichtigkeit in der
Meinung des Volkes verliere (so wie Manche vermu-
then), so hat uns bereits die Erfahrung das Gegentheil
gelehrt. Denn der öftere Empfang derselben fordert
auch ein öfteres Bekenntniß von allen jenen, die da
Böses thun; und diesem Bekenntnisse folgt gewöhnlich
ein Vorwurf, der der Natur der Uebertretungen ange-
messen ist. Dieser Tadel, welcher von dem Geiste des
Herrn durch seine Diener an dem Sünder geübt wird,
kann dem schuldigen Gewissen wirklich nicht angenehm
sein, denn er ist mächtig durchdringend und gebietend,
und darauf berechnet, den Geist der Nachsicht für die
Sünde, zu demüthigen und niederzudrücken, und ihn
endlich zu zwingen, gleich einem unwillkommenen Gaste,
von seiner Wohnung zu fliehen.
      Jene, die am öftesten tugendhafte Handlungen
ausüben, lieben auch die Tugend am meisten, und für
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sie verliert sie niemals ihre Gewichtigkeit. Jene aber,
welche nur selten ihre Huldigungen auf ihrem Altare
niederlegen, können als keine grossen Günstlinge an ih-
rem Hofe betrachtet werden. »An ihren Früchten werdet
ihr sie erkennen,« sagte Einer, der weiser war, denn
ich. Die Organisation unserer Kirche ist von solcher
Natur, daß alle diese Pflichten mit der größten Leich-
tigkeit und mit ganz geringem Zeitaufwand vollzogen
werden können.
      Brod und Wein werden von dem vorstehenden
Priester gesegnet, und durch die Aeltesten an alle Glie-
der vertheilt.
Nachdem Brod und Wein so gesegnet und
geweiht worden sind, so betrachten wir beide, als ob
sie der Kraft und Wesenheit nach, wirklich das Fleisch
und Blut unsers Herrn Jesus wären, welcher für uns
starb, obgleich es nicht Sein wirkliches Fleisch und Sein
wirkliches Blut ist.
      Um diesen Gegenstand klarer zu machen, will ich
hier ein Beispiel anführen. Der Herr befahl dem Ab-
raham, ihm seinen Sohn Isaak als Brand-Opfer zu
schlachten, und Abraham, der dem göttlichen Befehle
zu gehorchen sogleich bereit war, machte die Zubereit-
ungen zu demselben. Als alles in Ordnung stand, nahm
Abraham das Messer, um seinem Sohne den Todes-
Streich zu geben; allein die Stimme eines Engels vom
Himmel hielt seine Hand inne, und der Herr nahm
den Widder anstatt des Sohnes der Verheißung zum
Brandopfer an. So ward Isaak sinnbildlich, jedoch in
Kraft und Wirkung nach (selbst) geopfert, und Gott
sah immer auf Abraham, als ob er Ihm seinen Sohn
wirklich geschlachtet hätte, obgleich der Widder an seiner
Statt am Altare geopfert wurde.
      So verhält es sich mit dem heil. Sakramente.
Gott sieht auf uns, als ob wir wirklich das Fleisch und
Blut seines Sohnes genössen, obgleich wir es nur im
Sinnbilde empfangen. Jedoch durch die Gebete und
Segnungen des Priesters empfangen Brod und Wein
jene Kraft von Gott, welche nicht mit profanem Auge
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zu sehen ist, sondern nur von demüthigen Herzen em-
pfunden wird.
      Jene, welche an diesem Sakramente mit Glauben
und Reinheit Theil nehmen, empfangen geistige Kräfte
und göttlichen Trost. Die öftere Wiederholung dieser
göttlichen Anordnung betrachten wir als unausweichlich
nothwendig, um die Kirche im beständigen gesunden Zu-
stande und Wachsthume zu erhalten.
      Doch geistiger Tod trifft jenen, welcher sich diesem
heiligen Mahle mit unreinem Geiste, oder mit Haß
gegen seinen Bruder nähert.

Achter Artikel.
Ueber das Sündenbekenntniß und die Behandlung gesetzwidriger
Glieder.

      Wenn immer ein Glied unserer Kirche sich ein
Vergehen gegen die Regeln derselben, oder ein unmora-
lisches Betragen zu Schulden kommen läßt, so wird von
seiner Seite ein Bekenntniß nothwendig, so wie auch
ein aufrichtiges Versprechen der Besserung, um sein
Recht der Gemeinschaft zu erhalten. War das Vergehen
ein geheimes, so muß er er es im Stillen vor seinem
Gott bekennen, und vor jenen Personen, die dadurch
beleidigt wurden; war aber sein Vergehen ein öffent-
liches, so muß er öffentlich bekennen, oder in die Vorschrif-
ten der Kirche sich zu fügen, so wird sie aus derselben
verwiesen, und ihr Name aus dem Buche gestrichen
werden.
      Die Kirche mit einem vorsitzenden Aeltesten ist ein
befugtes Tribunal, alle Streitigkeiten und Beschwerden,
die sich unter gewöhnlichen Umständen erheben mögen,
auszugleichen. Doch haben wir auch ein höheres Tribu-
nal, vor welchem die wichtigen Fälle verhandelt werden,
und dieß besteht aus zwölf Hohenpriestern, welche alle
Männer von Erfahrung und hohem, moralischen Werthe

      Einige interessante Abläufe sind hier beschrieben, die den Anschein vermitteln, Hyde wäre mit den Offenbarungen aus Lehre und Bündnisse nicht vertraut gewesen. Da ist das Austeilen des Abendmahles, das von den Ältesten vorgenommen wird. Heute ist dies eine Aufgabe der Diakone. Der Vorsteher einer Versammlung segnet auch kein Abendmahl mehr. Die größte Merkwürdigkeit ist allerdings, daß Hyde nirgendwo die Verwendung von Wasser statt Wein erwähnt, wo doch bereits 1830 alles dafür genehmigt wurde (LuB 27:2) und immerhin fast zehn Jahre zuvor mit dem Wort der Weisheit die Einnahme von Alkohol verboten und die Verwendung von Wein für das Abendmahl erheblich einschränkt wurde (LuB 89:5,6).


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