ihrer Regierungsart vertraut zu machen. Ich hoffe deßhalb, daß ich fähig sein werde, dem innigsten Wunsche meines Herzens durch dieß Erzeugniß Genüge zu leisten, nämlich: dem Herrn zu gefallen, sollte ich auch die Freundschaft der Menschen dabei verlieren. Erster Artikel. Ueber die Gottheit. Jeder, der da unternehmen wollte, eine vollstän- dige Erklärung über das wunderbare und geheimnißvolle Dasein der Gottheit zu geben, der würde nur seine Schwäche und seine Thorheit an den Tag legen. Wenn wir das weite Reich der Natur überblicken, was sehen wir da, das wir völlig begreifen könnten? Nichts! Wenn nun die Natur jenen seinen Plan, nach welchem sie ihre großen Maschinerien treibt, so künstlich unserm Auge verborgen hat, was müssen wir nun von jenem Wesen denken, dessen Stimme der Natur ihr Dasein gab, und alle ihre Theile mit Leben und Bewegung füllte!? Obgleich wir die Gottheit nicht völlig begreifen können, so sind doch in der heiligen Schrift verschiedene allgemeine Anzeichen, welche es uns möglich machen, einige Züge ihres Charakters zu entdecken. Und ver- mittelst dieser Quellen aus denen wir Belehrungen schö- pfen können, ist uns folgendes Resultat durch unsere Untersuchung geworden. Es sind zwei Personen, die da die große Unver- gleichbarkeit ausmachen, die höchste, regierende Gewalt über alle Dinge, durch welche alles erschaffen ist, Sicht- bares und Unsichtbares, sei es im Himmel, auf der Erde oder unter und in derselben oder in der Unermeß- lichkeit des Raumes. Diese beiden sind der Vater und |
der Sohn. Der Vater ist eine geistige Person voll von Herrlichkeit und Macht, und im Besitze aller Voll- kommenheit. Der Sohn, der ewig in der Gegenwart des Vaters war, trägt sein vollkommenes Ebenbild und theilt alle seine Glorie, Macht und Vollkommenheit. Der Mensch ward erschaffen nach dem Bilde der Aehn- lichkeit dieser zwei Personen, und trägt deßhalb in sei- nen Gott ähnlichen Zügen die Sinnbilder der Macht und Herrschaft, und ward an die Spitze aller erschaffe- nen Wesen gestellt. Aber wie elendiglich ist der Mensch von Gott abgewichen! Und wie viele werden noch durch ihr unwürdiges Betragen dieses edle himmlische Bild entehren, welches zu tragen sie gewürdiget worden sind! Der Sohn nahm einen menschlichen Leib in den Schoose der gesegneten Jungfrau an, nachdem er in Reinheit von dem heiligen Geiste empfangen worden war. Er wurde in diese Welt geboren in Mitte der Jubeltöne der englischen Sängern, die ihre Stimmen zu den höchsten Noten anschwellten um Lob und Ehre dem Fürsten Bethlehems zu geben. »Ehre sei Gott in »der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die ei- »nes guten Willens sind.« So lautete der Chor der Sänger. Diesem himmlischen Besucher, dem Sohne des höchsten Gottes, wurden die Sünden der Welt auf- erlegt. Sanftmüthig, unterworfen den Widersprüchen der Sünder durchwandelte Er Sein wirkendes Leben unter Bekanntmachung des Willens Seines himmlischen Vaters, und unter Gutesthun an dem Leibe und an der Seele, des Menschen bis es zuletzt den Erdenkindern gefiel, Ihn für Seine Wohlthaten vor einen weltlichen Richterstuhl zu schleppen, wo Er ungerechter Weise verdammt und höchst grausam am Kreuze hingeopfert wurde. Aber nun geht er entkörpert hin zu den Geistern der Menschen, die lange in der Vorhalle weilten Er überschreitet die Gränzen ihrer finstern Wohnung macht ihnen das Evangelium kund öffnet den müden Gefangenen die Thore ihres Kerkers, und befiehlt ihren |
Thränen, nicht mehr zu fließen. O ihr Ungläubigen, die ihr nicht bereutet bei der Predigt Noa's; euere Leiden waren eurer Ungläubigkeit angemessen; doch jetzt ist ein Freund zu eurer Hilfe gekommen! Am dritten Tage erstund Er von dem Tode, und nachdem Er noch viele Belehrungen Seinen Jüngern gegeben hatte, stieg Er hinauf in Seine Heimath, mit sich bringend zu dem himmlischen Hofe die reiche Beute des Sieges über Tod, Grab und Hölle. Dort nahm Er Seinen Sitz zur Rechten des Vaters und ist nun unser Mittler und Advokat geworden; denn durch Sei- nen Tod und durch Seine Vermittlung kann der Mensch gerettet werden, wenn er Seinen Geboten gehorcht und sich unbefleckt erhält von der Welt. Durch diesen Mann soll ein gerechtes Gericht kommen über alles Fleisch, denn Er besitzt denselben Willen wie der Vater, und dieser Wille ist der heilige Geist, welcher der ausübende Geschäftsträger des Vaters und des Sohnes ist. Er ist ein glorreicher Bote der Wahrheit und des Trostes, fortgesandt von dem Vater durch den Sohn in die Her- zen aller jener, die da aufrecht vor Ihm wandeln; und diese Drei, nämlich: der Vater, der Sohn und der heilige Geist sind Eins. Deßhalb sollen alle jene, die Seine Gebote halten, von Gnade zu Gnade steigen, Er- ben des Reiches Gottes und Miterben Jesu Christi wer- den. Je mehr sie sich Gott nähern durch Gehorsam, desto mehr werden sie von ihrem eigenen Willen verlieren und von demjenigen des Herrn oder des heiligen Geistes empfangen. Sie werden wieder umgewandelt werden zu Seinem Bilde, und zu Seiner Aehnlichkeit mit Ihm, Der alles in allem füllt und werden Eins sein mit dem Sohne, wie der Sohn Eins ist mit dem Vater. O Menschen, wer immer ihr auch sein möget, betrachtet wohl, was in euer Bereich gegeben ist. Heftet die Neig- ungen euers Herzens nicht an gemeine und nutzlose Dinge, sondern gedenkt der hohen Bestimmung, welche aller jener wartet, die die Tugend zu ihrer Gefährtin, und ihr Heil zum Ziel ihrer Bemühungen machen. |
Die Lehren über die Gottheit bilden einen zentralen Bestandteil der
Lehre der Kirche. Deshalb sind sie in unserer Betrachtung sehr wichtig. Historiker und
Kritiker sagen, die Gotteslehre habe sich in den ersten fünfzehn Jahren vom
Monotheismus zum Polytheismus entwickelt. Obwohl im Buch Mormon (d.h. im Original von 1830)
nur von einem Gott die Rede ist und die Dreieinigkeit unter den Mitgliedern anerkannt
wurde, war noch zu Lebzeiten Joseph Smiths von drei Personen der Gottheit die Rede, und
heute glaubt die Kirche an eine unendliche Anzahl von Göttern.
Welche Auffassung finden wir in diesem Werk aus der Mitte dieser
Entwicklungsperiode? Die Gottheit bestehe aus zwei Personen Vater und Sohn. Das
steht zunächst nicht im direkten Widerspruch zur heutigen Lehre, jedoch klingt es
bereits etwas merkwürdig. Daß der heilige Geist der Wille von Vater und Sohn
sei, zeigt hingegen deutlich den Unterschied zur heutigen Lehrmeinung, da ein Wille
unmöglich eine Person sein kann. Demzufolge ist die durchgängige Kleinschreibung
auch kein Fehler, sondern volle Absicht. Die Dreieinigkeit wird ebenfalls in einer so
deutlichen Klarheit bestätigt, daß selbst heutige Interpretation mit dieser
Stelle ihre Schwierigkeiten haben dürfte. Dieses Buch bestätigt die Entwicklung
des Gottesbildes, wie sie von Kritikern der Kirche vorgetragen wird.
Daß der Sohn ewig in der Gegenwart des Vaters war und sein exaktes
Ebenbild ist, ist noch heute in der (tiefen) Kirchenlehre verankert.
Jesu Empfängnis wird ebenfalls anders dargestellt. Hier ist noch die
Rede von der Empfängnis durch den heiligen Geist (dem Willen von Vater und Sohn).
Heute wird von der Überschattung durch den Heiligen Geist (einer Person) und dem
darauf folgenden körperlichen Akt durch den Vater gesprochen.