Bekommt man heute ein blau eingebundenes Buch Mormon in die Hand, so
ist es ein reines Textbuch. Das war nicht immer so. In den 1960er und
70er Jahren fand man zur Abwechslung einige auf den Inhalt bezogene
Gemälde von Arnold Friberg, und diese Bilder stellten jedes
Bodybuilder-Magazin in den Schatten. In der Einführung des Buches
waren zudem noch Bilder von Jesus, Joseph Smith, dem Hügel Cumorah
sowie die folgenden Fotos, die ich in aller Kürze kommentieren
möchte. Dies soll keine wissenschaftliche Abhandlung werden, es soll
nur eine Anregung zum Nachdenken und weiteren Nachforschungen in Lexika
und Geschichtsbüchern sein, denn immerhin wurden über einen
Zeitraum von einem viertel Jahrhundert Millionen Exemplare mit diesen
Bildern und Erklärungen unter die Menschheit gebracht, das allein
soll ausreichend Anlaß für diese Betrachtungen sein.
Ein allgemeiner Kritikpunkt vorweg. Wie wir aus dem Text unschwer erkennen
können ist es uns aufgrund ungenauer Quellenangaben unmöglich,
weitere Dinge über die hier vorgestellten Objekte in Erfahrung zu
bringen. Das bedeutet, wir können die gemachten Aussagen nicht
nachprüfen und müssen deshalb zumindest ihre Richtigkeit
voraussetzen. Das ist eine sehr schwerwiegende Einschränkung, denn
wie wir sehen werden, kann man sich nicht ohne Weiteres auf die Texte
verlassen.
Wenn im folgenden von der Buch-Mormon-Zeit gesprochen wird, so ist es am
plausibelsten, darunter die Zeit von 600 v.u.Z. bis 400 (u.Z.) zu verstehen.
Gegebenenfalls kann man die jareditische Auswanderungsgruppe mit einbeziehen,
so daß bereits 2200 v.u.Z. begonnen werden kann, jedoch fand diese
Gruppe keine so große Verbreitung. Die Gruppe um Lehi besiedelte
hingegen fast den gesamten amerikanischen Kontinent, wie uns das Buch
Mormon wissen läßt.
Goldtafel aus der Zeit des Königs Darius (5. Jh. v. Chr.) mit Keilschriftzeichen, 1961 in Persien gefunden. Sie hat etwa die gleiche Größe wie die Tafeln des Buches Mormon. Nach der Beschreibung, die Joseph Smith gab, waren diese Tafeln etwa 15 x 20 cm groß und so dick wie gewöhnliches Blech. |
Zum ersten Bild fällt auf, daß keine genaue Angabe zu
Darius gemacht wird. Handelt es sich um Darius I., II. oder
III.? Die Regierungszeiten waren entsprechend 522486, 423404
und 336330, jeweils v.u.Z. Das 5. Jahrhundert schließt Darius
III. schon aus und wahrscheinlich bezieht man sich sowieso auf Darius den
Großen, also auf Nummer I. Ein Hinweis auf den genauen Fundort fehlt.
Es wird auch nicht gesagt, worum es in dem Text geht, obwohl das sicherlich
bekannt ist. Betrachten wir die Assoziationen, die mit diesem Bild geweckt
werden sollen, so fällt auf, daß es sich um einen Fund aus der
Alten Welt handelt. In Amerika hatte sich zur Zeit der Entdeckung gerade
eine primitive bildhafte Schrift entwickelt, an eine hochentwickelte
Keilschrift war nicht zu denken. Die Bildunterschrift referenziert jedoch
auf eine Zeit 2000 Jahre früher, zu der es in Amerika nur Anfänge
von Schrift gab.
Altertümliche Werkzeuge aus Kupfer und Messing, wie sie in der Buch-Mormon-Zeit verwendet wurden. |
An dieser Stelle müssen wir uns ein wenig mit der Metallurgie im
vorkolumbianischen Amerika beschäftigen. Es darf nicht überraschen,
daß sich diese Fertigkeiten nur in eng begrenzten Regionen entwickelten
und weitergegeben wurden. Erste Objekte aus reinem Kupfer entstanden etwa
4000 Jahre v.u.Z. im Gebiet um die Großen Seen in Nordamerika. Ab etwa
1000 v.u.Z. begann man in Peru mit der Bearbeitung von Gold und erst nach der
Zeitenwende entwickelte sich die Fähigkeit zum Gießen von Metall.
Verwendung fanden allerdings nur Gold, Silber und Kupfer. Später wurden
auch Platin, Blei und Zinn verarbeitet. Letzteres nutzte man mit Kupfer ab
etwa 1200 zur Herstellung von Bronze, so daß die Spanier Amerika im
Bronze-Zeitalter antrafen. Es gibt keine Hinweise für die Verarbeitung
von Zink, so daß die Aussage über Objekte aus Messing schlichtweg
falsch ist. Sicherlich sollte sie die Verwendung von Messingplatten zur
beschriebenen Geschichtsschreibung plausibel machen.
Goldtafeln aus Peru, mit Goldringen zusammengehalten. Die Frühbewohner Amerikas waren in der Bearbeitung von Edelmetallen sehr geschickt. |
Obwohl wir wieder nicht viel über die Herkunft des Objekts erfahren,
können wir bereits einige nützliche Grenzen anlegen. Es handelt
sich offenbar um einen getriebenen Schmuckgegenstand aus Goldblättchen
mit einfachen Mustern. Er müßte also etwa zwischen 700 und 300
v.u.Z. entstanden sein, falls er aus dem nördlichen Peru stammt, wo
sich diese Fertigkeit zuerst entwickelte. Ein solcher Goldschmuck mit
Ornamenten stellt jedoch bereits die höchste Kunst dieser Epoche dar
und beschränkt sich auf die Chavín und Mochica. Hier allgemein
von den Frühbewohnern Amerikas zu sprechen kann als Übertreibung
angesehen werden. Die Olmeken, die sich mit ihrer Blütezeit von ca.
1200400 v.u.Z. als einzige große Zivilisation in die Zeit des
Buches Mormon einordnen läßt, hatten noch keine Metalle
bearbeitet, nicht einmal Werkzeuge für die Bearbeitung ihrer Kunstwerke
aus Stein lassen sich finden. Selbst spätere Kulturen erlangten die
Kunst der Verarbeitung von Metallen nur langsam. Finden sich bei den Maya
(600900) fast keine Gegenstände aus Metall und sind sie auch bei
den Azteken (13001500) selten, so zeigten sich die Mixteken (ca. 900)
und die Inka (12001500) als geschickte Bearbeiter von Metall.
Es lassen sich also gewaltige regionale Unterschiede in den Fertigkeiten
und der Anwendung erkennen.
Gewebe aus Peru, die aus der Buch-Mormon-Zeit stammen. |
Gobelin-Weberei begann etwa 100200 in Peru, die Technik hatte sich bis
zum 6.7. Jahrhundert in dieser Region etabliert. Die meisten Funde stammen aus den
Gräbern an der trockenen Küste Perus aus der Zeit 8.12. Jahrhundert.
Farben und Formen des abgebildeten Objekts deuten aber auf einen Inka-Ursprung
hin, also sicherlich nach 1100, was von der Zeit des Buches Mormon deutlich
abweicht.
Wandgemälde in ägyptischer Manier, gefunden an einer Tempelmauer in Mexiko. |
Ich kann dieses Bild weder zuordnen noch datieren. Es wird hier auch nicht
behauptet, daß es in die vom Buch Mormon beschriebene Zeit hineinfällt.
Auffallend ist jedoch, daß die wirklich charakteristischen Elemente
ägyptischer Malerei nicht vorhanden sind. Der einfache Umstand, daß
das Gemälde auf eine glatte Tempelwand aufgebracht wurde, stellt in meinen
Augen noch keine ägyptische Manier dar.
Ansicht der heiligen Stadt Machu Picchu Juwel der Anden , die vor mehr als 2000 Jahren errichtet worden sein dürfte. |
Ein Blick ins Lexikon fördert in etwa folgendes zu Tage: Machu Picchu
[span.
Der Tempel des Kreuzes in Mexiko. Man nimmt an, daß er in der klassischen Maya-Zeit erbaut wurde. Darin befindet sich das berühmte Kreuz von Palanque. Viele Archäologen stimmen darin überein, daß derartige Kunstwerke bis in die Anfänge der christlichen Ära zurückzudatieren sind. |
Die erwähnte klassische Periode der Maya-Kultur wird zwischen 250 und
900 angesetzt. Der Komplex Palanque entstand aber erst in der späten
klassischen Periode und Maya-Blütezeit 600900. Es handelt sich
dabei um eine beeindruckende Anlage, die aus Palast und Tempelpyramiden
besteht. Der gewaltige Palast bildet das architektonische Zentrum, ihm ist
ein in der Maya-Kultur einmaliger vierstöckiger Turm mit quadratischer
Grundfläche angegliedert. Der interessanteste Teil ist der Tempel der
Inschriften mit seiner Grabkammer. Zur Anlage gehören auch der Tempel
des Kreuzes, der Tempel des geblätterten Kreuzes und der Sonnentempel.
Diese drei Tempel wurden für die gleichen Kulthandlungen genutzt. Es
ist für mich schwer nachzuvollziehen, warum ausgerechnet ein so
unscheinbarer Teil von Palanque zur Abbildung ausgewählt wurde.
Möglicherweise sollte über den Begriff Kreuz eine
Verbindung zum Christentum geschaffen werden. Das gleiche betrifft das
Kreuz von Palanque, zu dem ich trotz seiner
Berühmtheit keine Informationen finden konnte. Darauf deutet
auch der Ausdruck Anfänge der christlichen Ära hin, denn
Tempel wurden z.B. von den Olmeken schon über eintausend Jahre vor der
Zeitenwende errichtet. Auffallend ist auch die umschreibende Datierung, die
augenscheinlich in die Buch-Mormon-Periode hineinfällt, eine genauere
Untersuchung zeigt dann doch, daß Palanque deutlich nach der
Buch-Mormon-Zeit errichtet wurde.
Man kann es drehen und wenden wie man will. Die Archäologie der Neuen
Welt paßt nicht zu den Ansprüchen und Inhalten des Buches Mormon.
Mit solch oberflächlichen Assoziationen, wie sie hier im Buch Mormon
präsentiert wurden, können sich nur Desinteressierte und Ungebildete
zufrieden geben, oder wer die Fakten alle zusammen ignoriert. Dabei ist nicht
einmal großes Wissen erforderlich, oft genügen ein paar Blicke in
ein Lexikon, um über die Mißinterpretation aufzuklären. Es
bleibt die Frage, wie die HLT-Gemeinschaft diese Dinge über ein viertel
Jahrhundert millionenfach verbreiten konnte.