Das Missionierungs-Programm
Die Kirche zu vergrößern war eines der wichtigsten Anliegen von
Joseph Smith. Wahrhaft gigantische Ausmaße hat das Programm in den letzten
Jahren angenommen. Doch welche Absichten verfolgen die Kirchenführer und
wie ist die Organisation?
Dieses Programm scheint ein Steckenpferd der Generalautoritäten zu sein, da
es die Statistik der Kirche alljährlich entscheidend verbessert. Dabei ist
es eine Pestigefrage geworden, an jedem Fleck der Erde Missionare zu haben. So
gesehen spielt der dortige zahlenmäßige Erfolg nur eine untergeordnete
Rolle.
Missionare werden junge Männer und Frauen von 19 bzw. 21 bis etwa 30 Jahren,
die dann für zwei bzw. anderthalb Jahre auf Mission gehen. Dazu schickt man
einige Formulare nach Salt Lake City und wird dann von den Generalautoritäten
irgend wohin auf der Welt berufen; das Berufungsschreiben ist vom Präsidenten
der Kirche persönlich unterschrieben, falls dafür nicht gerade eine
Stempelmaschine verwendet wurde.
Es gibt auch Ehepaare, die im Anschluß an ihr Berufsleben eine Mission
erfüllen. Missionspräsidenten werden für drei Jahre berufen,
die dafür oftmals ihre Karriere unterbrechen (obwohl sie immer in
den gehobenen Jahren und wohlhabend sind).
Das Missionierungs-Programm ist nicht in die normale Organisationsstruktur
der Kirche eingebunden, sondern bildet eine zweite Struktur. Missionare
unterstehen ihrem Missionspräsidenten, der seinerseits direkt den
Generalautoritäten untersteht. Damit gehört man für die
Missionszeit also einer besonderen Organisationsstruktur an.
Es gibt einige strenge Regeln, die von den Missionaren strikt einzuhalten sind.
Diese werden von Salt Lake vorgegeben und sind deshalb überall auf der Welt
sehr ähnlich. So ist man 24 Stunden am Tag mit einem Mitarbeiter zusammen,
der einem für einige Wochen oder Monate vom Missionspräsidenten
zugeteilt wird. Freizeit gibt es nur einen halben Tag in der Woche, in dieser
Zeit wäscht man seine Wäsche, treibt Sport (nur bestimmte kontaktfreie
Sportarten sind zugelassen, z.B. Fußball nicht) und schreibt Briefe nach
Hause. Diese sind wichtig, denn Urlaub gibt es nicht. Von 6:30 bis 22:30 Uhr hat
man dann Gelegenheit, anderen Menschen von seinem Glauben zu erzählen und
sie zu bekehren, in den Kirchenbüchern zu lesen und Mitgliedern der Kirche
Arbeitsbesuche abzustatten. Am Abend ruft man seinen Distrikts- oder Zonenleiter
an, um über die Arbeit und den Erfolg des Tages Bericht zu erstatten.
Abweichungen davon gibt es nicht. Nur am Sonntag stehen Versammlungsbesuche auf
dem Programm und einmal im Monat gibt es eine Zonenkonferenz (dabei treffen sich
15 bis 30 Missionare mit ihrem Missionspräsidenten). Zum Missionsende hin
ist man so ausgelaugt, daß jeder Missionar froh ist, wenn diese Zeit
vorüber ist.
Die Missionare bekommen als Mitglieder der untersten Organisationsebene ihren
24-Stunden-am-Tag-Dienst nicht bezahlt. Ihren Unterhalt für
diese Zeit bezahlen sie oder die Familie selbst. Das stellt zusätzlich
zum Zehnten nochmals eine hohe Belastung für die Mitglieder dar. Sicher ist
dies einer der wichtigsten Gründe, weshalb die Kirche dieses Programm so
stark expandiert es kostet vergleichsweise wenig. Dennoch verschlingt es
viele Millionen für Büro- und Transportkosten und ähnliches
für über 50.000 Missionare; nicht zu vergessen die Kosten für
Erbauungsbesuche durch die GA, denn diese Zeit ist unheimlich schwer für
einen jungen Menschen. Angaben zur Höhe der Ausgaben (1991 $550.000.000)
sollten dennoch mit Vorsicht genossen werden, da der Großteil hiervon
klar durch Fernseh-, Radio- und andere Werbung zur Gewinnung neuer Mitglieder
verursacht wird, nicht durch die Missionare selbst.
Missionare werden auf Mission mit Verkaufsstrategien geschult. Dazu gehören
auch Menschenführung, Körpersprache und weitere psychologische Tricks.
Diese werden angewandt, um Interessenten zu gewinnen und zur Mitgliedschaft zu
führen. Vereinzelt setzen Missionspräsidenten ihre Schützlinge so
unter Druck, daß diese zu Tricks greifen, nur um Taufzahlen vorweisen zu
können. Überhaupt wird ein Missionar so geschult, daß sein einzig
angepeiltes Ziel ist, möglichst viele Menschen zur Wahrheit zu bringen, d.h.
zu taufen.
Ein eher gewohntes Bild sind GA, die die Mitglieder der Kirche an ihre heilige
Pflicht erinnern und sie so regelrecht unter Druck setzen, irgend welche Bekannte
mit der Kirche vertraut zu machen und mit den Missionaren zusammenzubringen. Die
Folge sind meist halbherzige Einladungen an Nachbarn oder Kollegen; während
der Besuche ist unbedingt zum Thema Kirche zu kommen. Viele Mitglieder wehren sich
gegen diesen Druck, aber alle sind durch diese Verpflichtung nur darauf
fokussiert. Deshalb gibt es nur wenige wahre Freundschaften mit Nichtmitgliedern.
Wenn ein Interessent auf dem Weg zur Mitgliedschaft ist, werden einige
Mitglieder beauftragt, sich mit ihm/ihr anzufreunden (oder wenigstens so
zu tun), um die Wahrscheinlichkeit für eine Taufe und dann für
einen Verbleib in der Kirche zu vergrößern.
Fast jeder zurückgekehrte Missionar sieht stolz auf die Missionszeit
zurück, war es doch so etwas wie ein Härtetest. Außerdem
hat man sich dadurch ein gewisses Ansehen bei den Mitgliedern erarbeitet.
Dennoch wirkt sich die jahrelange intensive Indoktrination aus man wird
durch eine Mission religiös fanatisch, sofern man es nicht schon vorher
war. Dennoch sind es (später) potentiell gute Kandidaten für
eine Abkehr von der Kirche, da sie die offizielle Kirchenlehre sehr gut
kennen und sich nicht so schnell mit Diskrepanzen arrangieren, sollten
sie einmal einen Lichtblick haben und sich mit der Wahrheit auseinandersetzen.
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