Bereits in den ersten Jahren nach der Gründung der Glaubensgemeinschaft waren größere
Geldmengen zur Aufrechterhaltung der Organisation notwendig. Joseph Smith verstand sich
gut darauf, immer neue Geldquellen unter seinen Nachfolgern aufzutun. Göttliche
Offenbarungen zu pekuniären Angelegenheiten finden sich auch im Buch Lehre und
Bündnisse reichlich. Joseph selbst war freilich ein viel besserer Vermittler von
Offenbarungen als ein guter Geschäftsmann. Besonders krass zeigte sich dies im
Bankrott der Kirtland Safety Society, deren Zahlungsunfähigkeit bereits einen
Monat nach ihrer Eröffnung im Februar 1837 eintrat. Joseph zog sich zurück
und überließ die Geschäfte anderen Kirchenführern. Selbst hohe
Kirchenbeamte rebellierten deshalb und Mormonengegner weideten sich förmlich an
diesem Mißerfolg des erleuchteten Propheten. Damals stand die Gemeinschaft kurz vor
ihrer Auflösung.
Drei-Dollar-Banknote der Kirtland Safety Society, unterschrieben von
Sidney Rigdon als Präsident und Joseph Smith als Schatzmeister.
Aus dieser und vielen weiteren Erfahrungen hatte man letztlich gelernt, daß die
Gemeinschaft zum einen auf wirtschaftlich solidem Grund stehen muß, zum anderen, daß
es sinnvoll ist, die wirtschaftliche Verwaltung von der religiösen Gemeinschaft zu
trennen. Zu diesem Zweck wurde die Körperschaft des Präsidenten der Kirche
Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Corporation of the President of The Church
of Jesus Christ of Latter-day Saints) und die Körperschaft des Präsidierenden
Bischofs (Corporation of the Presiding Bishop) gegründet. Sie verwalteten fortan
die weltlichen Belange des Königreichs Gottes auf Erden. Dabei
sollte sich letztere vor allem um die geistigen Besitztümer kümmern, weshalb
sie vergleichsweise wenig Vermögen kontrollierte.
Heute laufen alle Fäden der Verwaltung des HLT-Vermögens in den
Händen der Körperschaft des Präsidenten der Kirche zusammen.
Sie ist in den USA als gemeinnützige Organisation anerkannt und besitzt
einen steuerfreien Status. Gleichsam gründet diese Körperschaft
weitere Körperschaften in Ländern, in denen es Mitglieder der Kirche
Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gibt, und versucht dort ebenfalls
einen steuerfreien Status zu erlangen. Im deutschen Sprachgebiet zeigen diese
Bemühungen einzelne Erfolge, in Deutschland ist sie in den Bundesländern
Berlin und Hessen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, in
Österreich gilt sie als anerkannte Religionsgesellschaft.
Diese Körperschaften sind jedoch nicht mit der Gemeinschaft selbst zu verwechseln.
Es handelt sich hier um vollständig getrennte Organisationen, auch wenn sie
die Einnahmen und Ausgaben der Kirche verwalten. Mit der Taufe wird man deshalb
auch nicht Mitglied dieser Körperschaften, sondern der Kirche Jesu Christi
der Heiligen der Letzten Tage. Allerdings wird jeder Zehntenscheck eines Mitgliedes
direkt auf dem Konto einer der Körperschaften gutgeschrieben, jedes Fastopfer
dorthin eingezahlt. Welche Geldmengen dort ankommen und wozu diese benutzt werden,
darüber gibt es keinerlei offizielle oder inoffizielle Verlautbarungen. Die
Mitglieder vertrauen darauf, daß mit den Geldern sorgsam umgegangen wird, und
sind zufrieden, wenn sie warme Versammlungsräume haben.
Daraus folgt direkt, daß die Gemeinschaft gar nichts besitzt, und ihre Mitglieder damit
auch nur einen Anteil am Nichts haben, ausgenommen natürlich ihren Anteil am
geistigen Lohn in der künftigen Welt. Das gesamte Eigentum, das landläufig der
Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage zugeschrieben wird, befindet sich in
Wirklichkeit in den Händen dieser Körperschaften und damit letztlich im
Besitz der Körperschaft des Präsidenten. Dieser Punkt ist zumindest wichtig
genug, um offiziell niemals erwähnt zu werden. Im deutschsprachigen Raum wird
dieser Umstand noch dadurch verschleiert, daß im Buch Mormon steht, das Copyright
dafür halte die Kirche, im englischen Buch Mormon wird es korrekt dargestellt, dort
hält es nämlich die Körperschaft des Präsidenten.