Was ist ... ein Prophet?
Hinckley spricht, wir lauschen

Im September 1991 erschien im offiziellen HLT-Presseorgan Ensign die Botschaft der Ersten Präsidentschaft mit dem Titel „Wir danken Dir Herr für Propheten“. Es war eine unruhige Zeit für die HLT-Gemeinschaft, in der sich Gerüchte über die Senilität von Kirchenpräsident und Prophet Ezra Taft Benson verbreiteten, Gerüchte, die sich später als zutreffend erweisen sollten. Verfasser des Artikels war Gordon B. Hinckley, damals erster Ratgeber des Präsidenten und somit in der Pflicht, die Geschäfte des senilen Propheten zu übernehmen. Der Artikel sollte in dieser Lage die HLT-Mitglieder beschwichtigen. Tatsächlich handelte es sich dabei um eine aufgewärmte Rede Hinckleys, die fast gleichlautend bereits im Januar 1974 im Ensign abgedruckt wurde.

Hinckley führt in diesem Artikel u.a. aus: „Wie dankbar können wir sein und wie dankbar sind wir für einen Propheten, der uns in den Worten göttlicher Weisheit unterweist, während wir unseren Weg durch diese vielseitigen und schwierigen Zeiten gehen. Die feste Zuversicht, die wir in unserem Herzen tragen, die Überzeugung, dass Gott seinen Willen seinen Kindern durch seine berufenen Diener kund tut, das ist die wirkliche Grundlage unseres Glaubens und unserer Arbeit. Entweder haben wir einen Propheten, oder wir haben nichts, und wenn wir einen Propheten haben, dann haben wir alles.“

„Wir haben einen Propheten, einen lebenden Propheten, der über diese Kirche präsidiert und der uns den Willen des Herrn lehrt ... Kann irgend ein Volk einen größeren Segen haben als jemanden an ihrer Spitze zu wissen, der den Willen Gottes empfängt und ihn ihm lehrt?“ Hinckley drückt weiter seine Dankbarkeit aus, dass „der Friede und der Fortschritt dieses Volkes im Ausführen des Willens des Herrn liegt, so wie dieser Wille formuliert wird durch den Diener des Herrn – den Präsidenten der Kirche.“

Die wichtigsten Aussagen Hinckleys finden sich dann noch einmal in einer Zusammenfassung, darunter:
• „Die Grundlage unseres Glaubens und unserer Arbeit in der Kirche ist unsere feste Zuversicht, dass Gott seinen Willen durch die Propheten seinen Kindern kund tut.“
• „Der Friede und der Fortschritt dieses Volkes liegt im Ausführen des Willens des Herrn, so wie dieser Wille formuliert wird vom Präsidenten der Kirche.“

Dies waren weder neue Aussagen, noch sind sie bereits veraltet. So sagte J. Reuben Clark Jr. 1954: „Er ist auf der Erde Gottes alleiniges Sprachrohr für die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, der einzig wahren Kirche. Nur er kann diesem Volk die Gedanken und den Willen des Herrn verkünden.“ Harold B. Lee sagte 1968: „Wir haben ein Sprachrohr, dem Gott seine Gedanken und seinen Willen offenbart.“ LeGrand Richards im Jahre 1975: „Es gibt auf dieser Welt keinen anderen Weg, auf dem wir die Gedanken und den Willen des Herrn so intelligent und sicher wissen können, wie durch die heiligen Propheten.“ Ezra Taft Benson gab im Juni 1981 mit dem „14 Punkten zum Folgen des Propheten“ u.a. diesen Hinweis: „Daher ist der wichtigste Prophet für Sie und mich der in unseren Tagen lebende Prophet, dem der Herr jetzt seinen Willen offenbart.“

Doch auch in der Zeit nach 1991 habe diese Aussagen ihre offizielle Gültigkeit behalten. Es sollen wieder nur ein paar Beispiele genannt werden, wie die Ansprache von Robert D. Hales auf der Frühjahrskonferenz 1995: „Es gab immer eine große Nachfrage nach der stetigen und beruhigenden Stimme eines lebenden Propheten Gottes, der die Gedanken und den Willen Gottes sprechen wird ... Ihre Aufgabe ist es, uns den Willen des Herrn in unserer Zeit zu bringen.“ Oder wie Virginia U. Jensen, die auf der Herbstkonferenz 1998 sagte: „Kommt, höret des Propheten Stimme, damit ihr den Willen Gottes wissen könnt.“

Auch aktuelle Leitfäden vermitteln uns dieses Bild, z.B. „Grundbegriffe des Evangelium“ sagt: „In dieser unsicheren Welt sind wir gesegnet mit einem Propheten, durch den uns der Herr seinen Willen offenbart.“ Oder auch „Die Heilige der Letzten Tage“ im Teil B: „Als Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage sind wir durch das Wissen gesegnet, dass es einen Propheten auf der Erde gibt, der als Präsident der Kirche dient, und dass der Herr durch diesen Propheten seine Gedanken und seinen Willen kund tut ... Es ist ein Segen ein Mitglied der wahren Kirche zu sein und zu wissen, dass unser Prophet den heutigen Willen des Herrn spricht ... Dies sind die Ratgeber des Propheten und der Rat der Zwölf. Diese Brüder empfangen ebenso Offenbarungen, bringen uns den Willen des Herrn ...“

An Hand dieser Beispiele dürfte ausreichend deutlich geworden sein, dass die HLT offiziell lehrt, dass der Prophet und Präsident der HLT-Kirche den Willen Gottes kennt.

In der Folge des Terroranschlags auf das World Trade Center in New York City hatte Gordon B. Hinckley, der als „Prophet, Seher und Offenbarer“ anerkannte Präsident der HLT-Kirche, am 14. September 2001 einen Fernsehauftritt in der Sendung „Larry King Live“. Auf die Frage, ob Gott diesen Anschlag nicht hätte verhindern können, antwortete Hinckley: „Oh, davon gehe ich aus. Er ist allmächtig. Ich kenne Gottes Willen nicht. Ich weiß nicht, wie er waltet. Seine Weisheit ist größer als meine. Er kann weiter sehen als ich ...“

Am 7. Oktober 2001 sagte Gordon B. Hinckley in seiner Rede auf der wichtigsten Versammlung der Herbst-Generalkonferenz am Sonntagvormittag: „Ich weiß nicht, was die Zukunft noch bringt.“ Er machte auch weitere Äußerungen, die dieses Nichtwissen unterstreichen.

So überraschend die Bedeutung diese Aussagen für viele auch sein mag: Damit hat sich Hinckley entsprechend seinen eigenen Aussagen und der vieler anderer HLT-Führer selbst als Nicht-Prophet gebrandmarkt.

In der Erklärung des Begriffes „Prophet“ im HLT-Bibelwörterbuch heißt es u.a.: „Er belehrte die Menschen über das Wesen Gottes und zeigt ihnen die volle Bedeutung seines Waltens in Israel in der Vergangenheit.“ Interessant ist auch eine Aussage Nephis über die Unrechtschaffenheit seiner Brüder, so dass „sie das Walten Gottes, der sie erschaffen hatte, nicht erkannten.“ (1. Nephi 2:12).

Damit ist Hinckley nun nicht mehr nur ein Prophet, der sich nicht an grundlegende Lehren seiner Kirche erinnern kann, sondern auch einer, der Gottes Willen nicht kennt und keine Ahnung von seinem Wirken hat. Es wird Zeit, dass der Begriff „Prophet“ neu definiert wird. Aber sicher gibt es bereits andere kühne und innovative Ideen, um diese Aussage Hinckleys weg zu erklären, so, wie es bisher schon viele kühne und innovative Ideen zu anderen Aussagen gegeben hat, und wir glauben, dass es noch viele kühne und innovative Ideen zum Wegerklären ganz anderer Aussagen geben wird.

Ich kenne Gottes Willen nicht. Ich weiß nicht, wie er waltet.
Ich weiß nicht, was die Zukunft noch bringt.


November 2001


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