Parley P. Pratt – Eine Stimme der Warnung (1837)

(7. deutsche Auflage, 1923)

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ertönen lassen, und die Ohren aller, die hören, zittern machen
wird wegen der Worte: „Tut Buße, denn der große Tag des
Herrn ist gekommen.“ Und wiederum wird der Herr seine Stimme
vom Himmel ertönen lassen und sagen: „hört, o ihr Völker der
Erde, hört die Worte jenes Gottes, der euch schuf: O ihr Völker
der Erde, wie oft habe ich euch versammeln wollen wie eine
Henne ihre Küchlein unter ihren Flügeln, und ihr habt nicht ge-
wollt? Wie oft habe ich euch gewarnt durch den Mund meiner
Diener, durch dienende Engel, und mit meiner eigenen Stimme,
durch Donner, Blitz, Stürme, große Hagelschauer, Hungersnot
und böse Krankheiten aller Art, mit dem lauten Schall einer
Trompete, durch Gerichte und durch die Stimme der Barmherzig-
keit, in ganzen Tag lang, durch Preis und Ehre und den Reich-
tum des ewigen Lebens; und habe euch zu einer ewigen Selig-
keit erretten wollen, und ihr habt nicht gewollt.“ „Siehe, der
Tag ist gekommen, an denen der Kelch des Zornes meiner Ent-
rüstung voll ist.“
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Kapitel 3.
Das Reich Gottes.
„Trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes.“
So heißt das Gebot, das der Heiland auf Erden den
Menschenkindern lehrte.
Da wir jetzt im allgemeinen sowohl die erfüllten wie auch
die nicht erfüllten Prophezeiungen durchgegangen haben, so wollen
wir nun weitergehen, dieses Gebot erfüllen und das Reich Gottes
suchen. Doch möchte ich vorher dem Leser noch einmal raten, mich
bei diesen Nachforschungen zu begleiten, wenn er nicht bereit ist,
für die Wahrheit alles zu opfern, sogar seinen guten Namen, ja
nötigenfalls sein Leben; denn sollte er einmal eine Einsicht von
dem Reiche Gottes bekommen, so wird er ein solches Entzücken
empfinden, daß er nicht eher zufrieden sein wird, als bis er
ein Bürger desselben ist. Doch wird es von einem jeden, jetzt
auf der Erde existierenden Religionssysteme so verschieden sein,
daß er sich wundert, wie eine bibellesende Person die Gebilde
der Menschen für das Reich Gottes halten konnte. Es gibt ge-
wisse Kräfte, Vorrechte und Segnungen in dem Reiche Gottes,
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die man in keinem andern Reiche findet und die kein anderes
Volk hat. Dadurch unterschied es sich von allen andern Reichen
und Systemen, so daß der forschende Geist, der nach dem Reiche
Gottes trachtet und einmal mit seinen Merkmalen bekannt ist,
sich niemals irren, sondern immer wissen kann, wenn er es ge-
funden hat. Ehe wir jedoch unsere Nachforschungen fortsetzen,
wollen wir uns über die Bedeutung des Ausdruckes „Reich
Gottes“ oder über den Sinn, in dem wir es brauchen, ver-
ständigen; denn einige beziehen diesen Ausdruck auf die Herrlich-
keit im Himmel und andere auf die persönlichen Genüsse ihrer
eigenen Seelen, indes andere ihn auf seine auf Erden eingesetzte
Regierung beziehen. Wenn wir nun vom Reiche Gottes sprechen,
so wünschen wir dem Leser zu erklären, daß wir damit die auf
Erden eingesetzte Regierung Gottes meinen.
Leser, wir betreten jetzt ein weites Feld, um ein Königreich
zu suchen. Doch halt, wir wollen fragen: Was ist ein Königreich?
Darauf antworte ich: Zur Bildung eines Königreiches im Himmel
oder auf Erden gehören vier Dinge, nämlich:
1. Ein König.
2.
 
Gesetzmäßig ernannte Beamte, die die Vollmacht besitzen,
alle Verordnungen und Gesetze auszuführen.
3. Ein Gesetzbuch, welches für die Regierung maßgebend ist.
4. Untertanen oder Bürger des Reiches.
Da, wo diese Dinge in ihrer gehörigen Ord-
nung und regelmäßigen Vollmacht vorhanden
sind, besteht ein Reich oder ein Staat; wo aber
eins von diesen fehlt, da löst sich das Reich auf;
es besteht also nicht mehr, bis es wieder auf dieselbe Weise ge-
bildet wird. In dieser Beziehung ist das Reich Gottes wie alle
übrigen Reiche; überall, wo wir finden, daß die Beamten von
dem Herrn Jesu gehörige Vollmacht und Eigenschaften erhalten
haben und daß seine Gebote und Gesetze rein, unverfälscht von
den Vorschriften und Verordnungen der Menschen sind, da besteht
das Reich Gottes, da ist seine Macht offenbar und seine Seg-
nungen werden genossen wie vorzeiten.

Das Reich Christi in der „Mitte der Zeiten“.
Die erste Ankündung der Geburt Christi wurde dem
Zacharias von einem Engel gegeben, der ihm einen Sohn verhieß,
welcher dem König vorangehen werde, um seinen Weg zu bereiten.
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Die nächste Offenbarung wurde Maria und endlich Joseph von
einem heiligen Engel gemacht, der die Geburt des Messias ver-
hieß, während zu gleicher Zeit der Heilige Geist dem Simon im
Tempel offenbarte, daß er nicht dem eher sterben werde, ist der den
Heiland gesehen habe. Alle diese, zusammen mit den Hirten und
den weisen Männern aus dem Morgenlande, jauchzten über die
unaussprechliche Freude und Herrlichkeit, während die Welt die
Ursache ihrer Freude nicht kannte.
Darauf schien alles in stummer Erwartung zu bleiben, bis
Johannes, jetzt ein erwachsener Mann, mit einer seltsamen und
neuen Botschaft aus der Wüste eilte und rief: „Tut Buße, denn
das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ Er taufte zur Buße
und sagte zu ihnen deutlich, daß ihr König schon unter ihnen und
im Begriffe wäre, sein Reich zu errichten. Und während er noch
taufte und predigte, kam der Messias und wurde getauft und mit
dem Geiste Gottes gesiegelt, welcher auf ihm ruhte in der Gestalt
einer Taube; und bald darauf brachte er dieselbe Botschaft wie
Johannes und sprach: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist
nahe herbeigekommen.“ Darauf wählte er zwölf Jünger und
sandte sie aus in alle Städte des jüdischen Landes mit derselben
Botschaft: „Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“; und nach
ihnen sandte er siebenzig, und darauf noch siebenzig, mit derselben
Botschaft, um alle gehörig zu warnen und für das Königreich
vorzubereiten, welches bald unter ihnen errichtet werden sollte.
Als aber diese Dinge die gewünschte Wirkung hervorgebracht
hatten, indem sie in allen, besonders in den Herzen seiner Jünger,
große Hoffnungen hervorriefen, die täglich durch die Krönung
dieser glorreichen Person über ihre Verfolger zu triumphieren
erwarteten, indes sie selbst für alle ihre Mühe und Opfer um
seinetwegen dadurch belohnt zu werden hofften, zu irgendeiner,
seiner Person nahestehenden Würde erhoben zu werden, – wie
groß muß ihre Täuschung gewesen sein, als sie sahen, daß ihr
König überantwortet und gekreuzigt wurde, nachdem ihn Juden
und Heiden verspottet, verhöhnt, verlacht und zuletzt über ihn
triumphiert hatten?
Sie würden für ihn gern in der Schlacht gestorben sein, um
ihn auf den Thron zu bringen; aber so gutwillig ohne Kampf
zu unterliegen, alle ihrer Erwartungen aufzugeben und von der
höchsten Begeisterung bis zur tiefsten Erniedrigung und Verzweif-
lung zu sinken, war mehr, als sie ertragen konnten. Voller Kum-
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mer zog sich ein jeder zu seinem Netze oder zu andern Beschäf-
tigungen zurück, in der Meinung, alles sei verloren; wahrschein-
lich hegten sie Gedanken wie diese: Ist dies das Resultat unserer
ganzen Arbeit? Haben wir deshalb alle unserer weltlichen Ge-
schäfte, unsere Freunde, unsere Häuser und Länder aufgegeben,
Verfolgungen, Hunger, Mühsale und Schande erlitten? – und
wir hofften mit Zuversicht, er würde Israel befreien; aber ach,
sie haben ihn getötet, und alles ist vorbei. Drei Jahre lang
haben wir das ganze jüdische Land voller Erwartung gemacht,
indem wir ihnen sagten, das Himmelreich sei nahe herbeigekom-
men, nun aber ist unser König tot; wie sollen wir dem Volke
in das Gesicht sehen?
Unter diesen Betrachtungen ging jeder seines Weges, alles
wurde wieder still und man hörte nicht mehr die Stimme im
jüdischen Lande rufen: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist
nahe herbeigekommen.“ Jesus schlief in den Armen des Todes;
ein großer Stein mit dem Siegel des Staates sicherte sein Grab,
während die römische Schildwache im wachsamen Schweigen
darauf sah, daß alles wohl verwahrt bliebe. Plötzlich kam aus
den Regionen der Herrlichkeit ein mächtiger Engel herab, bei
dessen Erscheinen die Soldaten wie tot zurückfuhren, während er
den Stein von der Öffnung des Grabes wälzte. Der Sohn
Gottes erwachte aus seinem Schlafe, zerbrach die Fesseln des
Todes und erschien bald darauf Maria, die er zu seinen Jüngern
sandte mit der frohen Nachricht seiner Auferstehung, und einen
Ort bestimmte, wo er sie sehen werde.
Nach seiner Erscheinung verwandelte sich ihr ganzer Kummer
in Freude, und alle ihre früheren Hoffnungen lebten wieder auf.
Sie brauchten nicht mehr länger zu rufen: „Das Himmelreich ist
nahe herbeigekommen“, sondern sie mußten zu Jerusalem ver-
weilen, bis das Reich errichtet war; und sie bereiteten sich vor,
die Türe des Reiches zu öffnen und Fremde als gesetzliche Bürger
aufzunehmen, indem sie in gewissen Gesetzen und Verordnungen
amtierten, welche die unveränderlichen Gesetze waren, unter
denen die Aufnahme stattfand und ohne die niemand Bürger
werden konnte.
Nachdem er aufgefahren zur Höhe und mit aller Macht des
Himmels und der Erde gekrönt worden, kommt er wieder zu seinen
Jüngern und gibt ihnen ihre Vollmacht, indem er ihnen sagt:
„Gehet den in alle Welt und prediget das Evangelium jeder Kreatur:
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Wer da glaubt und getaufet wird, der wird selig werden. Wer
aber nicht glaubet, der wird verdammet werden. Die Zeichen aber,
die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: In meinem
Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden,
Schlangen vertreiben, und so sie etwas Tödliches trinken, wird es
ihnen nicht schaden; auf die Kranken werden sie die Hände legen,
so wird es besser mit ihnen werden.“ (Mark. 16, 15–18.)
Ich wünsche nun, daß der Leser über diesen Auftrag nicht
eher weggeht, als bis er ihn verstanden hat, weil, wenn einmal
verstanden, er sich nicht mehr im Reiche Gottes irren, sondern
sogleich jene Merkmale entdecken kann, welche es immer von
allen andern Reichen oder religiösen Systemen auf Erden unter-
scheiden sollten; und damit wir nicht mißverstanden werden, so
wollen wir ihn erläutern und jeden Teil sorgfältig in seinem
passenden Lichte betrachten; erstens: Sie sollten das Evangelium
oder, mit andern Worten, die frohe Botschaft eines gekreuzigten
und auferstandenen Heilandes in aller Welt predigen; zweitens:
Wer da glaubte und getauft würde, sollte selig werden; drittens:
Wer ihren Worten nicht glaubte, würde verdammt werden;
viertens: Folgende Zeichen sollten den Gläubigen folgen, erstens
würden sie Teufel austreiben; zweitens mit neuen Zungen reden;
drittens Schlangen vertreiben; viertens, so sie etwas Tödliches
tränken, würde es ihnen nicht schaden; fünftens, auf die Kranken
sollten sie die Hände legen und es würde besser mit ihnen werden.
Es ist nun eine absichtliche Blindheit oder Unwissenheit in
der Sprache, die immer hier jenes Mißverständnis verursacht hat.
Denn einige sagen uns, daß jene Zeichen nur den Aposteln oder
den zu ihrer Zeit lebenden Gläubigen folgen sollten. Doch Christus
stellt das Predigen, den Glauben, die Seligkeit und die Zeichen,
die folgen sollten, alles auf einen gleichen Fuß; wo das eine
beschränkt war, muß es auch das andere sein; wo das eine auf-
hörte, hörte auch das andere auf. Wenn die Sprache diese Zeichen
auf die Apostel beschränkt, so beschränkt sie auch Glauben und
Seligkeit auf sie. Wenn allen andern diese Zeichen nicht folgen
würden, so würden auch alle andern weder glauben noch selig
werden. Wenn ferner die Sprache diese Zeichen auf die ersten
Zeiten des Christentums beschränkt, alsdann beschränkt sie auch
die Seligkeit auf die ersten Zeiten des Christentums; denn das
eine wird ebensosehr beschränkt wie das andere; und wo das eine
in Kraft ist, ist es das andere auch; und wo das eine aufhört,
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muß es das andere auch. Ebensogut könnten wir sagen: das
Predigen des Evangeliums ist nicht mehr länger nötig; auch
brauchen wir weder Glauben noch Seligkeit; dies wurde nur zuerst
gegeben, um das Evangelium einzusetzen; das heißt, die Zeichen
sind länger nicht mehr nötig, sie wurden nur zuerst gegeben, um
das Evangelium einzusetzen. Aber, sagt der erstaunte Leser, haben
nicht diese Zeichen unter den Menschen aufgehört? Ich erwidere:
„Beweise mir, daß sie aufgehört haben, und es wird ein Beweis
sein, daß das Evangelium nicht mehr gepredigt wird, und daß die
Menschen nicht mehr glauben und selig werden, und daß die Welt
ohne das Reich Gottes ist; oder es wird dadurch bewiesen, daß
Jesus Christus ein Betrüger war und seine Verheißungen nicht
erfüllt wurden.“
Nachdem wir nun diesen Auftrag erläutert und verstanden
haben, wollen wir die Organisation des Reiches Gottes in den
Tagen der Apostel weiter verfolgen. Nachdem ihnen der Heiland
ihre Vollmacht gegeben, befiehlt er ihnen zu warten und nicht
eher auf Missionen zu gehen, als bis sie von oben die Kraft dazu
erhalten haben werden. Warum jedoch dieses Warten? Weil kein
Mensch jemals geeignet war oder jemals sein wird, jenes Evan-
gelium zu predigen, wenn er nicht den Heiligen Geist empfangen
hat; und dieser Heilige Geist ist sehr verschieden von dem, den
die Menschen jetzt haben, die ohne göttliche Eingebung sind; denn
der Heilige Geist, von dem Jesus sprach, sollte zu aller Wahrheit
führen, auch alles das erinnern, was er ihnen gesagt hatte,
und ihnen die zukünftigen Dinge zeigen – abgesehen davon, daß
er sie befähigen würde, alle Sprachen der Erde zu sprechen. Es
hat also jeder Prediger den Heiligen Geist sehr nötig; erstens, um
zu aller Wahrheit zu kommen, damit er wisse, was zu lehren;
zweitens, um sein Gedächtnis zu stärken, damit er nicht vergesse,
die Dinge zu lehren, die ihm befohlen waren; und drittens muß er
die zukünftigen Dinge wissen, um seine Zuhörer vor der nahenden
Gefahr zu warnen, und dieses würde ihn als Prophet erweisen.
Aus diesem wird der Leser ersehen, welche Sorge Jesus trug,
daß niemand predigen sollte, ohne den Heiligen Geist empfangen
zu haben. Er wird auch sehen, wie verschieden der Geist der Wahr-
heit von den Geistern ist, die jetzt auf Erden sind und die Welt
unter dem Namen des Heiligen Geistes verführen. Wenn die
jetzigen Kirchen den Heiligen Geist haben, warum
können sie dann nicht die Wahrheit verstehen?
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Warum gehen sie so verschiedene Wege und haben
so viele voneinander abweichende Lehren? Warum
brauchen Sie ganze Bibliotheken von Predigten
Traktaten, Streitschriften, Beweisen und Mei-
nungen, die alle von der Weisheit der Menschen
geschrieben sind, und die nicht einmal beanspruchen,
göttliche Eingebung zu haben?
Deshalb klagt der
Herr und spricht: „Ihre Furcht vor mir wird ihnen von den Vor-
schriften der Menschen gelehrt.“ Aber, um wieder zurückzukommen,
die Apostel verweilten in Jerusalem, bis sie die Kraft empfangen
hatten, und dann fingen sie an, das Evangelium zu verkünden.
Nun haben wir verschiedenes in betreff eines Königreiches
entdeckt; erstens: Wir haben einen König gefunden, gekrönt zur
rechten Hand Gottes, dem alle Macht im Himmel und auf Erden
gegeben ist; zweitens: Beauftragte, gesetzmäßig ernannte Beamte,
und die Regierungsangelegenheiten zu leiten; drittens: Die Ge-
setze, nach welchen sie regiert werden sollten. Dies war alles,
was Jesus seinen Jüngern befohlen hatte, den
Menschen zu lehren
.
Und wenn wir nun gefunden haben, wie die Menschen
Bürger jenes Königreichs wurden, ich meine nach den Vorschriften
der Aufnahme, dann haben wir das Reich Gottes in jener Zeit
gefunden, und wir werden sehr unzufrieden sein mit allem in
unserer Zeit, was das Reich Gottes zu sein vorgibt, das aber
nicht nach diesem Vorbilde ist.

Wie wird man Bürger des Reiches Gottes?
Zufällig gab es in jenem Reiche keine geborenen Untertanen,
denn sowohl Juden als auch Heiden waren in Sünden und Un-
glauben; und niemand konnte Bürger werden, ohne dem Gesetze
der Aufnahme nachgekommen zu sein, und alle, die an den Namen
des Königs glaubten, hatten die Macht, aufgenommen zu werden;
es gab jedoch nur eine unveränderliche Vorschrift oder nur
einen Plan, nach welchem sie aufgenommen wurden, und alle,
die das Bürgerrecht auf irgendeine andere Weise erlangen wollten,
wurden für Diebe und Räuber gehalten und konnte niemals das
Siegel der Aufnahme erhalten. Diese Vorschrift war auch in der
Leere, die der Heiland im Nikodemus gab: „Es sei denn, daß
jemand geboren werde aus dem Wasser (das heißt getauft werde
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in dem Wasser) und Geiste (das heißt getauft werde mit dem
Geiste), so kann er nicht in das Reich kommen.“ Petrus er-
hielt die Schlüssel des Himmelreichs; daher war es seine Pflicht,
das Reich den Juden und auch den Heiden zu öffnen. Wir wollen
deshalb sorgfältig untersuchen, auf welche Weise er die Juden
am Pfingstfeste in das Reich aufnahm.
Als nun die Menge am Pfingstfeste zusammenkam, da trat
Petrus auf mit den Elfen, erhob seine Stimme und sprach mit
ihnen über die Schrift, gab Zeugnis von Jesu Christo, seine Auf-
erstehung und Himmelfahrt, so daß viele von der Wahrheit über-
zeugt wurden und fragten, was sie tun sollten. Diese waren nicht
Christen, sondern es waren Leute, die in jenem Augenblick die
Überzeugung erlangt hatten, daß Jesus der Christus war; und
weil sie von dieser Tatsache überzeugt waren, so fragten sie: „Was
sollen wir tun?“ Petrus sprach zu ihnen: „Tut Buße und
lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu
Christi zur Vergebung der Sünden, so werdet ihr
empfangen die Gabe des Heiligen Geistes
. Denn
euer und eurer Kinder ist die Verheißung, und aller, die ferne sind,
welche Gott, unser Herr, herzurufen wird.“ (Apost. 2:38–39.)
Lieber Leser, verstehst du diese Botschaft? Wenn es der Fall
ist, so wirst du sehen, daß dieses Evangelium in unserer Zeit
gewöhnlich nicht gepredigt wird. Wir wollen es daher Wort für
Wort durchgehen und untersuchen. Wie du weißt, glaubten sie
schon, und das nächste für sie war, Buße zu tun; zuerst: Glauben;
zweitens: Buße; drittens: Taufe; viertens: Vergebung der Sün-
den; und fünftens: der Heilige Geist. So war die Ordnung des
Evangeliums. Der Glaube gab die Macht, Kinder oder Bürger
zu werden; Buße und Taufe in seinem Namen war der Gehorsam,
durch den sie aufgenommen wurden; der Heilige Geist der Ver-
heißung war das Siegel ihrer Aufnahme, und sie empfingen ihn
gewiß, wenn sie gehorchten? Nun, Leser, wo hörst du dies heut-
zutage predigen? Wer lehrt, daß die, welche glauben und Buße
tun, getauft werden sollen und keine andern? Vielleicht wird der
Leser sagen, die Baptisten lehren es; fordern Sie jedoch die Menschen
auf, sich taufen zu lassen, sobald als sie glauben und Buße tun?
Und noch mehr, versprechen sie die Vergebung der Sünden mit
der Gabe des Heiligen Geistes? Bedenke nun, welche Wirkung
der Heilige Geist auf Leute hat, die ihn empfangen. Er wird sie
zu aller Wahrheit führen, das Gedächtnis stärken und ihnen zu-
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künftige Dinge zeigen. Und Joel hat gesagt, daß sie durch den
Heiligen Geist Träume und Gesichte haben und prophezeien
werden. O, lieber Leser, wo findest du, daß dieses Evangelium
unter den Menschen gepredigt wird? Würden die Menschen
wochenlang trauern, ohne die Vergebung der Sünden oder den
Trost des Heiligen Geistes, wenn Petrus unter uns wäre und
uns genau sagte, wie wir solche Segnungen bekommen könnten?
Was würdest du sagen, wenn auf freiem Felde eine Ver-
sammlung von dreitausend Menschen stattfände, die deshalb zusam-
menkamen, um für sich beten zu lassen, und einer von den Geist-
lichen (wie Petrus) ihnen allen befehlen würde, Buße zu tun und
sich taufen zu lassen zur Vergebung der Sünden, indem er den Ge-
horsamen die Vergebung der Sünden und die Gaben des Heiligen
Geistes verhieß, und sie durch denselben Träume haben und pro-
phezeien würden; und dann mit seinen Brüdern desselben Amtes
aufstehen und zu derselben Stunde anfangen würden zu taufen
und so fortfahren, bis sie alle getauft wären; und der Heilige Geist
auf sie kommen und sie anfangen würden, Gesichte zu sehen, mit
andern Zungen zu reden und zu prophezeien? Würde nicht weit
und breit die Nachricht verbreitet werden, daß eine neue Lehre ge-
kommen sein, ganz verschieden von allem, was jetzt unter den Menschen
besteht? O ja, sagt der Leser, dies würde sicherlich für uns etwas
ganz Neues und Unbekanntes sein. Wohlan, so unbekannt es auch
zu sein scheint, es ist das Evangelium, welches Petrus am Pfingst-
feste predigte; und es heißt auch: „Wenn wir oder ein Engel vom
Himmel ein anderes Evangelium predigen, dies seien verflucht.“ Der
Leser braucht sich jetzt nicht länger zu wundern, wenn er sieht, daß
diese Zeichen denen nicht folgen, die an ein anderes Evangelium oder
an eine andere Lehre glauben, als die von den Aposteln gepredigte.
Wir wollen jedoch zum Reiche Gottes zurückkehren, das in
den Tagen der Apostel gegründet wurde. Wir finden, daß drei-
tausend Personen am ersten Tage, an welchem die Türe geöffnet
wurde, in das Reich aufgenommen wurden. Diese, nebst den
vielen, welche später hinzukamen, wurden die Untertanen dieses
Reiches, welches, da es vollkommen organisiert war, dem Herrn ein
heiliger Tempel wurde. So haben wir den Schutt der sektierischen
Überlieferungen und des Aberglaubens, der sich um uns auf-
häufte, weggeräumt; und da wir sorgfältig gesucht, so haben wir
zuletzt das Reich Gottes gefunden, so wie es mit seiner ersten
Gründung in den Tagen der Apostel bestand; und wir haben
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gesehen, daß es sich sehr von allen andern neuern Religions-
systemen, sowohl in seinen Ämtern, Verordnungen, in seiner
Macht, als auch in seinen Vorrechten unterscheidet, so daß niemand
das eine mit dem andern verwechseln kann.
Nachdem wir diese Entdeckung gemacht haben, so wollen wir
weiter das Wachstum jenes Königreichs unter den Juden und
Heiden untersuchen und sehen, welches seine Früchte, Gaben und
Segnungen waren, die seine Bürger genossen. Bald nach der
Gründung des Reiches Gottes zu Jerusalem kam Philippus nach
Samarien und predigte das Evangelium; und als sie Philippus
glaubten, so wurden sowohl Männer als auch Frauen getauft und
hatten große Freude. Und nachher kamen Petrus und Johannes
von Jerusalem, beteten, legten ihre Hände auf sie, und sie emp-
fingen den Heiligen Geist. Merkt wohl, zuerst glaubten sie und
dann wurden sie getauft, indem sie große Freude empfanden und
doch noch nicht den Heiligen Geist empfangen hatten. Aber dieser
wurden später durch das Auflegen der Hände und durch Gebet im
Namen Jesu gegeben. O, wie verschieden ist dies von den Systemen
der Menschen!
Denket daran, was dem Paulus auf seiner Reise nach Damas-
kus geschah: Der Herr Jesus erschien ihm auf dem Wege, jedoch
anstatt ihm zu sagen, seinen Sünden wären vergeben, und den
Heiligen Geist auf ihn auszugießen, sandte er ihn nach Damaskus
mit den Worten, daß er dort erfahren würde, was er tun sollte.
Und als er nach Damaskus kam, befahl ihm Ananias, nicht zu
verweilen, sondern den Namen des Herrn anzurufen, sich auf-
zumachen und taufen zu lassen; dann stand er auf und wurde
getauft und mit dem Heiligen Geist erfüllt – und predigte so-
gleich, daß Jesus der Christus sei.
Wiederum sieh, wie Petrus zu Kornelius ging, einem Heiden
von großer Frömmigkeit, dessen Gebete erhört und dessen Almosen
gedacht wurden, und dem sogar Engel gedient hatten; doch mit
seiner Frömmigkeit und dem Heiligen Geiste, der auf ihn und
seine Freunde ausgegossen war, ehe er getauft wurde, mußten sie
doch getauft werden, oder sie konnten nicht selig werden. Warum?
Weil der Herr den Aposteln befohlen hatte, aller Kreatur zu pre-
digen, und jede Kreatur, die nicht glauben und sich taufen lassen
wollte, sollte ohne Ausnahme verdammt werden. Denke an die
Worte, die der Engel zu Kornelius sprach: „Er (Petrus) wird
dir Worte sagen, durch welche du und dein ganzes Haus selig
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werden wirst.“ Nun entsteht die Frage, konnte Kornelius selig
werden, ohne den Worten Petri zu gehorchen? Wenn dies der
Fall ist, dann war der Auftrag des Engels umsonst.
Wenn nun ein Prediger einen Menschen finden sollte, der
ebenso gut wäre wie Kornelius, so würde er vielleicht zu ihm
sagen: „Gehe vorwärts, Bruder, du kannst selig werden, du hast
Religion geübt, du kannst dich ja taufen lassen, um dein gutes Ge-
wissen zu befriedigen, wenn du es für deine Pflicht hältst; oder,
wenn es nicht der Fall ist, so hat es auch nichts zu bedeuten, ein
neues Herz ist alles, was wirklich für die Seligkeit notwendig ist.
Das heißt, die Gebote Jesu sind nicht durchaus nötig zur Selig-
keit; es kann ihn jemand anrufen, Herr, Herr und ebensogut
selig werden, als wenn er seine Gebote hielte.“ O, nichtige und
törichte Lehre! – O, ihr Menschenkinder, wie habt ihr das
Evangelium verkehrt! Vergebens ruft ihr ihn an mit Herr, Herr,
und gehorchet nicht seinen Geboten.
Weiter erinnern wir an den Kerkermeister und alle, die bei
ihm waren, welche zu derselben Stunde, in welcher sie glaubten,
getauft wurden und nicht erst den andern Tag abwarteten. Auch
an Lydia und alle, die mit ihr waren, die das Gebot der ersten
Predigt befolgten, die sie über diesen Gegenstand hörten. Auch
an Philippus und an den Kämmerer, die den Wagen bei dem
ersten Wasser halten ließen, zu dem sie kamen, um sich taufen zu
lassen, obgleich er vor wenigen Minuten zum ersten Male von Jesu
gehört hatte. Ich entnehme nun aus allen diesen Beispielen alter
Zeiten und aus den darin enthaltenen Lehren, daß die Taufe das
erste Gebot war, durch welches alle, welche glaubten und Buße
taten, in die Kirche oder das Reich Gottes aufgenommen wurden,
so daß sie ein Recht hatten, Vergebung der Sünden und die Seg-
nungen des Heiligen Geistes zu erhalten; es war in der Tat das
Gebot, durch welches sie Söhne und Töchter wurden; und weil
sie Kinder waren, goß der Herr den Geist seines Sohnes in ihre
Herzen, rufend Abba, Vater. Zwar goß der Herr den Heiligen
Geist auf Kornelius und seine Freunde, ehe sie getauft wurden;
jedoch schien es nötig, um die gläubigen Juden zu überzeugen,
daß die Heiden auch an dieser Seligkeit teilhatten. Und ich
glaube, daß dies das einzige Beispiel in der ganzen Urkunde ist,
wo das Volk den Heiligen Geist empfing, ohne den Gesetzen der
Aufnahme zu gehorchen. Doch höre! Wenn auch jemand den
Gesetzen der Aufnahme gehorcht, so wird er doch nicht ein Erbe
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des Königreiches oder ein Bürger werden, der Ansprüche auf die
Segnungen und Gaben des Geistes hat, insofern diese Gesetze
und Gebote nicht von einem vollzogen werden, der die gehörige
Vollmacht und den Auftrag von dem Könige hatte, und die Voll-
macht, die einer Person gegeben war, konnte niemals eine andere
bevollmächtigen, an seiner Statt zu handeln. Dies ist einer der
wichtigsten Punkte, der wohl verstanden werden muß, da er für
jeden Prediger der Christenheit ein Prüfstein ist und die Voll-
macht jeder auf Erden existierenden und gewesenen Kirche, seitdem
göttliche Verbindung aufhörte, in Frage stellt.

Vollmacht zum Amt.
Um diesen Gegenstand deutlich zu machen, wollen wir die
Verfassung irdischer Regierungen in bezug auf die Vollmacht
und Gesetze der Aufnahme untersuchen. Wir wollen z. B. sagen,
der Präsident der Vereinigten Staaten gibt A. B. einen Auftrag
versieht ihn mit gehöriger Vollmacht, ein gewisses Amt in der
Regierung zu bekleiden. Während seiner Amtszeit kommen zwei
Herren aus Europa, um in diesem Lande sich ansässig zu machen,
und da sie Fremde sind und den Wunsch hegen, Bürger zu
werden, begeben Sie sich zu A. B., der ihnen in gehöriger Form
den Bürgereid abnimmt und denselben bescheinigt. Dadurch wer-
den sie gesetzmäßige Bürger und haben ganz gleiche Rechte mit
in geborenen Bürgern oder Untertanen. Darauf stirbt A. B.,
und C. D., der seine Papiere durchsucht, findet zufällig die Voll-
macht des A. B. und wendet dieselbe zu seinem Besten an, indem
er die leere Stelle einnimmt; unterdessen kommen zwei Fremde,
die Bürger werden wollen, und da sie von Leuten, die die Re-
gierungs-Angelegenheiten nicht kennen, gehört haben, daß C. D. in
den Gesetzen der Aufnahme amtieren könne, schwören sie ihm den
Eid, ohne erst seine Vollmacht zu prüfen; C. D. bescheinigt ihr
Bürgerrecht, und sie glauben, nun ebenso gesetzmäßig wie die
andern aufgenommen zu sein und alle Vorrechte der Bürger ge-
nießen zu können. Doch allmählich wird ihr Bürgerrecht angefoch-
ten, und sie zeigen die Bescheinigung des C. D. Der Präsident
fragt: „Wer ist C. D.? Ich gab ihm niemals den Auftrag, irgend-
ein Amt zu bekleiden, ich kenne ihn nicht und Sie gehören nicht zum
Staate und sind Fremde, bis Sie zu einem gesetzmäßig ernannten
Nachfolger des A. B. oder zu irgendeinem andern mit gleicher
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Vollmacht versehenen Beamten gehen, der die Autorität vom Prä-
sidenten hat, und zwar unmittelbar auf seinen eigenen Namen.“
Mittlerweile wird C. D. verhaftet und nach den Gesetzen bestraft,
weil er Betrug verübt und sich unrechtmäßig ein Amt angemaßt
hat, das ihm niemals übertragen worden war.
Genau so verhält es sich mit dem Reiche Gottes. Der Herr
bevollmächtigte die Apostel und andere durch unmittelbare Offen-
barungen und durch den Geist der Prophezeiung, zu predigen und
zu taufen, und seine Kirche und sein Reich aufzubauen; doch nach
einer Weile starben sie und eine lange Zeit verging, und die
Männer, die ihre Berufung durchlasen, worin zu den elf Aposteln
gesagt wird: „Gehet in alle Welt und predigt das Evangelium
aller Kreatur“, haben in ihrer Vermessenheit diese Worte als
ihre Autorität betrachtet, und ohne irgendeine andere Vollmacht
sind sie aufgetreten, um das Evangelium zu predigen, zu taufen
und die Kirche und das Reich Gottes aufzubauen; doch die, welche
sich so taufen lassen, empfangen niemals dieselben Segnungen
und Gaben, die einen Heiligen oder Bürger des Königreiches
zu den Zeiten der Apostel auszeichneten. Warum? Weil sie noch
Fremde sind, denn die den Aposteln gegebene Autorität bevoll-
mächtigte keine andere Persönlichkeit, in ihrer Stelle zu amtieren.
Dieses ist ein Vorrecht, das sich der Herr allein vorbehält. Nie-
mand hat ein Recht, dieses Amt zu übernehmen, es sei denn, daß er
durch Offenbarung dazu berufen, befähigt und durch den Heiligen
Geist inspiriert sei, seinem Berufe vorzustehen.

Andersgläubige Prediger und Pastoren ohne Vollmacht.
Doch erstaunt fragt der Leser: „Wie! ist keiner von allen
den jetzigen Predigern zum Amte berufen und gesetzmäßig beauf-
tragt?“ Wohlan, lieber Leser, ich werde dir sagen, wie du dies
aus ihrem eigenen Munde erfahren kannst, und das wird weit
besser sein als eine Antwort von mir; erkundige dich bei den
Geistlichen, ob Gott seit der Vollendung des Neuen Testaments
direkte Offenbarung gegeben hat, frage sie, ob die Gabe der
Prophezeiung mit den früheren Zeiten der Kirche aufhörte, kurz,
ob Offenbarungen, Propheten, dienende Engel usw. noch jetzt
nötig oder zu erwarten seien, oder ob sie glauben, diese Dinge
seinen von der Erde verschwunden, um nie wieder hergestellt zu
werden. Du wirst die Antwort erhalten, daß die Bibel genug
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enthält und daß, seitdem die Heilige Schrift vollendet ist, Offen-
barungen, der Geist der Prophezeiungen und dienende Engel
aufgehört haben, weil sie nicht mehr notwendig sind. Kurz,
sie werden jeden für einen Betrüger erklären, der so etwas be-
hauptet.
Und wann du diese Antwort erhalten hast, so frage sie, wie
sie selbst berufen und beauftragt wurden, das Evangelium zu
predigen, und sie werden nicht imstande sein, dir zu antworten,
und zuletzt erwidern, daß die Bibel sie durch die Worte: „Gehet
hin in alle Welt“ usw., beauftrage. Du siehst, daß alle, welche
nicht direkte Offenbarung vom König des Himmels empfingen, sei
es durch Engel, der Stimme Gottes, den Geist der Prophezeiung,
mit angemaßter Vollmacht amtieren, die einst von verstorbenen
Männern entwendet und ermächtigt wurde; darum wird der
König sagen: „Petrus kenne ich und Paulus kenne ich, ich beauf-
tragte sie, wer aber seid ihr? Ich kenne euch nicht, ich redete nie
in meinem Leben zu euch; in Wirklichkeit habt ihr meine Stimme
in euren Tagen verleugnet. Daher habt ihr nie im Glauben
nach Offenbarung getrachtet und ich gab sie euch nicht, und wenn
ich zu den andern sprach, so verspottetet ihr sie und nanntet sie
Betrüger und verfolgtet sie, weil sie Dinge bezeugten, die ich zu
ihnen geredet hatte. Deshalb gehet hin von mir, ihr Verfluchten,
in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen
Engeln: Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht ge-
speiset. Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich nicht beher-
bergt. Ich bin nackend gewesen, und ihr habt mich nicht bekleidet.
Ich bin krank und gefangen gewesen, und ihr habt mich nicht
besuchet.“ Ach, Herr, wann haben wir nicht diese Dinge getan?
„Was ihr nicht getan habt einem unter diesen Geringsten (indem
ihr sie für Betrüger hieltet, weil sie von den Dingen zeugten,
die ich ihnen geoffenbaret hatte), das habt ihr mir auch nicht
getan.“ Doch wieder zur Sache; nachdem wir das Reich Gottes
in bezug auf seine Ämter und Gebote untersucht und das einzige
Mittel entdeckt haben, durch welches man hineinkommen kann,
so wollen wir noch genauer untersuchen, welches seine Segnungen,
Vorrechte und Genüsse sind. Wie schon bemerkt, sollten sie Teufel
austreiben, mit neuen Zungen reden, Kranke durch das Auflegen
der Hände im Namen Jesu gesund machen, Gesichte sehen, Träume
haben, prophezeien usw.
–   62   –

Gaben und Ämter des Reiches.
Wir wollen jedoch das Reich in seinem organisierten Zu-
stande betrachten und sehen, ob diese Verheißungen an den
Juden und Heiden, wo auch immer das Reich Gottes bestand, in
Erfüllung gingen. Paulus schreibt zuerst der Gemeinde Gottes zu
Korinth, zweitens „den Geheiligten in Christo Jesu“, drittens
„den berufenen Heiligen“, viertens, „die den Namen unseres
Herrn Jesu Christo anrufen“, und sagt ihnen allen im 1. Korinther
12, 1: „Von den geistlichen Gaben aber will ich euch, lieben
Brüder, nicht verhalten.“ Und dann fährt er einige Verse weiter
mit seinen Lehren also fort: „In einem jeglichen erzeigen sich
die Gaben des Geistes zum gemeinen Nutzen. Einen wird
gegeben durch den Geist zu reden von der Weisheit; dem
andern wird gegeben zu reden von der Erkenntnis, nach dem-
selben Geiste; einem andern der Glaube, in demselbigen Geiste;
einem andern die Gabe, gesund zu machen, in demselbigen Geiste;
einem andern Wunder zu tun; einem andern Weissagung; einem
andern Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Sprachen;
einem andern die Sprachen auszulegen. Dies aber alles wirkt
derselbige einige Geist und teilt einem jeglichen seines zu, nachdem
er (Christus) will. Denn gleichwie ein Leib ist und hat doch
viele Glieder; aller Glieder aber eines Leibes, wiewohl ihrer
viele sind, sind sie doch ein Leib, also auch Christus. Denn wir
sind durch einen Geist alle zu einem Leibe getauft, wir seien
Juden oder Griechen, Knechte oder Freie, und sind alle zu einem
Geiste getränket. Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern
viele. So aber der Fuß spräche: „Ich in keine Hand, darum
bin ich des Leibes Glied nicht.“ Sollte er um deswillen nicht
des Leibes Glied sein? Und so das Ohr spräche: „Ich bin kein
Auge, darum bin ich nicht des Leibes Glied.“ Sollte es um
deswillen nicht des Leibes Glied sein? Wenn der ganze Leib
Auge wäre, wo bliebe das Gehör? So er ganz Gehör wäre,
wo bliebe der Geruch? Nun aber hat Gott die Glieder gesetzt,
ein jegliches sonderlich am Leibe, wie er gewollt hat. So aber
alle Glieder ein Glied wären, wo bliebe der Leib? Ich erwidere,
es würde gar keinen geben. „Nun aber sind der Glieder viele,
aber der Leib ist einer. Es kann das Auge nicht sagen zu der
Hand: Ich bedarf deiner nicht; oder wiederum das Haupt zu den
Füßen: Ich bedarf euer nicht. Sondern vielmehr die Glieder
–   63   –

des Leibes, die uns dünken die schwächtsten zu sein, sind die
nötigsten; und die uns dünken am wenigsten ehrbar zu sein, den-
selbigen legen wir am meisten Ehre an; und die uns übel anstehen,
die schmückt man am meisten; denn die uns wohl anstehen, die
bedürfen es nicht. Aber Gott hat den Leib also vermenget und
im dürftigen Gliede am meisten Ehre gegeben, auf daß nicht
eine Spaltung im Leibe sei, sondern die Glieder füreinander
gleich sorgen. Und so ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit,
und so ein Glied wird herrlich gehalten, so freuen sich alle Glieder
mit. Ihr seid aber der Leib Christi und Glieder ein jeglicher nach
seinem Teile.
Und Gott hat gesetzt in der Gemeinde aufs erste die Apostel,
aufs andere die Propheten, aufs dritte die Lehrer, darnach die
Wundertäter, darnach die Gaben, gesund zu machen, Helfer, Re-
gierer, mancherlei Sprachen. Sind sie alle Apostel? Sind sie
alle Propheten? Sind sie alle Lehrer? Sind sie alle Wunder-
täter? Haben Sie alle Gaben, gesund zu machen? Reden sie alle
mit mancherlei Sprachen? Können sie alle auslegen? Strebt aber
nach den besten Gaben. Und ich will euch noch einen köstlicheren
Weg zeigen.“
Aus dem 13. Verse des obigen Kapitels ersehen wir, daß
der Apostel noch zur ganzen Kirche aller Zeiten spricht, sie seien
Juden oder Heiden, Knechte oder Freie, sogar zu allen, die je den
Leib Christi ausmachen sollten, und indem er zeigt, daß Christi
Leib aus vielen Gliedern bestand, die durch einen Geist zu einem
Leibe getauft wurden, die alle diese verschiedenen Gaben besaßen;
das eine diese und jenes eine andere, sagt er ausdrücklich, daß ein
Glied mit einer Gabe nicht zum Nebenglied mit einer andern
Gabe sagen kann, wir bedürfen deiner nicht.
Nachdem gezeigt worden ist, daß Apostel, Propheten, Evan-
gelisten, Priester und Lehrer, ferner die Gaben zu prophezeien,
Wunder zu tun, gesund zu machen und alle übrigen Gaben erfor-
derlich sind, um zu irgendeiner Zeit die Kirche oder den Leib
Christi zu bilden, es seien Juden oder Heiden, Knechte oder Freie;
und nachdem er allen Gliedern gänzlich verboten hat, von irgend-
einer von diesen Gaben zu sagen, wir bedürfen deiner nicht, so
erklärt er, daß der Leib niemals vollkommen sein könnte, wenn
nicht alle Glieder denselben bilden, und daß, wenn sie weggetan
sind, kein Leib, das heißt keine Kirche Christi, bestehen würde.
Nachdem er alles dieses deutlich bewiesen, so ermahnt er sie, nach
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den besten Gaben zu streben. Im 13. Kapitel ermahnt er sie zum
Glauben, zur Hoffnung und Liebe, ohne welche alle diese Gaben
nichts sein würden; und dem 14. Kapitel wiederholt er die Er-
mahnung: „Strebet nach der Liebe. Fleißiget euch der geistigen
Gaben, am meisten aber, daß ihr weissagen möget.“
Ferner in den Ephesern 1, 17 bittet Paulus, daß der Herr der
Kirche gebe den Geist der Weisheit und der Offen-
barung zu Gottes selbst Erkenntnis
. Ferner:
Epheser 4 sagt der ihnen: „Es ist ein Leib und ein Geist, ein Herr,
ein Glaube und eine Taufe; und Christus ist aufgefahren zur
Höhe und hat das Gefängnis gefangen geführt und hat den
Menschen Gaben gegeben. Und er hat etliche zu Aposteln gesetzt,
etliche aber zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten
und Lehrern.“ Und wenn der Leser fragt, warum diese Gaben
und Ämter bestanden, so kann er den 12. Vers lesen: „Daß die
Heiligen zugerichtet werden zum Werke des Amts, dadurch der
Leib Christi erbaut werde.“ Wenn wir fragen, wie lange diese
bestehen sollten, so sagt der 13. Vers: „Bis daß wir alle hinan-
kommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes
und ein vollkommener Mann werden, der da sei in dem Maße
des vollkommenen Alters Christi.“ Fragen wir noch, welche
weitere Absicht Christus hatte, als er uns diese Gaben verlieh,
so wollen wir den 14. Vers lesen, worin es heißt: „Auf daß
wir nicht mehr Kinder seien und uns wägen und wiegen lassen
von allerlei Wind der Lehre, durch Schalkheit der Menschen und
Täuscherei, damit sie uns erchleichen und verführen.“
Ohne diese Gaben und Ämter können erstens die Heiligen
nicht vollkommen werden; zweitens das Werk des Amtes kann
keinen Fortgang haben; drittens kann der Leib Christi nicht erbaut
werden; und viertens werden sie sich von allerlei Wind der Lehre
wiegen lassen. Ich erkläre nun frei, daß die Ursache aller Spal-
tungen, Verwirrungen, Mißhelligkeiten und Feindseligkeiten und
der ergiebigen Quelle so vieler Glaubensmeinungen, Herren,
Taufen und Geister und des verdunkelten Verstandes und der
Grund, weshalb sie von den Wegen Gottes durch die innewohnende
Unwissenheit, wegen der Blindheit ihres Herzens, abgewichen sind,
die ist, daß sie weder inspirierte Apostel, Propheten noch Gaben
von oben haben; denn würden sie solche Gaben besitzen und
dieselben beachten, so würden sie zu einem Leib in der wahren
Lehre Christi aufgebaut sein und einen Herrn, einen Glauben,
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eine Taufe und eine Hoffnung ihres Berufes haben; ja, sie
würden erbaut sein zu Christum in allen Dingen, in welchen der
ganze Leib passend zusammengefügt, ein heiliger Tempel Gottes
werden würde.
Doch solange die Schalkheit der Menschen sie überreden kann,
daß sie dieser Dinge nicht bedürfen, so lange können sie sie wiegen
mit jedem Wind der Lehre, gerade wie es ihnen gefällt.
Nun, Leser, bin ich mit der Untersuchung des Reiches Gottes,
wie es in den Tagen der Apostel bestand, fertig; und wir finden
es in keiner andern Zeit, bis es wieder in den letzten Tagen
erneuert wurde, denn es bestand niemals, noch wird es jemals
bestehen ohne Apostel und Propheten und alle die andern Gaben
des Geistes.
Würden wir die Kirchen seit den Tagen, wo jene göttlichen
Eingebungen aufhörten, bis jetzt durchgehen, so würden wir nichts
von den Königreiche sehen, das wir mit so vieler Verwunderung
und Freude betrachtet haben. Sondern statt der Apostel und
Propheten würden wir falsche Lehrer sehen, welche die Menschen
sich aufgeladen haben, und anstatt der Gaben des Geistes würden
wir die Weisheit der Menschen sehen; anstatt des Heiligen Geistes,
viele falsche Geister; anstatt der Gebote Gottes, Verordnungen
der Menschen; anstatt der Erkenntnis, Meinungen; Vermutungen,
anstatt Offenbarungen; Zwiespalt, anstatt Einigkeit; Zweifel,
anstatt Glauben; Verzweiflung, statt Hoffnung; Haß, statt Liebe;
einen Arzt, anstatt daß Hände aufgelegt werden sollten, um die
Kranken gesund zu machen; Fabeln, anstatt der Wahrheit; Böses
für Gutes, Gutes für Böses; Dunkelheit für Licht, Licht für
Dunkelheit; mit einem Worte, einen Antichristen anstatt Christus;
die Mächte der Erde, wie sie mit den Heiligen kriegen und sie
überwältigen, bis die Worte Gottes erfüllt sein würden. O, mein
Gott, laß das Gesicht verschwinden! Ich kann nicht mehr länger
hinsehen; und lasse den Tag hereineilen, an welchem die Erde
durch Feuer von solcher Besudelung gereinigt werden wird; doch
erfülle zuerst deine Verheißung, die du durch den Mund deines
Dieners Johannes gemacht hast, daß du dein Volk von ihr rufen
und sprechen würdest: Gehe heraus, mein Volk, daß ihr nicht
teilhaftig werdet ihrer Sünden, auf daß ihr nicht empfanget von
ihren Plagen. Und dann, o Herr, wann du dein Volk aus ihrer
Mitte durch Fischer und Jäger, welche du zu senden versprochen,
um Israel in den letzten Tagen zu sammeln, gerufen hast, ja,
–   66   –

wann dein ewiger Bund erneuert und das Volk dadurch eingesetzt
worden ist; dann laß ihre Plagen an einem Tag kommen, Tod,
Trauer und Hungersnot; laß sie durch Feuer verbrennen, damit
deine heiligen Apostel und Propheten und alle, die deinen Namen
fürchten, klein und groß sich freuen mögen, daß du das Blut
deiner Heiligen auf ihr gerächt hast. Ich bitte dich um diese
Dinge in dem Namen Jesu Christi. Amen.
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Kapitel 4.
Das Buch Mormon, Ursprung der amerikanischen Indianer usw.
Ihr düstern Bilder, schnell hinweg, entflieht!
Erhabeneres die Muse jetzt ersieht,
Indessen Szenen, herrlich, groß und neu,
Das Aug' entzück'n, den Geist erfüll'n mit Scheu.
Sieh! aus dem offnen Himmel in Herrlichkeit
Ein Engel kommt zur Erd' in dieser Zeit;
Gesandt mit Macht wie einst, macht Menschen offenbar
Des Evangeliums Füll', die lang nicht war.
Die Erd' aus ihrem Schoße offenbart,
Was sie getreu so lange aufbewahrt;
Es sehen es die Gelehrten mit Erstaun',
Indes der Stolze fühlt ein sonder Graun.
Der Söldlingspriester ist der Wahrheit Feind,
Indes die Höll' vor Wut zu zittern scheint;
Ihr Hoffen und ihr Kämpfen ist um nichts,
Sie fallen jetzt, denn sie entbehrn des Lichts;
Der Taube hört, der Sanfte freut sich sehr;
Der Arme wird nun froh, kein Joch ist mehr.

Während Finsternis die Erde bedeckte und Dunkelheit die
Völker, jedes seinen eigenen Weg ging und von seinem Stand-
punkte aus nach Gewinn trachtete, und der Herr lange in Schwei-
gen verharrt hatte – während das Volk sich schmeichelte, daß die
Stimme der göttlichen Eingebung nie mehr in die Ohren der
Sterblichen tönen würde, um sie in ihrer sündhaften Laufbahn
zu stören oder zu beunruhigen – indes einige Trost von Israel
erwarteten und Gott anriefen, jenen langersehnten Tag zu senden,
an welchem ein Engel mitten durch den Himmel fliegen und ein
ewiges Evangelium allen, die auf Erden wohnen, verkündigen
würde, – da erschallte plötzlich eine Stimme aus der Wüste, ein
Ruf begrüßt die Sterblichen, ein Zeugnis, welches bis zum

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