Orson Hyde – Ein Ruf aus der Wüste (1842)


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»und werft es unter die Armen, und geht eure Wege
»fröhlich weiter. Wenn einer euch nicht empfängt, so
»geht hinweg von ihm, allein mit euch selber, und rei-
»nigt eure Füsse, selbst mit Wasser, mit reinem Wasser,
»in Hitze oder in Kälte, und gebt Zeugniß gegen ihn
»bei eurem himmlischen Vater, und kehrt nicht mehr
»zu ihm zurück. Und in welches Dorf, oder in welche
»Stadt ihr eintretet, thut deßgleichen. Dessen ohnge-
»achtet suchet fleißig und zögert nicht; und wehe dem
»Hause, dem Dorfe oder der Stadt, welches euch ver-
»stößt, oder eure Worte oder mein Zeugniß. Ja wehe
ȟber die Stadt, das Dorf und das Haus, das euch,
»oder eure Worte oder mein Zeugniß verstößt, denn ich
»der Allmächtige habe meine Hände über die Nationen
»ausgestreckt, um sie zu geißeln für ihre Gottlosigkeit.«

Zwölfter Artikel.
Ueber die Taufe für die Todten.

      Wir haben über diesen Gegenstand das Wort des
Herrn empfangen, das uns zu unserer höchsten Befrie-
digung, dessen Natur und Eigenschaft erklärt. Obgleich
die Schriften über diesen Kirchengebrauch beinahe gänz-
lich schweigen, so gibt es doch in demselben hinlängliche
Anspielungen, die uns aufmerksam machen, daß dieser
Gebrauch in der alten Kirche, weder ungekannt, noch
unberücksichtigt war. Hätte es aber dem Herrn in Sei-
ner großen Güte nicht gefallen, uns die treffenden Son-
derheiten dieses Gegenstandes klar anzuzeigen, so wür-
den wir niemals dessen Schönheit durch den schwachen
Schimmer der Schriften, die selbe auf ihn werfen, ent-
deckt haben.
      Es gibt viele die gestorben sind, ohne jemals eine
Gelegenheit gehabt zu haben, in geeigneter Weise ge-
tauft zu werden, (untergetaucht) während ihrer Lebens-
zeit, durch irgend einen Bevollmächtigten, den der Herr
anerkannt hatte. Deßhalb hat es unserm himmlischen
Vater gefallen, den Gliedern der Kirche das ausgezeich-
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nete Vorrecht zu gewähren, daß sie getauft werden kön-
nen, für ihre verstorbene Freunde, mit denen sie per-
sönlich bekannt waren vor ihrem Tode. Hierbei bleibt
aber voraus gesetzt, daß selbe nie Gelegenheit hatten,
unsere Lehre kennen zu lernen, und sie zu befolgen vor
ihrem Tode, und es nicht gethan haben – dann kön-
nen wir nicht für sie getauft werden.
      Was nun bei dieser Handlungsweise gewonnen wird
ist Folgendes. Wenn das Evangelium den Geistern
der Menschen in der Vorhölle gepredigt werden wird,
die während ihres Lebens den Befehlen Gottes unge-
horsam waren, und wenn sie dann geneigt sind, zu be-
reuen und zu glauben, dann können jene, die für sie ge-
tauft worden sind, am Tage des Gerichtes hervor treten,
und sie als Erben des Reiches Gottes in Anspruch neh-
men, um mit ihnen vereint eine Glorie, gleich der Sonne
zu genießen. Auf diese Art können wir Erretter der
Menschen werden, dahingegen, wenn niemand für diese
Abgeschiedenen getauft worden wäre, aller Wahrschein-
lichkeit nach ihre Leiden verlängert würden, und sie einst
eine andere Wohnung erben würden, deren Glorie ge-
ringer ist, gleich dem schwachen Schimmer eines fernen
Sternes.
      Wie muß ein solcher Mensch am Tage des Gerich-
tes fühlen, dem die Gelegenheit gegeben war, in seinem
Leben so viel Gutes zu stiften sowohl für ihn, als ihr
andere, und es nicht gethan zu haben?! Wer wird so
einfältig sein, so langsam im Begreifen, und so an-
hänglich an die Traditionen der Väter, daß er nicht
aufstehen wolle bei dem Rufe der Menschenfreundlichkeit
und sich aufgeweckt zeige zu den zarten Gefühlen der
Sympathie und Wohlthätigkeit sowohl für ihn als für
andere! Der heil. Apostel Paulus hat gesagt 1. Brief
Corinth. 15. K. &c.: »Was thäten sonst die, welche
»um der Todten willen sich taufen lassen, wenn es gewiß
»ist, daß die Todten nicht auferstehen? Warum lassen
»sie sich für dieselben taufen?«

      Die Lehre von der Taufe für Tote kam 1841 auf, wurde aber (wahrscheinlich) erst 1846 erstmals im Nauvoo-Tempel durchgeführt. In Lehre und Bündnisse (Abschnitte 124 und 127) wird immer von unseren bzw. euren Toten geredet. Hyde erklärt hier, was darunter verstanden wurde, nämlich, daß man für verstorbene Freunde getauft werden kann, mit denen man persönlich vor ihrem Tod bekannt war. Heute spielt nicht nur die Bekanntschaft keine Rolle mehr, auch die Verwandtschaft ist nicht mehr erforderlich. Es wird auch nicht mehr unterschieden, ob jemand eine Gelegenheit zur Mormonenmitgliedschaft hatte oder nicht – eine Folge der Anonymität. Offensichtlich war dies die Meinung der Mitglieder und Kirchenführer wie Orson Hyde, weil das Zweite Kommen ja noch in der gleichen Generation erwartet wurde, wie weiter hinten noch einmal betont werden wird, so daß keine Notwendigkeit und in der Kürze der Zeit gar keine Möglichkeit zum Aufbau eines weitreichenden genealogischen Werkes bestehen sollte. Soviel zur Erwartungshaltung der Mitglieder.

      Auch der Plan der Erlösung wird hier kurz angesprochen. Unter der Herrlichkeit verglichen mit einem Stern versteht man das telestiale oder unterirdische Himmelreich, also die niedrigste Stufe. Hyde lehrt hier, daß selbst gute Menschen ohne die stellvertretende Taufe nur diese Herrlichkeit ererben könnten. Nicht so heute, wo diese laut Lehre noch das terrestriale oder irdische Himmelreich erreichen werden. Diese Aussage deckt sich auch mit der über die erste Auferstehung aus der einleitenden Erklärung dieses Buches. Offenbar ein Wandel hin zum Vorteil guter Nichtmormonen.


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