Orson Hyde – Ein Ruf aus der Wüste (1842)


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und wir glauben auch, daß Gott sein Volk durch
Träume warnt und ermahnt. Wir glauben auch an
wirksame Gebete für unsere Kranken, und salben sie
mit dem geweihten Oele im Namen des Herrn. Wir
legen ihnen unsre Hände auf, und der Herr erhört
unser Gebet. Er heilt unsere Kranken, und macht die
Lahmen hüpfen in Freude. —

Eilfter Artikel.
Ueber den Unterhalt und die Lebensweise unserer Priester.

      In unsrer Kirche gibt es keinen Priester, der eine
Besoldung für sein Predigen bekäme, sondern sie sind
alle von der Großmuth des Volkes abhängig, unter
denen sie arbeiten. Wir tragen unsere Kleidung nicht
in einer gewissen Weise, und in der Absicht, dadurch
vor andern Mitbürgern ausgezeichnet zu sein, sondern
wir versehen uns nur mit solcher, die gut und anstän-
dig ist, und sich am wenigsten vor dem Volke aus-
zeichnet.
      Wir glauben ferner, daß es gesetzmäßig und recht
ist, wenn ein Priester sich entschließt, ein Weib zu
nehmen; jedoch kann er kein zweites sich wählen, so
lange das erste am Leben ist
. Ist dieses aber todt, so
hat er völlige Freiheit, wieder zu heirathen. Wir be-
trachten dieß als ehrbar und lobenswerth vor Gott und
den Menschen, denn es scheint uns, daß der Mann
einst verantwortlich sein dürfte für diesen grossen und
besondern Zweck seiner Erschaffung.
      Der Gebrauch des Tabacks ist in unsrer Kirche
nicht erlaubt, besonders nicht den Priestern. Obgleich
diese Gewohnheit beinahe überall herrschend ist, so kön-
nen wir sie nur als eine sehr unflätige betrachten, die
da eine Pflanze zu einem Gebrauche verwendet, für
welchen sie wahrlich nicht erschaffen wurde.
      Man wird sich erinnern, daß in einem vorherge-
henden Artikel über die mancherlei Offenbarungen und
Befehle gesprochen wurde, die der Herr uns seit der
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Organisation unsrer Kirche gegeben hat. Und um hie-
bei noch bestimmter die Art unsers Unterhaltes anzu-
zeigen, will ich hier einige wenige Auszüge aus den-
selben einrücken.
      »Und wiederum sage ich zu euch, meine Freunde
»(denn von nun an will ich euch meine Freunde nennen),
»es ist auch dienlich, daß ich euch diesen Befehl gebe,
»damit ihr so werdet, wie meine Freunde, in den
»Tagen, als ich mit ihnen zog, das Evangelium in
»meiner Kraft zu predigen. Ich dulde ihnen nicht,
»einen Beutel, einen Bündel, oder auch nur zwei Klei-
»der mit sich zu führen. Seht! ich sende euch aus, die
»Welt zu prüfen, und jeder Arbeiter ist seines Lohnes
»werth. Und Jeder, der hinaus gehen wird, das
»Evangelium des Reiches Gottes zu predigen, und der
»nicht ermangeln wird, glaubensvoll in allen Dingen
»zu verfahren, der soll weder verfinstert noch müde an
»Geist, Körper, noch Gliedern werden, und kein Haar
»von seinem Haupte wird unbeachtet zur Erde fallen.«
      »Deßhalb laßt Keinen unter euch von dieser Stunde
»an einen Beutel noch Bündel mitnehmen, wenn er
»hinaus geht, das Evangelium des Reiches Gottes zu
»verkünden. Denn seht! ich sende euch, die Welt zu
»tadeln um ihrer ungerechten Thaten willen, und ihr
»ein Gericht zu verkünden, das über sie kommen wird.
»Und wer immer euch empfängt, da werde auch ich
»sein« – denn:
      »Ich werde zu eurer rechten Hand sein, und zu
»eurer linken, und mein Geist wird in euren Herzen
»wohnen, und meine Engel werden um euch her sein,
»euch zu stützen.«
      »Wer immer euch aufnimmt, nimmt mich auf,
»und der, welcher euch nährt, oder kleidet, oder mit
»Geld versieht, wird auf keine Weise seinen Lohn ver-
»lieren. Wer aber diese Dinge nicht thut, der kann
»mein Jünger nicht sein; denn daran werdet ihr meine
»Jünger erkennen. Wenn irgend Jemand euch einen
»Rock oder ein ganzes Kleid gibt, so nehmt das alte
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»und werft es unter die Armen, und geht eure Wege
»fröhlich weiter. Wenn einer euch nicht empfängt, so
»geht hinweg von ihm, allein mit euch selber, und rei-
»nigt eure Füsse, selbst mit Wasser, mit reinem Wasser,
»in Hitze oder in Kälte, und gebt Zeugniß gegen ihn
»bei eurem himmlischen Vater, und kehrt nicht mehr
»zu ihm zurück. Und in welches Dorf, oder in welche
»Stadt ihr eintretet, thut deßgleichen. Dessen ohnge-
»achtet suchet fleißig und zögert nicht; und wehe dem
»Hause, dem Dorfe oder der Stadt, welches euch ver-
»stößt, oder eure Worte oder mein Zeugniß. Ja wehe
ȟber die Stadt, das Dorf und das Haus, das euch,
»oder eure Worte oder mein Zeugniß verstößt, denn ich
»der Allmächtige habe meine Hände über die Nationen
»ausgestreckt, um sie zu geißeln für ihre Gottlosigkeit.«

Zwölfter Artikel.
Ueber die Taufe für die Todten.

      Wir haben über diesen Gegenstand das Wort des
Herrn empfangen, das uns zu unserer höchsten Befrie-
digung, dessen Natur und Eigenschaft erklärt. Obgleich
die Schriften über diesen Kirchengebrauch beinahe gänz-
lich schweigen, so gibt es doch in demselben hinlängliche
Anspielungen, die uns aufmerksam machen, daß dieser
Gebrauch in der alten Kirche, weder ungekannt, noch
unberücksichtigt war. Hätte es aber dem Herrn in Sei-
ner großen Güte nicht gefallen, uns die treffenden Son-
derheiten dieses Gegenstandes klar anzuzeigen, so wür-
den wir niemals dessen Schönheit durch den schwachen
Schimmer der Schriften, die selbe auf ihn werfen, ent-
deckt haben.
      Es gibt viele die gestorben sind, ohne jemals eine
Gelegenheit gehabt zu haben, in geeigneter Weise ge-
tauft zu werden, (untergetaucht) während ihrer Lebens-
zeit, durch irgend einen Bevollmächtigten, den der Herr
anerkannt hatte. Deßhalb hat es unserm himmlischen
Vater gefallen, den Gliedern der Kirche das ausgezeich-
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nete Vorrecht zu gewähren, daß sie getauft werden kön-
nen, für ihre verstorbene Freunde, mit denen sie per-
sönlich bekannt waren vor ihrem Tode. Hierbei bleibt
aber voraus gesetzt, daß selbe nie Gelegenheit hatten,
unsere Lehre kennen zu lernen, und sie zu befolgen vor
ihrem Tode, und es nicht gethan haben – dann kön-
nen wir nicht für sie getauft werden.
      Was nun bei dieser Handlungsweise gewonnen wird
ist Folgendes. Wenn das Evangelium den Geistern
der Menschen in der Vorhölle gepredigt werden wird,
die während ihres Lebens den Befehlen Gottes unge-
horsam waren, und wenn sie dann geneigt sind, zu be-
reuen und zu glauben, dann können jene, die für sie ge-
tauft worden sind, am Tage des Gerichtes hervor treten,
und sie als Erben des Reiches Gottes in Anspruch neh-
men, um mit ihnen vereint eine Glorie, gleich der Sonne
zu genießen. Auf diese Art können wir Erretter der
Menschen werden, dahingegen, wenn niemand für diese
Abgeschiedenen getauft worden wäre, aller Wahrschein-
lichkeit nach ihre Leiden verlängert würden, und sie einst
eine andere Wohnung erben würden, deren Glorie ge-
ringer ist, gleich dem schwachen Schimmer eines fernen
Sternes.
      Wie muß ein solcher Mensch am Tage des Gerich-
tes fühlen, dem die Gelegenheit gegeben war, in seinem
Leben so viel Gutes zu stiften sowohl für ihn, als ihr
andere, und es nicht gethan zu haben?! Wer wird so
einfältig sein, so langsam im Begreifen, und so an-
hänglich an die Traditionen der Väter, daß er nicht
aufstehen wolle bei dem Rufe der Menschenfreundlichkeit
und sich aufgeweckt zeige zu den zarten Gefühlen der
Sympathie und Wohlthätigkeit sowohl für ihn als für
andere! Der heil. Apostel Paulus hat gesagt 1. Brief
Corinth. 15. K. &c.: »Was thäten sonst die, welche
»um der Todten willen sich taufen lassen, wenn es gewiß
»ist, daß die Todten nicht auferstehen? Warum lassen
»sie sich für dieselben taufen?«

      Auffallend ist hier die Erwähnung der Monogamie. Auch Hyde sollte gewußt haben, daß Joseph Smith zu diesem Zeitpunkt bereits in Polygamie lebte. Schließlich war seine Frau Nancy Marinda zu diesem Zeitpunkt bereits seit einiger Zeit mit Joseph Smith polygam, d.h. polygyn und polyandrisch, verheiratet. Joseph hatte es bereits vor Orsons Ehe auf Nancy abgesehen, und schloß ihn in Abwesenheit (Mission) von der Kirche aus, als er von der Eheschließung erfuhr. Vor Orsons Rückkehr von Mission wurde Joseph aber von der Falschheit dieser Entscheidung überzeugt und Orson gewann seine volle Mitgliedschaft wieder. Letztlich bekam Joseph Nancy doch noch, nachdem er die Polygamie als Gebot Gottes eingeführt hatte. Allerdings wurde die Praktizierung noch viele Jahre nach Smiths Tod von den Kirchenführern geleugnet, so daß diese Aussage unter die Rubrik ’Lügen für den Herrn‘ gezählt werden kann. Darunter versteht man falsche Aussagen von Kirchenführern zu derem Schutz. Derartige Aussagen sind gut dokumentiert und die Verfahrensweise wurde schon von einigen Führern zugegeben.


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