Orson Hyde – Ein Ruf aus der Wüste (1842)


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      In dich, o Mensch! sucht der Schöpfer zu dringen
mit seinem heiligen Worte, durch den Mund seiner
Diener, in dich sucht er zu dringen, wenn Er dir Sein
göttliches Bild in den Werken der Natur gleichsam wie
durch einen Spiegel zeigt, und mit Seinem hl. Geiste
will Er dich beleben, der gleich dem Winde, leichter zu
fühlen, denn zu sehen ist.
      Solltest Du aber dein Herz nicht zu ihm wenden,
ohngeachtet der Ueberredungskraft dieser sprechenden
Sachwalter, so wisse, daß du verloren bist, denn der
Herr selbst hat gesagt: »der welcher nicht glaubt, soll
verdammt werden.«
      Vielleicht werden einige Personen sagen: »ich glaube
mit ganzem Herzen, daß Jesus Christus der Sohn Got-
tes ist, so wie auch an Seine heilige Religion, aber
willst du uns auch sagen, was wir zu thun haben, um
diese Religion zu genießen, und in das Reich Gottes
einzugehen?
      Ich bin höchst erfreut, solch ein volles offenes Be-
kenntniß des ersten Grundsatzes der christlichen Religion
zu vernehmen, denn gerade solch ein Bekenntniß fordert
das Evangelium und ich schreite mit Vergnügen vor-
wärts einen zweiten Grundsatz anzudeuten.

Vierter Artikel.
Ueber die Reue.

      Die Reue ist jenes Gefühl des Kummers und der
Betrübniß des Herzens über begangene Beleidigungen
Gottes, welches eine Person mit festem Vorsatze erfüllt,
ihre Sünden und begangenen Ungerechtigkeiten zu mei-
den, und ihren ganzen Lebenswandel umzuändern. Die
Reue ist eine Lehre, welche nur Demuth abzielt, die
Verfeinerung in ihren Folgen bringt, und nur dahin
strebt, ihre Getreuen von Stolz und Hoffart abzustrei-
fen und sie hinzubringen zum Fuße des Kreuzes wo
der Strom der Gnade fließt, damit sie rein gewaschen
werden mögen von ihrer Schuld und von ihren Befleck-
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ungen. Die Reue ist in der That gleich der Arznei
des Physikers, die zwar widrig für den Geschmack, aber
der Gesundheit des Körpers zuträglich ist.
      Der weltlich gesinnte Mensch liebt freilich nicht
in seinen Bestrebungen nach Wohlstand und Größe nach-
zulassen, noch will der Mann des Vergnügens sich von
jenen bezaubernden Reizen trennen, die beinahe an je-
dem Orte und in verschiedenen Formen und Gestalten
seine Schritte abzulenken suchen von dem Pfade der
Tugend und Frömmigkeit. Auch wird es dem Reichen
schwer, seine Güter freigebig den Armen zu spenden,
und der Stolze und Hoffärtige hat keine Lust in dem
Thale der Demuth zu wandeln.
      Die Namen solcher Personen mögen wir in der
That oft innerhalb einer Kirche auf Stein eingegraben
finden; aber wenn die Worte Jesu als zuverlässige
Wahrheit gelten, so wisset, daß deren Namen nicht auf
der Liste der Geheiligten vorgezeichnet sind, um einst
im ehrenvollen Andenken zu glänzen an jenem Tage,
wo die, die durch die grosse Trübsal gegangen sind, und
ihre Kleider rein und weiß gewaschen haben im Blute
des Lammes, gekrönt werden mit unsterblichen Ehren
zur Rechten ihres Herrn und Königs.
      Während dem Laufe meines Lebens bin ich durch
verschiedene Gegenden gewandelt, und habe die Men-
schen in verschiedenen Graden angetroffen. Ich sah den
Reichen in seinem Glanze rollen, strahlend von Gold
und Diamanten, gleich als ob er die breiten Falten
des gestirnten Himmels um sich verschlungen hätte. Ich
habe auch den Armen gesehen! Mancher war so elend,
daß das Leben ihm nur eine Bürde schien, die ihm
gegeben ward, sein Elend zu verewigen, damit der Kelch
seiner Drangsale schon hier, auf dieser Erde gefüllt
würde.
      Doch worauf mein Augenmerk sich mit größtem
Interesse wendete, war, zu sehen, wie der starke Arm
der politischen Macht einen goldenen Thronhimmel über
die Kirche ausspannte. Es ziemt mir nicht, jedes Ding
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zu verdammen, welches ich nicht in die Harmonie mei-
ner Gefühle bringen kann; jedoch habe ich ernstlich
über die Wahrheit einer Kirche unter solchen Umstän-
den nachgedacht, der es möglich ist, in ihrem Schoose
Grundsätze und Verfahrungsarten zu beherbergen, die
einer reinen und unbesudelten Religion entgegen gesetzt
sind. Die Hand des Winters breitet einen weißen
Mantel über das Anlitz der Erde, und birgt für Au-
genblicke ihre Mißgestaltungen; doch wenn die Sonne
kömmt, und ihre wärmenden Strahlen wieder ausgießt
über die Erde, so schmilzt ihre schneeige Decke hinweg,
und jede rauhe und ungeziemende Stelle erscheint dem
Auge. So naht auch jetzt die Zeit heran, wo der hül-
lende Vorhang, der über alle Nationen geworfen ist,
entzwei gerissen wird, gleich dem Vorhange des Tem-
pels bei der Kreuzigung Christi; und alles Geheime
wird dem Blicke kund gegeben werden, und: »dann
soll jedes Menschen-Werk erprobt werden, welcher Art
es ist.« —
      Wer immer zurückblicken will mit vorurtheilsfreiem
Gemüthe zum Beginne des Christenthums, der muß
bekennen, daß eine grosse Verschiedenheit in dem Zu-
stande der früheren und jetzigen Kirche herrscht. Denn
der grosse Gründer des christlichen Glaubens konnte in
Wahrheit sagen: »Die Füchse haben ihre Höhlen und
»die Vögel ihre Nester, allein des Menschen Sohn hat
»nicht, worauf er Sein Haupt legen könnte.« Er sagte
auch: »daß der Diener nicht über seinen Herrn ist, noch
»der Schüler über seinen Meister« und ich, ich möchte
noch hinzufügen, daß es höchst unnatürlich ist, daß ein
Strom gegen seine Quelle anschwelle; jedoch das moderne
Christenthum ist gegen seine alte Quelle aufgestanden,
und hat die Wolken weltlicher Ehre um sich gezogen.
Soll ich mein Urtheil über diese Ordnung der Dinge
fällen? Nein! Mein Meister hat mich nicht bevoll-
mächtigt, dieß zu thun. Aber er hat mich bevoll-
mächtigt, zu sagen: »daß der Tag kommen wird,
welcher brennt gleich einem Ofen, und daß alle die
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Stolzen und die, welche Ungerechtigkeiten üben, gleich
Stoppeln sein werden. Und der Tag wird kommen,
der sie hinweg brennt, Wurzel und Ast, sagt der Herr!«
Wenn denn alle Stolzen, und alle die, welche Unge-
rechtigkeiten üben, hinweg gebrannt werden, wer kann
da gerettet werden? Hätte ich die Beredsamkeit eines
Engels, und hätte ich so viele Zungen, als Hydra, ich
würde sie alle anwenden, Reue zu predigen dieser Ge-
neration.
      Doch ein Mann fragt mich, wie er an das Werk
der Reue zu gehen hätte. Nüchternes Betrachten und
Erwägen müssen seine ersten Schritte sein. Er möge
bedenken, daß es ein gutes Wesen ist, gegen welches
er gesündigt, und dessen Gesetze er übertreten hat, –
und das selbst Seinem Sohn nicht verweigerte, für ihn
zu sterben
– ein Wesen, welches ihn erheben wollte in
der andern Welt, und ihn scheinen machen wollte in
einer Glorie, gleich der Sonne am Firmamente. Der
nächste Schritt ist, daß er oft den Platz geheimen Ge-
betes besuchen möge, um seine Seele auszugießen vor
Gott. Er verbanne jeden eitlen Gedanken aus seinem
Gemüthe und fasse den festen Entschluß, sich selbst dem
Dienste und der Anbetung des Herrn zu weihen; und
ich kann ihm mit Sicherheit sagen, daß er nicht lange
zu warten brauche auf diesem Wege, bis ein Strahl
des göttlichen Mitleides ihn erwärme, und sein eisiges
Herz zu Thränen der Freude schmelze, die von einem
demüthigen Geiste zeugen. Und er bringe alsdann dank-
bares Lob seinem Herrn und Gott.
      Ist der Mensch so weit vorgeschritten in seinem
Streben nach ewigem Leben, so ist er ein geeigneter
Gegenstand für die Wassertaufe, denn er glaubt bereits,
und hat auch aufrichtig bereut seine Sünden.

      Die Lehre von der Reue, Buße oder Umkehr wurde bis heute etwas verfeinert, ist aber in etwa die gleiche geblieben. Viel interessanter sind hier zwei weitere Punkte, die er erläutert:

      Der erste redet von weltlichem Einfluß und Reichtum der Kirchen, wie Hyde sie damals in Europa vorgefunden hatte. Er verdammt dies mit eindeutigen Worten. Jedoch hat auch die Mormonenkirche heute sehr viel politischen Einfluß gewonnen, den sie auch rege nutzt, und über die weltlichen Güter der Kirche gibt es wohl keine Diskussion. Und so müssen wir „bekennen, daß eine grosse Verschiedenheit in den Zustande der früheren und jetzigen Kirche herrscht. Denn der grosse Gründer des christlichen Glaubens konnte in Wahrheit sagen: ’Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester, allein des Menschen Sohn hat nicht, worauf er Sein Haupt legen könnte.‘“ Ja, so ist das mit dem Verdammen des Reichtums; wenn man ihn erst selbst angehäuft hat, ist er plötzlich eine Segnung Gottes.

      Der zweite Punkt betrifft eine tiefe Kirchenlehre, nämlich den Gott dieser Erde betreffend. Ein neuerer Prophet sagte einmal, daß Jesus der Gott dieser Erde sei, der Gott des Alten Testaments war und der einzige Gott ist, mit dem wir zu tun hätten. Dies ist die heutige Lehre der Kirche. Aber Hyde lehrte noch, daß der Mensch gegen den Vater sündigt und vor ihm bereuen müsse. Wird dieser Widerspruch durch die Änderung im Gottesbild oder die in der Zuständigkeit für diese Erde verursacht?


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