Orson Hyde – Ein Ruf aus der Wüste (1842)


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      O gütigster Vater! Ich bitte dich im Namen
deines heiligen Kindes Jesu, segne die schwache
Bemühung deines Dieners; und wohin immer
dieses Büchlein gehen mag, laß es ein Bote der
Ueberzeugung sein für die Bösen, und ein Vor-
läufer des Friedens für die Gerechten. Laß seinen
Inhalt von günstigen Winden hingetragen werden
bis an die fernsten Gränzen und laß seinen Ein-
fluß auf den reichen und fruchtbaren Boden de-
müthiger und rechtschaffener Herzen gedeihen, sprossen
und Früchte tragen bis in das ewige Leben fort.
      Wandre nun hinaus du kleines Buch, der
Herr wird deine Wege beschleunigen. Bekämpfe
die Vorurtheile, die gegen dich aufstehen werden,
nimm deine Feinde gefangen, zieh' ein mit deinen
Tugenden in die Herzen der Völker, und laß deine
Grundsätze dort thronen für immer.

        Frankfurt, im August 1842.

Der Verfasser.    
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Erklärung.

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      Da eine buchstäbliche Uebersetzung des Titels un-
serer Kirche in's Deutsche eine zu grosse Idee von Hei-
ligkeit geben würde, als wir in Anspruch nehmen, so
habe ich es geeigneter gefunden, ihn in seinem Ursprunge,
in englischer Sprache zu lassen, da ich nicht berechtigt
bin, denselben auch nur im Geringsten zu ändern.
Unter diesem Titel:
„The church of Jesus Christ of Latter Day Saints“
verstehen wir eine Gesellschaft, verbunden durch religiöse
Verhältnisse, welche sich durch Eifer und Frömmigkeit
auszeichnet. Und diese zusammen sind denn genannt:
»Die Heiligen unsers Herrn Jesu Christi in diesen
letzteren Tagen.«
      Ich finde, daß in Deutschland und in manchen
andern Ländern die Benennung »die Heiligen« nur
sehr wenigen Personen beigelegt wird, und zwar erst
nach ihrem Tode, wo man ihnen, nachdem sie zu die-
sem Range gelangt sind, Gebete weiht, und sie als
Patrone und Vermittler anruft. Da die heilige Schrift
über diesen Gebrauch gänzlich schweigt und wir auch in
Beziehung dessen keine glaubwürdige Belehrung erhalten
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haben, so wünschen wir, daß wir nicht auf solche Weise
verstanden werden möchten.
      Das Volk Gottes wird sowohl in dem alten, als
neuen Testamente »die Heiligen« genannt. Dieß ist ein
Name den der Herr selbst gegeben, ein Name, bei
welchem wir genannt zu sein wünschen, und für dessen
Ehre wir allein zu leben verlangen; denn jene die so
genannt sind, werden Theil haben in der ersten Auf-
erstehung
. Jene Heiligen, oder das Volk Gottes, von
welchem in der Bibel gesprochen wird, lebte in einem
frühern Zeitabschnitte; und wir, die wir in einer spä-
tern Periode leben, sind deshalb genannt: »Die Heili-
gen der letzteren Tage« oder „Latter Day Saints.“


——«·»——




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Erstes Kapitel.

Wie der Engel des Herrn dem Joseph Smith jun. erschien.

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      Joseph Smith jun., die Person, zu welcher der
Engel des Herrn zuerst gesandt ward
, wurde geboren
den 23. Dezember A. D. 1805 in der Stadt Sharon,
Grafschaft Windsor Vermont. Als er zehn Jahre alt
war, zogen seine Eltern nach Palmyra in den Staat
New-York. In dieser und in der nahe gelegenen Stadt
Manchester verlebte er beinahe eilf Jahre. Seine ein-
zige Beschäftigung war, den Boden zu pflügen und ihn
zu bebauen. Da seine Eltern arm waren, und eine
zahlreiche Familie zu ernähren hatten, so war seine Er-
ziehung sehr mangelhaft. Er konnte ziemlich gut lesen,
dafür schrieb er aber höchst nothdürftig, und hatte nur
geringe Kenntnisse von Redebildern. Höher reichte sein
literarisches Wissen nicht. Die meisten der Gegenstände,
welche so allgemein in den vereinigten Staaten Ame-
rika's gelehrt werden, waren ihm in jener Zeit gänzlich
unbekannt, wo er mit einer Himmels-Botschaft begün-
stigt wurde.

    Schon bald überwand die Kirche ihre Zurückhaltung bei der Übersetzung des Namens, wie sie hier von Hyde an den Tag gelegt wurde.

    In der einzigen hier angesprochenen Lehre, der Auferstehung, findet sich bereits ein Unterschied zur heutigen Interpretation. Heute würde niemand mehr behaupten, daß nur diejenigen, die „Heilige” genannt werden, an der ersten Auferstehung teilhaben würden. Darin spiegelt sich das Bild der sogenannten „christlichen Hauptströmung” wider, in dessen Licht sich die Kirche heute gerne präsentiert.


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