Orson Hyde – ein Ruf aus der Wüste (1842)


Ein
Ruf aus der Wüste,
eine
Stimme aus dem Schoose der Erde.

——«·»——

Kurzer Ueberblick
des Ursprungs und der Lehre der Kirche „Jesus Christ
of Latter Day Saints“
in Amerika, gekannt von
Manchen unter der Benennung: »Die Mormonen.«

——«·»——

Von
Orson Hyde,
Priester dieser Kirche.



Lese, betrachte, bete und handle !       


——«·»——

Frankfurt, 1842.
Im Selbstverlage des Verfassers.

–   3   –



V o r r e d e

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      Das heftige Verlangen, welches der Verfasser
dieses Werkchens hegt, sich einer Verpflichtung zu
entledigen, unter welche er sich durch eine mehr
als menschliche Gewalt gebracht fühlt, so wie auch
die herzliche Sorgfalt, womit er seine Mitmenschen
durch die Kundgabe jener Wahrheiten zu beglücken
wünscht, die sein eigenes Herz mit unaussprech-
licher Freude füllen – dieß veranlaßte ihn, dem
deutschen Volke nachstehenden, kleinen Band mit
Wärme anzuempfehlen, damit er mit jenem In-
teresse aufgenommen werden möchte, welches der
Wichtigkeit des behandelten Gegenstandes angemes-
sen ist.
      Wenn im Laufe menschlicher Ereignisse es
uns durch Anordnung göttlicher Vorsehung zur
Pflicht gemacht wird, jene merkwürdigen Begeben-
–   4   –

heiten aufzuzeichnen, die da geignet sind, eine neue
Aera zu bilden, den Grund zur Erneuerung einer
geistigen Welt, so wie zur Zerstörung der Tyrannei
und Unterdrückung zu legen, um das ruhmvolle
Reich des Friedens-Fürsten befördern zu helfen –
dann füllen sich die Gemüther mit Staunen und
Verwunderung.
      Die tausendjährige Kirche Christi ist in den
vereinigten Staaten Amerika's durch unmittelbares
Wirken der göttlichen Vorsehung gestiftet worden,
indem er Seinen heiligen Engel sandte, um den
Völkern die wahren Grundlehren seiner Kirche an-
zuzeigen, die in den letzten Zeiten wieder hergestellt
werden sollte, zur Vorbereitung der zweiten An-
kunft Christi in diese Welt.
      Der Autor dieses kleinen Werkes ist ein Ame-
rikaner bei Geburt, und ein Priester dieser Kirche
seit eilf Jahren; beinahe seit dem Anfange ihrer
Organisation. Dieselbe begann den 1. April 1830
in der Stadt Manchestre, Grafschaft Ontario, in
dem Staate New-York, bestehend in sechs Glie-
–   5   –

dern. Doch sehr bald wuchs sie zu Hunderten
und Tausenden an. Als es zur bessern Organi-
sation vorschritt, gab es unter ihnen Propheten
und Apostel, genannt, von Gott. Diese wurden
zu hohen, verantwortlichen Posten ordinirt, und
mit dem heiligen Oele gesalbt.
      Die Schnelligkeit, mit welcher sich diese Lehren
über Amerika und England seit ihrer Kundmach-
ung, obgleich unter den ungünstigsten Umständen,
verbreiteten, bezeugt: daß in ihnen eine Macht
und Gewalt verborgen liegt, die sie der Aufmerk-
samkeit eines denkenden Volkes würdig erklärt.
      Die Zahl der Verbrüderten in den zwei Län-
dern reicht an 80,000 hinauf.
      Die Bestimmung dieses kleinen Werkes ist des-
halb, die besonderen Grundsätze und Lehren unsrer
Kirche auseinanderzusetzen, die den Namen führt:
„The Church of Jesus Christ of Latter Day Saints“
      Seit dem Entstehen dieser Kirche hatten wir
uns durch Widerwärtigkeiten ernsthafter Art hin-
durch zu kämpfen. Die lästernde Zunge der Ver-
–   6   –

läumdung und Falschheit hatte sich gegen uns
gekehrt, und Kanzel und Presse warfen mit frei-
gebiger Hand Steine des Anstoßes in unsere Wege.
Jedoch wäre es nur bei diesem geblieben, so hät-
ten wir wenig Grund zu klagen. Allein unsere
Feinde, sehend, daß moralische Kraft nicht aus-
reichend war, die raschen Fortschritte unserer Lehre
zu hemmen, griffen nach anderen Mitteln, und ihre
eigene Sprache war: „Laßt uns ihnen mit Argu-
menten vom blutigen Stahle entgegen treten!“
Und sie fielen über uns her, das Schwert in der
Hand. Sie brannten viele unserer Häuser nieder,
zerstörten unsere Felder, tödteten unser Vieh und
erschossen mit kaltem Vorsatze beiläufig dreißig
unserer Brüder, wovon viele derselben Priester wa-
ren; oder verwundeten sie elendiglich, selbst dann,
wenn sie keinen Widerstand leisteten.
      Als einen Amerikaner schmerzt es mich, solche
Brutalität von meinen Landsleuten bekennen zu
müssen, allein ein ewiges Walten, das die Interessen
aller Vöker in einander menget, fordert das Opfer
–   7   –

jeder lokalen Anhänglichkeit, und das laute Bekennt-
niß der Wahrheit zur Warnung für alle Völker,
damit sie sich hüten sollen, nie die Urheber solchen
Elendes zu werden.
      In diesem Sturme der Verfolgung, welcher in
dem Winter 1838–39 über uns hereinbrach, wur-
den beinahe zweihundert Heilige in's Gefängniß ge-
schleppt. Einige erhielten ihre Freiheit nach wenigen
Tagen; andere schmachteten drei oder vier Wochen,
und wieder andere lagen sogar in Ketten wohl ein
halbes Jahr; worauf sie aber dennoch in Freiheit
gesetzt wurden, obgleich ihre Feinde ihre Richter
waren.
      Beiläufig 12,000 Seelen wurden verbannt in
kalter Winterszeit, und ihre Häuser, Güter, Gründe
&c. &c. ihren Feinden zum Raube überlassen.
      Dieß alles fand statt unter dem Schutze eines
Unter-Gouverneurs, dessen ganze Verfahrensart
im geraden Widerspruche mit den Gesetzen des Landes
stand; allein er fürchtete in uns eine rivalisirende
Macht.
–   8   –

      Die Sache ist nun vor den Amerikanischen
Kongreß gebracht, und es ist zu hoffen, daß den
Nachtheilen und Kränkungen eines leidenden, un-
schuldigen Volkes auf eine geeignete Art abgeholfen
werden wird, durch diese ehrenvolle Versammlung.
      So mußten wir denn hindurchgehen durch Be-
trübnisse und Demüthigungen der schmerzlichsten
Art; jedoch gleich der jungen, zarten Mutter, deren
Liebe zu ihrem Neugebornen um so grösser ist, je
mehr Schmerz sie bei seiner Geburt auszustehen
hatte, so ist auch unsere Liebe für unsere Religion
gestärkt durch die grausame Hand der Verfolgung,
welche Verbannung, Kerker und Tod über uns
verhängte.
      Diese haben uns jedoch nicht mehr gethan,
als unserm Herrn und Meister, und den Heiligen
der frühern Tage, und wenn wir gleich diesen lei-
den in dieser Welt, so hoffen wir auch mit ihnen
verherrlicht zu werden in jenem Lande, das ausser
dem Bereiche der Unterdrücker liegt.
      Der Leser wird deßhalb ernstlich ermahnt, die-
–   9   –

ses kleine Werk mit Sorgfalt und Aufmerksamkeit
zu lesen. Keiner möge voreilig über seinen In-
halt richten, oder ihn verdammen; sondern vielmehr
in seiner Seele Innerstem zu Gott beten mit ver-
langendem Herzen, im Namen seines heiligen Kin-
des Jesu, damit Licht und Erkenntniß, Freude und
Fröhlichkeit auf ihn herabsteige, um seinen Geist
zu beleben und seine frommen Wünsche zu erhören.
      Wie willkommen sind uns nicht die Strahlen
des Morgens nach den dunklen Schatten einer
Nacht? So mögen wir auch gleichsam fühlen nach
einer langen, einsamen Nacht geistiger Finsterniß,
unter welcher die rollende Erde und ihre Bewohner
so manches Jahrhundert seufzten.
      Ein Engel, ja ein Engel gesandt von dem
Allmächtigen, stieg herab um den Schleier der
Dunkelheit von dem Verstande einiger hinweg zu
heben, um sie empfänglich zu machen für die
Lichtstrahlen der Wahrheit, die da die Herzen so
Vieler erwärmen und erfreuen. Willkommen, ja
willkommen du Bote des Himmels, und dreimal
willkommen die Botschaft, die du uns gebracht.

–   10   –

      O gütigster Vater! Ich bitte dich im Namen
deines heiligen Kindes Jesu, segne die schwache
Bemühung deines Dieners; und wohin immer
dieses Büchlein gehen mag, laß es ein Bote der
Ueberzeugung sein für die Bösen, und ein Vor-
läufer des Friedens für die Gerechten. Laß seinen
Inhalt von günstigen Winden hingetragen werden
bis an die fernsten Gränzen und laß seinen Ein-
fluß auf den reichen und fruchtbaren Boden de-
müthiger und rechtschaffener Herzen gedeihen, sprossen
und Früchte tragen bis in das ewige Leben fort.
      Wandre nun hinaus du kleines Buch, der
Herr wird deine Wege beschleunigen. Bekämpfe
die Vorurtheile, die gegen dich aufstehen werden,
nimm deine Feinde gefangen, zieh' ein mit deinen
Tugenden in die Herzen der Völker, und laß deine
Grundsätze dort thronen für immer.

        Frankfurt, im August 1842.

Der Verfasser.    
–   11   –



Erklärung.

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      Da eine buchstäbliche Uebersetzung des Titels un-
serer Kirche in's Deutsche eine zu grosse Idee von Hei-
ligkeit geben würde, als wir in Anspruch nehmen, so
habe ich es geeigneter gefunden, ihn in seinem Ursprunge,
in englischer Sprache zu lassen, da ich nicht berechtigt
bin, denselben auch nur im Geringsten zu ändern.
Unter diesem Titel:
„The church of Jesus Christ of Latter Day Saints“
verstehen wir eine Gesellschaft, verbunden durch religiöse
Verhältnisse, welche sich durch Eifer und Frömmigkeit
auszeichnet. Und diese zusammen sind denn genannt:
»Die Heiligen unsers Herrn Jesu Christi in diesen
letzteren Tagen.«
      Ich finde, daß in Deutschland und in manchen
andern Ländern die Benennung »die Heiligen« nur
sehr wenigen Personen beigelegt wird, und zwar erst
nach ihrem Tode, wo man ihnen, nachdem sie zu die-
sem Range gelangt sind, Gebete weiht, und sie als
Patrone und Vermittler anruft. Da die heilige Schrift
über diesen Gebrauch gänzlich schweigt und wir auch in
Beziehung dessen keine glaubwürdige Belehrung erhalten
–   12   –

haben, so wünschen wir, daß wir nicht auf solche Weise
verstanden werden möchten.
      Das Volk Gottes wird sowohl in dem alten, als
neuen Testamente »die Heiligen« genannt. Dieß ist ein
Name den der Herr selbst gegeben, ein Name, bei
welchem wir genannt zu sein wünschen, und für dessen
Ehre wir allein zu leben verlangen; denn jene die so
genannt sind, werden Theil haben in der ersten Auf-
erstehung
. Jene Heiligen, oder das Volk Gottes, von
welchem in der Bibel gesprochen wird, lebte in einem
frühern Zeitabschnitte; und wir, die wir in einer spä-
tern Periode leben, sind deshalb genannt: »Die Heili-
gen der letzteren Tage« oder „Latter Day Saints.“


——«·»——




–   13   –




Erstes Kapitel.

Wie der Engel des Herrn dem Joseph Smith jun. erschien.

———

      Joseph Smith jun., die Person, zu welcher der
Engel des Herrn zuerst gesandt ward
, wurde geboren
den 23. Dezember A. D. 1805 in der Stadt Sharon,
Grafschaft Windsor Vermont. Als er zehn Jahre alt
war, zogen seine Eltern nach Palmyra in den Staat
New-York. In dieser und in der nahe gelegenen Stadt
Manchester verlebte er beinahe eilf Jahre. Seine ein-
zige Beschäftigung war, den Boden zu pflügen und ihn
zu bebauen. Da seine Eltern arm waren, und eine
zahlreiche Familie zu ernähren hatten, so war seine Er-
ziehung sehr mangelhaft. Er konnte ziemlich gut lesen,
dafür schrieb er aber höchst nothdürftig, und hatte nur
geringe Kenntnisse von Redebildern. Höher reichte sein
literarisches Wissen nicht. Die meisten der Gegenstände,
welche so allgemein in den vereinigten Staaten Ame-
rika's gelehrt werden, waren ihm in jener Zeit gänzlich
unbekannt, wo er mit einer Himmels-Botschaft begün-
stigt wurde.
–   14   –

      Als er sein fünfzehntes Jahr erreicht hatte, fing
er ernsten Sinnes über das Wichtige einer Vorbereitung
für die Zukunft nachzudenken an; doch schwer ward es
ihm zu entscheiden, wie er sich an ein so bedeutungs-
volles Werk zu setzen hätte. Er sah klar ein, daß es
ihm unmöglich sein würde, auf dem rechten Wege zu
wandeln, ohne ihn zuvor zu kennen; und seine Hoff-
nungen des ewigen Lebens auf einen Zufall oder eine
blinde Ungewißheit zu stützen, das wäre mehr gewesen,
als er je zu thun gesinnt war.

      Er entdeckte die religiöse Welt arbeitend unter
dem Andrange von Irrthümern, die durch ihre wider-
sprechenden Meinungen und Grundsätze den Grund zur
Entstehung so verschiedener Sekten und Parteien legten,
und deren Gefühle gegen einander nur zu oft durch
Haß, Streit, Groll und Wuth vergiftet waren. Er
fühlte daß es nur eine Wahrheit gäbe, und daß die-
jenigen, welche sie recht verständen, sie auch gleichmäßig
verständen. Die Natur hatte ihn mit einem starken,
beurtheilenden Verstande begabt, und so sah er denn
durch das Glas der Vernunft und des guten Sinnes
mit Mitleid und Verachtung auf jene Religionssysteme
hin, welche einander so entgegen gesetzt, und dennoch
alle offenbar aus den Schriften der Wahrheit gezo-
gen sind.
–   15   –

      Nachdem er sich zu seiner eigenen Genugthuung
hinlänglich überzeugt hatte, daß Finsterniß die Erde
bedeckte, und grosse Dunkelheit die Völker, da verließ
ihn die Hoffnung, je eine Sekte oder Partei zu finden,
die im Besitze der reinen Wahrheit wäre.

      In Folge dessen machte er sich denn selber glau-
bensvoll an die Untersuchung des Wortes Gottes, als
die beste Art und Weise zur Erkenntniß der Wahrheit
zu gelangen. In dieser lobenswürdigen Beschäftigung
hatte er noch nicht lange fortgefahren, als seine Augen
auf folgende Stelle des heiligen Jakobus fielen: »Wenn
»Jemand von euch der Weisheit bedarf, so laßt sie
»ihn von Gott begehren, der da allen Menschen frei-
»gebig gibt und nichts vorwirft, und es soll ihm ge-
»geben werden.« – Diese Stelle betrachtete er als eine
Vollmacht zu einem feierlichen Anrufe an seinen Er-
schaffer, um vor Ihm seine Bedürfnisse ausbreiten zu
dürfen, mit sicherer Hoffnung zum gewissen Erfolge.
Und so fing er denn an, die heißen Wünsche seiner
Seele mit glaubensvoller Entschlossenheit zum Herrn
hinauf zu senden. Bei einer gewissen Gelegenheit begab
er sich in ein kleines Wäldchen nahe an seines Vaters
Wohnung, und knieete nieder zum feierlichen Gebete
vor Gott. Da machte der Widersacher verschiedene
mächtige Versuche, den Eifer seines Gemüthes zu er-
kalten. Er umnachtete seinen Verstand mit Zweifeln,
–   16   –

und führte seiner Seele allerlei unpassende Bilder vor,
um ihn an der Erreichung des Gegenstandes seiner
Bestrebungen zu hindern; allein die überfließende Gnade
unseres Gottes kam ihn aufzurichten, und verschaffte
neue Triebe seinen schwindenden Kräften. Bald theilte
sich jedoch die trübe Wolke, und Licht und Friede füllte
sein geängstigtes Herz. Und von Neuem rief er wie-
der mit Glauben und Kraft des Geistes zum Herrn.

      In diesem heiligen Momente schloß sich die, ihn
umgebende Natur vor seinen Blicken, um der Darstel-
lung himmlischer und geistiger Dinge freien Raum zu
geben. Zwei glorreiche, himmlische Personen stunden
vor ihm, die sich in Gesicht und Gestalt ganz einander
glichen. Diese unterrichteten ihn, daß seine Gebete er-
hört seien, und daß der Herr beschloßen habe, ihn mit
besonderer Gunst zu beglücken. Es wurde ihm auch ge-
sagt, daß er keiner Religions-Secte oder Parthei an-
hängen solle, da alle derselben in ihrer Lehre irrten,
und keine von Gott als Seine Kirche und Sein Reich
angesehen wäre. Ferner ward ihm noch befohlen,
in Geduld zu harren bis zu einer künftigen Zeit, wo
die wahre Lehre Christi und die ganze Vollheit des
Evangeliums ihm soll geoffenbaret werden. Das Ge-
sicht
schloß sich, und Friede und Ruhe stiegen in sein
Gemüth.
–   17   –

      Einige Zeit nachher als ihm diese himmlische Offen-
barungen geworden sind (in seinen früheren Jahren), ver-
fiel er in die Fehler und Eitelkeiten der Welt, welche
er später jedoch aufrichtig bereute.

      Am Abende des 21. Septembers A. D. 1823 ge-
fiel es dem Herrn sein Flehen wieder zu erhören, und
den Bitten seines Herzens zu antworten. Er begab sich
wie gewöhnlich, in dieser merkwürdigen Nacht zur Ruhe
mit dem betenden Wunsche, daß ihm wieder eine Un-
terredung mit irgend einem himmlischen Boten gewährt
werden möchte, der ihm die gewünschte Unterweisung
über seine Annahme vor Gott, so wie auch über die
zu enthüllenden Grundsätze der Lehre Christi geben würde,
der Verheißung gemäß, die ihm in dem früheren Ge-
sichte ward. Als er so fortfuhr sein Gebet dem himm-
lischen Vater zuzusenden, da füllte plötzliches Licht, gleich
dem des Tages, nur noch reiner und verklärter, das
Zimmer. Der erste Anblick war in Wahrheit, als ob
das Haus in verzehrendem Feuer stünde. Das plötzliche
Erscheinen dieses Lichtes
, hatte eine Wirkung, gleich der
eines heftigen Stoßes, auf seinen Körper, die bis an
dessen Extremitäten fühlbar war.

      Sein Gemüth jedoch fühlte sich sogleich mit Ruhe
und Heiterkeit übergoßen, und sein Zustand erhob sich
zu einem Entzücken der Freude das jede Beschreibung
–   18   –

übersteigt. In derselben Minute stand eine Person vor
ihm, deren Gestalt, ohngeachtet des Lichtes, welches das
Zimmer erhellte, von noch strahlenderem Glanze um-
floßen war. Ihr Gesicht, obgleich dem Blitze ähnlich,
war lieblichen, unschuldigen und gewinnenden Anblickes,
so daß jede Furcht aus seinem Herzen verbannt war.

      Die Figur dieser Person war etwas über die ge-
wöhnliche Höhe der Männer im jugendlichen Alter;
ihre Kleidung war vollkommen weiß, und schien ohne
Nacht zu sein.

      Dieses glorreiche Wesen gab sich selber als einen
Engel Gottes kund
, gesandt auf Befehl des Herrn, ihm
zu verkünden, daß sein Gebet nun wirklich erhöret sei,
und daß er ihm die frohe Botschaft bringe, daß der
Bund, welchen Gott mit den Alten in Israel in Be-
treff ihrer Nachkommenschaft gemacht hatte, nun der Zeit
seiner Erfüllung nahe sei; daß das grosse Vorberei-
tungs-Werk zur zweiten Ankunft des Messias, seinen
Anfang nehmen werde, daß die Vollheit des Evange-
liums mit Macht unter allen Nationen gepredigt werden
werde, um ein Volk zu bilden mit Glauben und Ge-
rechtigkeit für das tausendjährige Reich allgemeinen
Friedens und ungestörter Freude.

      Diese Belehrungen wurden ihm hier gegeben, da-
mit er als ein von Gott Berufener und Auserwählter
–   19   –

die wunderbaren Absichten erkenne, die Gott durch ihn
bewirken wolle. Es ward ihm auch gesagt, daß die
»Amerikanischen Indier«, Trümmer des Hauses Israel
wären, und daß selbe, als sie Jerusalem verließen, um
nach Amerika auszuwandern, ein erleuchtetes Volk wa-
ren, im Besitze der Kenntniß des wahren Gottes, seines
Segens und seiner besondern Gunst genießend. Die
Propheten und begeisterten Schriftsteller unter ihnen
waren beauftragt, eine Geschichte über die unter ihnen
statt findenden wichtigen Ereigniße zu führen, und sie
so von Generation zu Generation zu überliefern.

      In Länge der Zeit verfiel dieses Volk in große
Gottlosigkeit, und der größere Theil desselben ward
vertilgt: aber ihre Urkunden wurden auf Befehl des
Herrn durch einen ihrer letzten Propheten schützend in
den Schoos der Erde niedergelegt, um sie vor den Hän-
den der Gottlosen zu bewahren, die sie zu zerstören
suchten. Es ward ihm gesagt, daß diese Urkunden viele
heil. Offenbarungen enthielten, die zur Ergänzung des
Evangeliums gehörten, und die als Prophezeihungen im
großen Bezuge auf die Ereigniße der letzten Tage stün-
den, und daß sie ferner um der, den Alten gegebenen
Verheißung willen, die diese Urkunden niedergeschrieben
haben, zur Kenntniß der Völker gelangen müßen, um
so den Absichten Gottes zur Wiedereinsetzung ihrer Kin-
der den Weg zu bahnen.
–   20   –

      Auch ward ihm versprochen, daß wenn er gläubig
befunden würde, er das hoch begünstigte Werkzeug sein
sollte, diese heiligen Dinge ans Licht zu bringen. Er
ward noch besonders aufmerksam gemacht, daß dies
Werk im einzigen Hinblicke auf Gott gethan werden
müße, und daß da keiner mit diesen heil. Schriften
vertraut gemacht werden könnte, der sich bemühen würde,
sich selbst zu erheben, bei Verwendung dieser heiligen
Dinge zu ungerechten und speculativen Zwecken.

      Nachdem der Engel dem Joseph Smith noch viele
andere Belehrungen, gegenwärtige und künftige Dinge
betreffend gegeben hatte, die aber in diesem Werke nicht
alle aufgezeichnet werden, verschwand er, und die Glorie
des Herrn mit ihm, jedoch sein Gemüth blieb beseligt
mit himmlischen Frieden.

      Bis zum anbrechenden Morgen ward dies Gesicht
noch zweimal wiederholt, und immer mit neuen Beleh-
rungen, das Vollbringen des grossen Werkes Gottes auf
Erden betreffend.

      Am nächsten Morgen ging Joseph Smith hinaus
ins Freie an seine Arbeit wie gewöhnlich; und hier er-
neuerte sich das Gesicht
zum wiederholten Male. Der
Gesandte des Herrn erschien ihm auf dem Felde und
zeigte ihm den Fleck, wo die heil. Urkunden, von deren
–   21   –

Wichtigkeit er Nachts vorher schon unterrichtet worden
war, niedergelegt wurden, und er befahl ihm, sogleich
zu gehen und nach denselben zu sehen. Dem zufolge
gebab er sich an den bezeichneten Platz, welcher nicht
weit von seines Vaters Wohnung entfernt war. Es
war am 22. Sept. A. D. 1823, wo er nach einer klei-
nen Anstrengung beim Aufgraben der Erde und Hin-
wegräumung mehrerer über einander gelegter Steine,
die mit Maurerkitt verbunden waren
, endlich die heili-
gen Urkunden seinen natürlichen Augen dargegeben sah.
Während er staunend und bewundernd diese geheiligten
Schätze betrachtete, sieh ! da stand der Engel des Herrn,
der ihn vorhin schon besucht hatte, wieder an seiner Seite.
Und seine Seele ward wieder erleuchtet wie Abends
vorher, er ward erfüllet mit dem heiligen Geiste, der
Himmel öffnete sich und die Glorie des Herrn erschien
um ihn.

      Und als er so dastand in Entzücken versunken in
Gegenwart des Boten himmlischer Glückseligkeit, da
sprach der Engel zu ihm: «Sieh !» – Und als er
dieß gesagt hatte, sah Joseph Smith den Fürsten der
Finsterniß vorbeiziehen mit einem zahllosen Heere seiner
Verbündeten
; und der Himmelsbote sagte abermals
zu ihm: »Dir ist nun gezeiget worden das Gute und
»das Böse, das Heilige und Unreine, die Glorie Got-
»tes und die Macht der Finsterniß, damit du hernach
–   22   –

»erkennen möchtest, die beiden Gewalten, um nicht von
»dem Bösen bethört zu werden. Sieh, was da immer
»dich zum Guten aufmuntert, das kommt von Gott, was
»es aber nicht thut, das ist vom Bösen. Er ist es, der
»der Menschen Herz mit Uebel füllt, damit sie wandeln
»in Finsterniß und Lästerung des Herrn; du aber wirst
»von nun an erkennen, daß seine Wege zum Verderben
»führen, jener aber der Heiligkeit zu Friede und Ruhe.
»Jetzt ist es dir noch nicht erlaubt, diese Urkunden in
»Empfang zu nehmen, denn es ist der Befehl des Herrn,
»daß, wenn diese heiligen Dinge erlangt werden wollen,
»es durch Gebet, Glauben und Gehorsam gegen den
»Herrn geschehen müße. Sie wurden hier niedergelegt
»als Mittel zur Anhäufung irdischen Gewinnes, oder
»zur Verherrlichung dieser Welt. Sie wurden versie-
gelt und eingegraben unter Gebeten des Glaubens, und
»haben für die Menschenkinder keinen andern Werth als
»den ihres Inhaltes. Auf ihnen ist niedergeschrieben
»die Vollheit des Evangeliums Jesus Christi
so wie es
»gegeben ward seinem Volke in diesem Lande (Amerika.)
»Und wenn es verbreitet werden soll durch die Macht
»Gottes, so wird es hingebracht werden zu den Völkern,
»die nicht aus dem Hause Israel sind. Viele derselben
»werden es annehmen, und nachher wird der Samen
»Israels gebracht werden in die Hürde ihres Erlösers,
»wenn sie diese geoffenbarten Dinge befolgen. Jene
»Vorfahren, welche die Gebote des Herrn in diesem
–   23   –

»Lande (Amerika) beobachteten, erlangten von seiner
»Gnade, durch glaubensvolle Gebete die Verheißung:
»daß, wenn ihre Abkömmlinge in Irrthümer und Ab-
»fall geriethen, sie die heiligen Urkunden nicht erhalten
»möchten, sondern daß selbe aufbewahret würden bis zu
»den letzten Tagen ihrer Kinder. Diese Dinge sind ge-
»heiliget, und müssen so gehalten werden, denn die
»Verheißung des Herrn in Betreff derselben wird er-
»füllet werden. Doch Niemand wird sie erlangen, dessen
»Herz unrein ist; denn ihr Inhalt ist heilig, durch sie
»will der Herr ein großes und wunderbares Werk voll-
»bringen: Die Weisheit des Weisen soll zu nichte
»werden, und der Verstand des Klugen mit Dunkelheit
»umhüllet sein. Und wenn die Macht Gottes sich of-
»fenbaret, so werden jene, die da in Wahrheit zu wan-
»deln glauben, mit Täuschung ringen und im Aerger zit-
»tern. Die Herzen der Gläubigen aber werden mit
»Zeichen und Wunder, mit Geschenken und Heilungen,
»mit Kundmachung der Macht Gottes und mit dem
»heiligen Geiste getröstet werden. Dir ist nun gezeiget
»worden, die Macht des Herrn und die des Satans.
»Du siehst, daß nichts wünschenwerthes in den Werken
»der Finsterniß ist, daß sie keine Glückseligkeit gewähren
»können, und daß jene, welche in selbe verfallen, nur
»elend und unglücklich sind, – während auf der andern
»Seite die Gerechten beglückt werden mit einem Platze
»in dem Reiche Gottes, wo unaussprechliche Freude sie
–   24   –

»umgibt. Dort sind sie erhaben über die Macht des
»Feindes der Wahrheit, und kein Uebel kann sie mehr
»stören. Die Glorie Gottes krönet sie, sie feiern ein
»ewiges Fest seiner Güte und sonnen sich in dem Lä-
»cheln seines Angesichtes. Obgleich dir geoffenbaret
»worden ist, auf welche Art du immer fähig sein wirst,
»das Böse zu entdecken, so will ich dir dennoch ein Zei-
»chen geben. Und wenn es geschehen soll, dann wisse,
»daß der Herr Gott ist, daß Er Seine Absichten voll-
»ziehen will, und daß der Inhalt dieser Urkunden zu
»allen Nationen, Zungen, Stämmen und Völkern unter
»den weiten Himmel gehen soll. Dieß ist das Zeichen:
»Wenn diese Dinge anfangen bekannt zu werden, das
»heißt, wenn es bekannt wird, daß der Herr dir diese
»Dinge gezeigt hat, dann werden die Vollbringer der
»Ungerechtigkeit deinen Untergang suchen. Sie werden
»Falschheiten in Umlauf bringen, um deinen Ruf zu
»zerstören, auch werden sie nach deinem Leben streben.
»Doch merke, daß, wenn du glaubensvoll bist, und die
»Befehle des Herrn vollziehest, du bewahrt werden wirst,
»um diese Dinge zur Kenntniß zu bringen, denn in ge-
»messener Zeit wird dir Befehl gegeben werden, zu
»kommen und sie zu holen. Wenn sie ausgelegt sind,
»so will der Herr einigen die Priesterwürde verleihen.
»und diese werden anfangen das Evangelium zu er-
»klären und mit Wasser zu taufen, auch werden sie Ge-
»walt haben, den heiligen Geist zu geben, durch Auflegung
–   25   –

»ihrer Hände. Dann wird die Verfolgung immer mehr
»und mehr wüthen, denn die Bosheiten der Menschen
»werden offenbar werden, und jene, welche nicht auf den
»Felsen gebaut sind, werden die Kirche Christi zu über-
»wältigen suchen. Aber je mehr Hinderniße, desto mehr
»wird sie anwachsen, und sich ausbreiten zur Kenntniß
»der Menschen, bis sie werden geheiliget sein, und eine
»Erbschaft besitzen, wo der Ruhm des Herrn über ihnen
»verweilen wird. Und wenn dies Statt finden wird,
»und alle Dinge vorbereitet sind, dann sollen die zehn
»Stämme Israels wieder entdeckt werden in den nördlichen
»Gegenden, wo sie verweilt hatten, für so lange Zeit.
»Dann wird erfüllet werden, was der Prophet sagte.
»»Und der Erlöser wird zu Sion kommen und zu denen,
»»welche aus Jakob von der Ungerechtigkeit wieder zu-
»»rückkehren.«« – Und obgleich die Vollbringer der
»Ungerechtigkeiten deine Zerstörung suchen werden, so
»wird doch der schützende Arm des Herrn über dich
»ausgestreckt sein, und du sollst als Sieger hervor ge-
»hen aus dem Kampfe, wenn du alle Seine Gebote
»hälst. Dein Name soll gekannt sein, unter den Na-
»tionen, denn das Werk, welches der Herr durch deine
»Hände vollbringen will, wird den Gerechten zur Freude,
»den Bösen aber zur Wuth gereichen. Bei den Erste-
»ren wird dein Name in Ehren stehen, bei den Letztern
»aber zum Vorwurf sein. Ja für diese soll er ein
»Schrecken sein, um des großen und wundervollen Wer-
–   26   –

»kes wegen, das vorausgehen soll zur Vollfüllung des
»Evangeliums. Gehe nun deinen Weg, und erinnere
»dich, was der Herr für dich gethan hat. Sei eifrig
»in Befolgung seiner Gebote und Er wird dich befreien
»von den Versuchungen, Nachstellungen und Fallstricken
»des Bösen. Vergiß nicht zu beten, damit dein Ge-
»müth stark werde, auf daß du Macht habest dem Bö-
»sen zu entkommen, wenn sich der Herr dir offenbaren
»will zur Erlangung dieser köstlichen Dinge.« –

      Während der Zeitdauer der vier folgenden Jahre
empfing Joseph Smith noch manche Belehrung aus
dem Munde des himmlischen Boten. Und am Morgen
des 22. Septembers A. D. 1827 erlaubte ihm der
Engel des Herrn, diese Urkunden in Empfang zu neh-
men. Diese waren auf gleichförmige Platten eingegra-
ben, welche wie Gold erschienen. Jede Platte war bei-
nahe 7 Zoll breit, und beinahe 8 Zoll lang, und an
Dicke etwas geringer als gewöhnliches Blech. Diese
waren eingegraben mit sauberer Schrift ähnlich den
ägyptischen Hieroglyphen und in Form eines Bandes
dreimal mit Draht zusammen geheftet, der mittelst
kleiner Löcher an den Enden durch das Ganze gezogen
war. Das ganze Buch war beiläufig 8 Zoll dick und
ein Theil desselben war versiegelt. Die Charaktere
oder Buchstaben des unversiegelten Theiles waren (nach
den Worten Mr. Pratt, aus dessen Schriften ich vor-
–   27   –

hergehende Erzählung entnommen) klein und künstlich
schön eingegraben. Der ganze Band trug viele Anzei-
chen des Alterthums so wie der Geschicklichkeit im
Graviren. Mit den Urkunden wurden zwei durchsichtige
Steine gefunden, klar wie Krystall, die von den Män-
nern der Vorzeit »Seher« genannt, gebraucht wurden.
Die Art, auf welche sie selbe benützten, war folgende:
Diese zwei Steine, genannt Urim und Thummim, im
Durchmesser einer englischen Krone (Münze) nur etwas
dicker, wurden dahin gelegt, wo alles Licht ausgeschlos-
sen war
. Die handelnden Personen opferten alsdann
ihre Gebete dem Herrn und die Antwort erschien, ge-
schrieben mit Buchstaben des Lichts auf den Urim und
Thummim
, verschwand aber sehr bald wieder. So:
»Kam Licht in Finsterniß, allein die Finsternisse be-
griffen es nicht.« – Auf diese Art wurden diese ge-
heiligten Urkunden ins Englische übersetzt.



——«·»——



–   28   –




Zweites Kapitel.

Ueber die Uebersetzung dieser heiligen Urkunden in die englische
Sprache, sowie auch eine kurze Aufzählung der Gegenstände, welche
sie enthalten.


———

      Nachdem es bekannt geworden war, daß Joseph
Smith himmlische Erscheinungen gehabt hatte, und daß
ihm die Kenntniß der heiligen Urkunden gewährt wor-
den war, fingen viele an, darüber zu spotten, und diese
Idee lächerlich zu machen. Andere waren geschäftig,
niedrige Verläumdungen und Falschheiten gegen ihn in
Umlauf zu bringen; manche waren geneigt ihn mit
Gewalt zu behandeln, und wieder andere glaubten und
waren verlangend, mehr zu sehen und zu hören. In
der That, es brachte eine solche Aufregung in dem
Volke hervor, gleich jener in Jerusalem, als Christus
geboren ward, wovon gesagt worden: »Herodes erschrack
und ganz Jerusalem mit ihm.« —

      In Folge dieser grossen Aufregung denn fand
Joseph Smith es geeigneter, mit seinem Weibe, das
–   29   –

er kurz vorher geheirathet hatte, in die Nähe seines
Schwiegervaters hinzuziehen in den Staat Pennsylvania
an die Ufer des herrlichen Jusquehannah - Flusses. Ehe
er Palmyra verließ, ward zu verschiedenen Malen
nach ihm geschossen, er entkam aber immer unbeschädigt
durch göttliche Fügung. Jedoch einmal ward er von
zwei Männern so heftig mit Knütteln geschlagen, daß
er noch bis zu diesem Tage die Spuren davon an sei-
nem Körper trägt. Die öffentlichen Blätter fingen an
zu grübeln, zu vermuthen und zu fragen, was wohl
der Endschluß des Ganzen werden soll.

      Nachdem er sich also eine Heimath in diesem Theile
des Landes verschafft hatte, fing er an, die Urkunden
unter der Leitung Gottes und mit Hilfe des »Urim's
und Thummim's,« die schon früher beschrieben wurden,
aus der »reformirten egyptischen« Sprache zu übersetzen.
Da er in der Kunst des Schreibens sehr mangelhaft
gebildet war, so war er genöthigt, einen Schreiber zu
verwenden, der es niederschrieb, so wie es aus seinem
Munde kam.

      In der Zwischenzeit jedoch kopirte Joseph Smith
mehrere Charaktere von dem Originale und übersetzte
sie, welche beide, die Kopie und die Uebersetzung, in die
Stadt New - York gebracht wurden, um dort einem
Manne vorgelegt zu werden, der unter dem Titel eines
–   30   –

Autors als ein, in allen alten und neuen Sprachen
viel erfahrener Mann bekannt war. Er untersuchte sie
beide, und es ward ihm unmöglich sie zu entziffern;
jedoch meinte er, daß, wenn die Original-Urkunde ge-
bracht würde, er bei deren Uebersetzung behülflich sein
könnte.

      Doch um wieder umzukehren; Joseph Smith fuhr
in seinem Uebersetzungs-Werke so fort, als es ihm seine
pekuniären Verhältnisse erlaubten, bis daß er den
unversiegelten Theil der Urkunden fertig hatte. Dieser
übersetzte Theil ist betitelt: »Das Buch Mormon«,
dessen Inhalt etwas mehr als das neue Testament um-
faßt. In diesem wichtigen und höchst interessanten Buche
ist die Geschichte von »Alt Amerika« zu lesen, von der
dort frühe statt gefundenen Niederlassung einer Kolonie,
welche aus dem Thurme Babylon kam zur Zeit der
Sprachverwirrung bis zum Anfange des fünften Jahr-
hunderts der christlichen Zeitrechnung. Durch diese Ur-
kunden lernen wir, daß Amerika in den alten Zeiten
von zwei verschiedenen Menschen - Raçen bewohnt war.
Die erste, oder ältere Raçe kam direkte aus dem grossen
Thurme und wurden Jarediten genannt. Die zweite
Raçe kam von Jerusalem beiläufig 600 Jahre vor
Christi, und dieß waren Israeliten und besonders Ab-
kömmlinge Josephs. Der erste Völkerstamm, oder Ja-
rediten wurde vertilgt um jene Zeit, da die Israeliten
–   31   –

von Jerusalem kamen und ihr Land im Besitz nahmen.
Der Hauptzweig des zweiten Stammes verwickelte sich
in Krieg im Anfange des fünften Jahrhunderts der
christlichen Zeitrechnung. Die übrig bleibenden Trümmer
sanken in einem gänzlich uncivilisirten Zustand zurück,
fuhren aber fort, dieß Land zu bewohnen und theilten
sich in eine Menge von Stämmen, welche von den
Europäern »die Amerikanischen Indier« genannt werden.

      Wir lernen auch aus dieser Geschichte des Alter-
thums, daß Gott, als er zur Zeit der Sprachverwirr-
ung die Völker über das ganze Antlitz der Erde ver-
breitete, die Jarediten als ein gerechtes Volk anerkannte
und sie Gnade finden ließ vor seinen Augen, und sie
unvermischt mit andern Völkern erhielt. Und weil sie
gerecht waren, so leitete sie der Herr vom Thurme
Babylon zu dem grossen Ozean, wo ihnen befohlen ward
Schiffe zu bauen, in denen sie die grossen Tiefen des
Meeres überschritten, und an den Ufern Nord-Amerika's
landeten. Gott der Herr versprach ihnen, dieses Land
zu geben als Erbtheil, welches in Seinen Augen ein
auserwähltes Land war. Ueberdieß versprach er ihnen,
sie zu einer grossen und mächtigen Nation zu machen,
so daß keine zweite stärkere zu finden sein sollte auf
dem Anlitze der Erde. Aber Er schwur auch, daß, wer
immer dieß Land der Verheißung besitzen sollte von
dieser Zeit an, Ihm dem einzig wahren, lebendigen
–   32   –

Gott dienen müße; denn sonst würden sie hinweg ge-
schwemmt werden von dem Erdboden, wenn das Maas
ihrer Ungerechtigkeiten voll wäre.

      Und in gemessener Zeit wurden sie ein zahlreiches,
mächtiges Volk, hauptsächlich Nord-Amerika bewohnend,
und sie bauten grosse Städte in allen Theilen des Lan-
des, und wurden ein civilisirtes und erleuchtetes Volk.
Ackerbau, Manufakturwesen und Handel verbreiteten sich
im Lande, und wurden mit dem besten Erfolge getrie-
ben. Jedoch in Folge ihrer Ungerechtigkeiten wurden
sie oft mit schrecklichen Strafen heimgesucht. Viele
Propheten wurden von Generation zu Generation unter
ihnen erweckt, welche Zeugniß gaben gegen die Boshei-
ten der Menschen, und Strafen und Trübsale prophe-
zeihten, die auf sie warteten, wenn sie sich nicht bekehr-
ten. Oft waren sie von der Pest heimgesucht, und manch-
mal auch mit Hunger und Krieg, bis endlich, (nachdem
sie das Land beiläufig 1500 oder 1600 Jahre lang
bewohnt hatten), ihre Bosheit so groß wurde, daß der
Herr durch den Mund der Propheten drohte, sie von
dem Erdboden zu vertilgen. Allein sie gaben der Warn-
ung kein Gehör; deshalb ward das Wort des Herrn
an ihnen erfüllt, indem sie gänzlich zerstört, und ihre
Häuser und Städte und ihre Besitzthümer öde gelassen
wurden. Ihre Urkunden, welche auf Platten von Gold
gezeichnet waren, und sich in den Händen Ether's, eines
–   33   –

ihrer letzten Propheten befanden, wurden auf eine Weise
zurück gelassen, daß sie leicht von den Uebriggebliebenen
Joseph's, welche bald nachher von Jerusalem ausgingen
und in dieses Land kamen, um es zu besitzen, aufgefun-
den wurden; und mittelst des »Urim und Thummim«
waren sie fähig selbe zu lesen.

      Diese Uebriggebliebenen Joseph's wurden wunder-
bar aus Jerusalem geführt im ersten Jahre der Regier-
ung Zedekiah's, König von Juda. Erst wurden sie an
das östliche Ufer des rothen Meeres geleitet, wo sie
für einige Zeit an der Küste hinwandelten, und dann
eine südöstliche Richtung einschlugen. Dann lenkten sie
ihren Lauf ostwärts bis sie an das grosse Gewässer ge-
langten, wo sie auf Befehl Gottes ein Schiff bauten,
in welchem sie unbeschädigt über das stille Meer gelang-
ten, und an den westlichen Küsten Süd-Amerika's an-
landeten.

      Im eilften Jahre der Regierung Zedekiah's, um
dieselbe Zeit, wo die Juden gefangen nach Babylon ge-
führt wurden, zogen andere Uebriggebliebene aus von
Jerusalem, deren manche Abkömmlinge Jndah's waren
Diese landeten in Nord - Amerika doch bald nachher
emigrirten sie nach den nördlichen Gegenden Süd-
Amerika's, an welchem Platze sie aufgefunden wurden
von den Uebriggebliebenen Joseph's beiläufig 400 Jahre
nachher.
–   34   –

      Ferner erfahren wir durch diese alten Urkunden,
daß diese Uebriggebliebenen Joseph's, bald nachdem sie
gelandet hatten, sich in zwei verschiedene Nationen theil-
ten. Diese Theilung wurde hauptsächlich von der grössern
Partie derselben veranlaßt, weil sie die Uebrigen verfolg-
ten um ihrer Gerechtigkeit willen. Die verfolgte Nation
wanderte aus gegen den nördlichen Theil des Südens
Amerika's, und ließ die böse und rebellirende Nation
im Besitze der Mitte des südlichen Theiles. Die ersteren
wurden Nephiten genannt, ihres Anführers und Prophe-
ten halber, dessen Name Nephi war; die anderen
wurden von einem sehr bösen Manne geleitet, dessen
Name Laman war, und deßhalb Lamaniten genannt.

      Dee Nephiten besassen eine Kopie der fünf Bücher
Moses, und der Prophezeihungen der heiligen Propheten
bis zu Jeremiah herab, in dessen Tagen sie Jerusalem
verließen. Diese trugen Sorgen, eine treue Geschichte
ihrer Nation, und eine glaubwürdige Urkunde jener
Mittheilungen zu unterhalten, die Gott ihnen angedei-
hen ließ durch Prophezeihungen, Visionen oder Offen-
barungen. Alle diese Urkunden wurden von gerechten
und heiligen Männern unterhalten, sorgfältig bewahrt
und übergeben von Generation zu Generation.

      Und der Herr gab ihnen das ganze Festland als
ein Land der Verheißung, und Er versprach ihnen, daß
–   35   –

sie und ihre Kinder nach ihnen es besitzen sollten, wenn
sie verharrten im Gehorsam gegen Seine heiligen Ge-
bote; doch wenn sie ungehorsam wären, würden sie aus-
gestossen werden von Seiner Gegenwart.

      Und die Nephiten fingen an in diesem Lande zu
gedeihen um ihrer Gerechtigkeit willen, und sie vermehr-
ten und verbreiteten sich fort nach Norden, Ost und
Westen. Sie bauten grosse Städte, Dörfer und Syna-
gogen, und führten Thürme und Festungswerke aus,
um sich gegen ihre Feinde zu vertheidigen. Sie bebau-
ten die Erde, zogen verschiedene Arten Getreide im
Ueberflusse, und hatten zahllose Heerden von Hausthieren.
Sie wurden ein sehr wohlhabendes Volk, besassen Gold,
Silber, Kupfer, Zinn und Eisen in Menge, und Künste
und Wissenschaften blühten unter ihnen in grosser Aus-
dehnung. Verschiedenartige Maschinen waren im Ge-
brauche, kostbare Stoffe wurden gewoben, und Schwer-
ter, Säbel, Axten und allerlei Kriegsgeräthe wurden
verfertigt, um dem Feinde in der Schlacht zu trotzen,
Und so waren sie in den Tagen ihrer Gerechtigkeit ein
erleuchtetes und glückliches Volk.

      Die Lamaniten aber brachten viele Züchtigungen
über ihr eigenes Haupt um der Verhärtung ihres Her-
zens willen. Dessen ohngeachtet aber wurde ihre Nation
nicht zerstört, sondern Gott der Herr sandte seinen Fluch
–   36   –

über sie, und sie wurden ein schwarzes, Widerwillen er-
regendes, schmutziges Volk. Vor ihrer Rebellion waren
sie weiß, und außerordentlich schön, gleich den Nephi-
ten; aber der Herr fluchte ihrem Angesichte, und ihre
Farbe ward schwarz, und sie wurden ein wildes rohes
und blutdürstiges Volk, und grosse Feinde der Nephi-
ten, welche sie durch jedes Mittel zu zerstören suchten.

      Zu öftern Malen zogen sie mit zahllosen Heeren
gegen sie zur Schlacht, sie wurden aber von den Nephi-
ten immer besiegt, und bis in ihre Besitzthümer zurück-
getrieben, jedoch nicht ohne grossen Verlust von beiden
Seiten.

      Zehntausende wurden gewöhnlich erschlagen, welche
nach dem Kampfe in grosse Haufen übereinander gewor-
fen und mit Erde überschüttet wurden. Diese Verfah-
rungsart gibt uns die erste und beste Auskunft über
jene alten Hügel, die mit menschlichen Gebeinen gefüllt
sind, und so zahlreich in den heutigen Tagen in Nord-
und Südamerika aufgefunden werden.

      Die Propheten der Nephiten weissagten grosse
Dinge. Sie enthüllten die Geheimnisse der Zukunft,
sahen die Ankunft des Messias im Fleische, und weis-
sagten die Segnungen, die auf ihre Nachkömmlinge
kommen würden in den letzten Zeiten. Diese brachten
die Geschichte ungeborner Geschlechter zur Kenntniß und
–   37   –

entfalteten die grossen Ereignisse der künftigen Alter.
Sie sahen, die Macht und Glorie der zweiten Ankunft
des Messias und die Wiedererhebung des Reiches des
Friedens. Sie staunten über den Ruhm der Tage der
Gerechten, sie sahen die Erschaffung erlöst vom Fluche,
und die Gerechten erfüllt mit ewiger Freude.

      Die Nephiten wußten von der Geburt und Kreu-
zigung Christi durch gewisse himmlische und irdische
Phänomene welche in diesen Zeiten gezeigt wurden zur
Vollfüllung der Weissagungen ihrer Propheten. Ohn-
geachtet der grossen und manchfaltigen Segnungen, mit
denen sie begünstigt wurden, verfielen sie dennoch in
grosse Ungerechtigkeiten, stießen ihre Heiligen und Pro-
pheten hinaus und steinigten und tödteten sie. Deßhalb
wurden sie zur Zeit der Kreuzigung Christi mit grossen
Strafen heimgesucht. Dichte Finsterniß umgab den
ganzen Welttheil in jenen Stunden, wo Licht gewesen
sein sollte; die Erde ward fürchterlich erschüttert, Felsen
zersplitterten in Trümmer, und der Boden spaltete sich
an vielen Orten. Berge versanken zu Thäler, und
Thäler stiegen zu Berge empor. Die Landstrassen
wurden zerstört, und die geebneten Wege verschoben und
verstümmelt. Viele Städte wurden in Trümmer ge-
legt, oder versanken in die Tiefe der Erde; Berge nah-
men ihre Stelle ein, oder Wasser erschien an derselben,
und noch andere wurden verbrannt durch Feuer vom
Himmel.
–   38   –

      So wurden die Weissagungen der Propheten über
ihren Häuptern erfüllt. Viele der Gottlosen von bei-
den Seiten, Nephiten und Lamaniten wurden vertilgt
in dieser fürchterlichen Heimsuchung des Gerichtes und
des Zornes Gottes des Allmächtigen. Das unschuldige
Blut der Heiligen und Propheten schrie von der Erde
empor, und der Herr Gott neigte Sein Ohr und hörte,
und Seine Hand übte Rache, und seine Wuth brach
gleich einem Wirbelwinde plötzlich über sie herein.

      Jene, welche diese schrecklichen Strafen überlebten,
waren mit der persönlichen Amts-Verrichtung Christi
begünstigt.

      Nachdem Er Seine Sendung in Jerusalem voll-
bracht hatte, und vom Tode erstanden und in den Him-
mel aufgefahren war, stieg Er in Gegenwart der
Nephiten in ihre Mitte herab, als sie um ihren Tem-
pel versammelt waren in dem nördlichen Theile Süd-
Amerika's.

      Er sagte den Juden in Jerusalem, bevor er ge-
kreuzigt ward, daß Er noch andere Schafe hätte, die
nicht aus demselben Schafstalle wären; auch diese wollte
er bringen zu den Uebrigen und sie würden Seine
Stimme hören. Und Er zeigte ihnen dann Seine ver-
wundeten Hände und Füße und Seine Seite und be-
fahl ihnen, das Gesetz Moses abzuschaffen, und an sei-
ner Statt das Evangelium einzuführen und zu begrün-
–   39   –

den. Er suchte zwölf Jünger unter ihnen, die da das
Evangelium zu predigen hatten und zu taufen und die
Kirche aufzurichten und Er setzte das Sakrament des
Brodes und Weines ein. Er betete für ihre kleinen
Kinder, und legte ihnen Seine Hände auf und segnete
sie. Er heilte ihre Krankheiten, ihre Blindheit und
Lahmheit; die Tauben machte er hören, und die Be-
trübten tröstete er in jeglicher Art. Er erweckte die
Todten zum Leben, und zeigte fortwährend seine Macht
unter ihnen. Er erklärte die Schriften, welche ihnen
gegeben sind vom Anfange her, bis auf diese Zeit, und
machte unter ihnen viele Dinge bekannt, die da Statt
finden sollten, bis er kommen würde in Seiner Glorie,
wo dann alle Völker, Nationen und Sprachen vor Gott
stehen werden, um gerichtet zu werden.

      Nachdem Jesus Sein Amt unter ihnen verrichtet
hatte, stieg Er wieder zum Himmel auf, und die zwölf
Jünger, die erwählet worden, gingen hin in dem Lande
das Evangilium zu predigen, zu taufen, und die Sün-
den nachzulassen allen denen die ihre Ungerechtigkeiten
aufrichtig bereuten.

      Nach der Taufe (welches unabweichlich immer mit
gänzlichem Untertauchen des Körpers im Wasser geschah,
im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen
Geistes) legten sie ihnen die Hände auf, damit sie er-
halten möchten die Gabe des heiligen Geistes, und be-
–   40   –

stättigt würden als Glieder der Kirche. Und viele
Wunder wurden unter ihnen gewirkt, von den Brüdern
der Kirche.

      Schaaren von Nephiten und Lamaniten in Süd-
und Nord - Amerika wurden zum Herrn bekehrt, und
diese wandelten vor Gott in Gerechtigkeit und Wahrheit
mehr denn 300 Jahre. Doch gegen das Ende des vier-
ten Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung waren
sie so sehr wieder von Gott abgefallen, daß sie grosse
Züchtigungen zu erdulden hatten, die über sie verhängt
wurden. Die Lamaniten wohnten zur selben Zeit in
Süd- und die Nephiten in Nord-Amerika.

      Ein grosser zerstörender Krieg erhob sich unter
ihnen, der mehrere Jahre dauerte, und mit dem Um-
sturze und der gänzlichen Zerstörung der Nephiten en-
digte. Dieser Krieg entspann sich auf dem Eng - Paß,
oder Landzunge Darien, und ward beiden Nationen
Verderben bringend, für manches Jahr. Endlich wurden
die Nephiten aber hinweg getrieben von ihren Feinden
gegen Norden und Nord-Osten, doch ihre ganze Nation
versammelte sich wieder, Männer, Weiber und Kinder
und lagerten sich rund um den Berg »Cumorah«, wo
die Urkunden gefunden wurden, nämlich in dem Staate
New-York, beiläufig zweihundert englische Meilen west-
lich von der Stadt Albany. Hier denn begegneten sie
dem Heere der Lamaniten noch einmal und wurden
gänzlich geschlagen und niedergemacht ohne Ausnahme
–   41   –

des Alters oder Geschlechtes. Zehn mal zehn Tausende
wurden erschlagen von beiden Seiten, und die Nation
der Nephiten vollkommen zerstört, mit Ausnahme eini-
ger, die zu den Lamaniten übergingen, und wieder ei-
niger, die in die südlichen Gegenden flohen. Noch Andere
blieben verwundet auf dem Schlachtfelde für todt liegen,
unter denen auch Mormon war und sein treuer Sohn
Maroni, welches gerechte Männer und Propheten des
heiligen Gottes waren.

      Mormon hatte die Geschichte und die Urkunden,
die bei seinen Vorvätern fortgeführt wurden, auf Plat-
ten, die er hiezu selbst bereitete, abgekürzt nieder ge-
schrieben, und sie »Urkunden Mormon's« genannt. Diese
waren in einer Sprache geschrieben, welche sie die »egyp-
tisch reformirte« nannten, und die sich aus der alten
hebräischen und egyptischen Sprache gebildet hatte. Diese
beiden letztern Sprachen wurden gleichzeitig von dem
Volke unterstanden, als sie von Jerusalem ausgingen
in dem ersten Jahre der Regierung des Königs Zede-
kiah. Diese Abkürzung nun, nachdem sie in die engli-
sche Sprache übersetzt worden, ist »das Buch Mor-
mon's« genannt. Drei grosse Ausgaben, und eine vierte
Stereotypen-Ausgabe ist bereits in den vereinigten Staa-
ten Amerika's erschienen, so wie zwei derselben in
England. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird in Bälde
eine deutsche Uebersetzung herausgegeben werden so wie
auch in der Sprache anderer Nationen. Eine Absicht
–   42   –

dieses kleinen Werkes ist es deshalb, ihr den Weg zu
bereiten, und ihr eine Einleitung zu geben.

      Mormon, welcher den Befehl von Gott erhalten
hatte, verbarg alle die heiligen Urkunden seiner Vor-
väter
, die in seinem Besitze waren, in den Berg Cu-
morah
, diese Abkürzung ausgenommen »Urkunde Mor-
mon's« genannt, welche er seinem Sohne Moroni zur
Vollendung übergab. Moroni überlebte seine Nation
für einige Jahre, und setzte die Geschichte fort, in
welcher er uns bekannt macht, daß die Lamaniten so
lange jene wenigen Nephiten verfolgten (welche bei der
grossen und fürchterlichen Schlacht von Cumorah ent-
kommen waren), bis sie sie gänzlich zerstört hatten,
mit Ausnahme jener, die sich mit den Lamaniten ver-
mischten. Er selbst sagt, daß er allein verlassen ward,
und sich verborgen halten mußte; denn sie suchten jeden
Nephiten zu vertilgen, der Christus nicht verleugnen
wollte. Die Lamaniten, nicht befriedigt, die Nephiten
zerstört zu haben, fingen Krieg unter ihnen selber an,
und das ganze Anlitz des Landes war ein ununterbro-
chener Schauplatz des Raubens, Plünderns und Blut-
vergießens. Er fuhr in der Geschichte fort bis zum
420zigsten Jahre der christlichen Zeitrechnung, als ihm
Gott befahl, diese Urkunden in den Berg Cumorah zu
vergraben
, wo sie für mehr denn 1400 Jahre ruhten
am sicheren Orte. Aber der Engel des Herrn ward
–   43   –

gesandt, diese verborgenen Schätze aufzudecken, wie es
beschrieben ward in dem vorhergehenden Kapitel.

      Es scheint, daß der Prophet Isaiah den Auszug
dieser Uebriggebliebenen von Jerusalem vorher gesehen
habe, wenn er spricht in dem 37ten Kapitel seiner
Prophezeihung am 31. und 32. Vers. »Und was von
dem Hause des Juda erhalten wird, und was übrig
bleibt, das wird unter sich wurzeln, und über sich
Frucht tragen. Denn von Jerusalem werden die Uebrig-
gebliebenen und die Erretteten vom Berge Zion aus-
gehen; dieß wird der Eifer des Herrn der Heerschaaren
thun.« Also in Kenntniß mit der Geschichte der Ent-
deckung dieser Urkunde ist der Leser besonders ermahnt,
das 29. Kapitel der nämlichen Prophezeihung (Isaiah)
mit Aufmerksamkeit zu lesen.


——«·»——




–   44   –




Drittes Kapitel.

Ueber das Recht und die Gewalt des heiligen Priester - Amts und
über die Art und Weise wie es der Kirche „Jesus Christ of
Latter Day Saints“
verliehen ward.


———

      Der Gegenstand des Priester - Amtes hat allein
schon mehr Streit, Bitterkeit und Eiferung zwischen
der katholischen und protestantischen Kirche veranlaßt,
als alle übrigen fraglichen Punkte zusammen. In derlei
Streitigkeiten ist die Kirche Jesus Christ of Latter
Day Saints
nicht geneigt sich einzulassen, um so we-
niger, da sie keine Ursachen dazu hat.
      Die Definition des Priesteramtes mag auf folgende
Art betrachtet werden: Macht und Gewalt ward dem
Menschen durch Christus selbst verliehen, wodurch er
bevollmächtigt ist, das Wort des Lebens zu predigen
und zu erklären, und das Haus Gottes aufzubauen,
zu organisiren und zu regieren in Sanftmuth und Rein-
heit, so wie auch alle die Gebräuche, Ceremonien und
Anordnungen der Kirche zu verrichten im Namen des
Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.
      Wer da immer auf Erden diese Macht und Ge-
walt besitzt, der ist der Vertreter des Heilandes, der
–   45   –

Gesandte des Allerhöchsten; und da er an Christus Statt
handelt, so sind seine amtlichen Handlungen, göttlichen
gleich, anerkannt. Denn was er binden wird auf Er-
den, soll auch im Himmel gebunden sein, und was er
lösen wird auf Erden, soll auch im Himmel gelöset sein.
      Er, der glaubt zu handeln im Namen des Vaters,
des Sohnes und des heiligen Geistes, ohne diese ihm
gesetzmäßig verliehene Gewalt erhalten zu haben, nimmt
die schreckliche Verantwortung auf sich, eher zu laufen,
als er gesandt ist, und dasjenige zu thun, wozu der
Himmel ihn weder bevollmächtigt, noch befähigt hat.
Deßhalb wird er dem Volke von keinem Nutzen sein,
sondern er wird selbes täuschen, und seine eigene Seele
in die Falle bringen. Verschiedene Grade der Gewalt
sind unter den Menschen verliehen, der Stellung ange-
messen, welche sie in der Kirche auszufüllen berufen
sind. Einige sind Apostel, andere Propheten, wieder
einige Evangelisten und Hirten und Lehrer &c., jedoch
alle diese Klassen oder Grade der Gewalt stehen unter
dem Haupte des Priesteramtes.
      Im Jahre 1829, nachdem Joseph Smith und
Mr. Cowdry der Schreiber und Sekretär des Ersteren
die Uebersetzung des »Buches Mormon« beinahe gänz-
lich vollendet hatten, erkannten sie hieraus, daß die
wirkliche Art der Taufe ein Untertauchen des ganzen
Körpers im Wasser bestehe. Es erwachte in ihnen daher
ein heftiges Verlangen, getauft zu werden. Da sie
–   46   –

aber Keinen kannten, in all den Kirchen, welche ihnen
bekannt waren, der da bevollmächtigt gewesen wäre,
diese Vorschrift an ihnen auszuüben, so entschlossen sie
sich zum Herrn zu rufen, um Licht und Belehrung
über den Weg, welchen sie einzuschlagen hätten. Sie
hatten noch nicht lange mit entschlossenem Eifer fort-
gefahren, als der Herr ihnen Seinen Engel sandte, der
vor ihnen stund, ihnen die Hände auf ihre Häupter
legte und ihnen befahl einander zu taufen, welches sie
auch sogleich thaten. Ich will Mr. Cowdry's eigene
Worte über diesen Gegenstand hier anführen, womit
er, in einem Briefe an einen seiner vertrautesten Freunde,
Richter Phelphs, die Einfachheit, Grösse und Erhaben-
heit dieser Scene auf eine sehr schöne Weise beschreibt.
            »Niemand mit seinem gesunden Verstande
      »könnte jene Befehle übersetzen oder niederschreiben,
      »welche den Nephiten von dem Heilande selbst ge-
      »geben wurden, über die bestimmte Art und Weise
      »mit welcher Seine Kirche aufgebaut werden sollte,
      »wenn er nicht den Wunsch hegte, dies ausgezeich-
      »nete Vorrecht zu besitzen, nämlich: begraben wor-
      »den zu sein in dem Wasser der Taufe, um dem
      »Herrn in seiner Begräbniß und in seiner Aufer-
      »stehung nachzuahmen. Und dieß wäre um so
      »nothwendiger, da Verberbtheit eine gänzliche Un-
      »gewißheit über alle religiösen Formen und Systeme
      »unter die Menschenkinder brachte.
–   47   –

            »Nachdem wir jene Uebersetzung des »Buches
      »Mormon« niedergeschrieben hatten, welche den
      »Bericht über des Heilandes persönliche Amtsver-
      »richtung unter den Uebriggebliebenen des Saamens
      »Jakob auf diesem Kontinente (Amerika) enthielt,
      »so war es leicht zu sehen, »daß wie der Prophet
      »sagte, es sein würde, Finsterniß die Erde bedeckte,
      »und große Finsterniß die Völker.« Bei weiterer
      »Ueberlegung war auch sehr leicht zu sehen, daß
      »in Mitte des Streitens und Lärmens, Religion
      »betreffend, keiner von Gott die Vollmacht hatte,
      »die Verordnungen des Evangeliums zu verrichten.
      »Die Frage mag sich dann gestalten : haben jene
      »Menschen die Macht, im Namen Jesu zu admi-
      »nistriren, die da die Offenbarungen läugnen, da
      »das Zeugniß Christi doch nichts anders, als der
      »Geist der Weissagung, ja Seine Religion selber
      »ist, die da gegründet, gebaut und unterhalten ist
      »durch unmittelbare Offenbarungen, die in jegli-
      »chem Alter der Welt gegeben waren, wenn Er
      »ein Volk hatte, ihm zu dienen!? Waren diese
      »Thatsachen auch den Menschen durch jene verbor-
      »gen, dessen Gewerbe in Gefahr gewesen sein würde,
      »wenn selbe zur Kenntniß gekommen wären, so
      »waren sie es doch für uns nicht mehr, und wir
      »harrten dem Befehle entgegen: »»Stehe auf, und
      »»laß dich taufen!«« – Nicht lange war dieser
–   48   –

      »Wunsch ausgesprochen, so ward er auch schon er-
      »erfüllt. Der Herr, welcher reich ist an Barm-
      »herzigkeit, und sich immer bereit findet, dem
      »innigen Flehen des Demüthigen zu antworten,
      »ließ sich herab uns Seinen Willen kund zu thun,
      »nachdem wir fern von den menschlichen Wohnungen
      »eifrig zu ihm gerufen hatten. Plötzlich, wie aus
      »dem Schoose der Ewigkeit sprach die Stimme des
      »Erlösers zu uns
; der Schleier fiel von unsern
      »Augen und der Engel Gottes kam hernieder, mit
      »Glorie bekleitet, um die nach einem Boten und
      »nach den Schlüsseln des Evangeliums ängstlich
      »Harrenden zu erlösen. Welche Freude! welches
      »Wunder, welches Staunen! Während die Welt
      »mit sich selbst zerworfen und zerfallen war, wäh-
      »rend Millionen gleich Blinden herumtappten um
      »die Maurer zu finden, und die Menschen in ganzer
      »Masse in Ungewißheit verharrten, da sahen unsere
      »Augen, da hörten unsere Ohren, gleich wie ein
      »Leuchten des Tages; ja mehr noch als in des
      »Maies Sonnen-Glanze, der dahin strahlt über
      »das verjüngte Antlitz der Natur! Seine Stimme
      »obgleich mild, drang bis in unser Inneres, und
      »sein Wort. »»Ich bin dein Dienstgenoße«« zer-
      »stäubte jegliche Furcht. Wir lauschten, staunten
      »und verwunderten! Es war die Stimme eines
      »Engels der Glorie – es war ein Bote des Al-
–   49   –

      »lerhöchsten! Und wir hörten und erfreuten uns,
      »denn seine Liebe entzündete sich in unsern Seelen,
      »und wir waren entzückt in der Vision des All-
      »mächtigen. Wo war da Platz für Zweifel? Nir-
      »gend! Ungewißheit war entflohen, Zweifel gesun-
      »ken; denn Erdichtung und Täuschung waren gebannt
      »für immer!«
            »Nun, theurer Bruder! denke einen Augen-
      »blick weiter – welche Freude füllte nicht unsere
      »Herzen und in welcher seligen Ueberraschung beug-
      »ten wir uns nicht (wer sollte seine Knie nicht
      »beugen bei solcher Segnung!?) als wir unter sei-
      »nen Händen die heilige Priesterweihe empfingen,
      »und er zu uns sagte: »»Euch, meinen Dienst-
      »»genossen verleihe ich im Namen des Heilandes
      »»das Priesteramt und dessen Gewalt, welches blei-
      »»ben soll auf Erden, damit die Söhne Levi's
      »»dem Herrn ein Opfer bringen in Gerechtigkeit!««
            »Ich wage es nicht zu versuchen, Ihnen die
      »Gefühle dieses Herzens, noch die Herrlichkeit,
      »Schönheit und Glorie zu beschreiben, welche uns
      »bei dieser Gelegenheit umgab ; jedoch mögen Sie
      »glauben, wenn ich Ihnen sage, daß kein Sterbli-
      »cher im Stande wäre, besäße er auch die ganze
      »Macht menschlicher Beredsamkeit, diesen Gegen-
      »stand mit so erhabener, und gewichtiger Sprache
      »zu bezeichnen, als diese heilige Person es that )
–   50   –

      »Nein, nimmer hat diese Erde Macht, jene Freude,
      »jenen Frieden, jene Weisheit zu verleihen, die in
      »jedem Satze enthalten waren und die da gegeben
      »wurden durch die Macht des heil. Geistes. Der
      »Mensch mag seinen Mitmenschen täuschen, Betrug
      »dem Betruge folgen, und die Kinder der Bosheit
      »mögen Macht haben, die Thoren und Ungelehrten
      »zu verführen, bis nichts mehr als Erdichtung
      »nur die Menge nährt, und die Frucht der Falsch-
      »heit den Schwindelnden in ihrem Strudel zum
      »Grabe reißt – doch eine Berührung mit dem
      »Finger Seiner Liebe, ja ein Strahl der Glorie
      »von der obern Welt, oder ein Wort von dem
      »Munde des Erlösers, oder aus dem Schoose der
      »Ewigkeit – und alles zerfällt in nichts, und
      »Versicherung, daß wir in der Gegenwart eines
      »Engels waren, die Gewißheit, daß wir die Stimme
      »Jesus hörten, und die Wahrheit unbefleckt em-
      »pfingen, so wie sie der Wille Gottes selbst
      »diktirte, dieß, mein Freund, ist für mich erha-
      »ben über alle Beschreibung, und ewig werde ich
      »auf diesen Ausdruck der Liebe des göttlichen Hei-
      »landes mit Dank und Verwunderung blicken, so
      »lange es mir erlaubt ist, hiernieden zu verwei-
      »len. Doch einst hoffe ich Ihn anzubeten an jener
–   51   –

      »Stätte, wo Vollkommenheit wohnt und Sünde
      »nimmer wiederkehrt, und der Tag des Lebens
      »niemals sich zu Ende neigt.»
            »Ich muß für dieß Gegenwärtige schließen ;
      »mein Licht ist dem Erlöschen nahe; die ganze
      »Natur ist in Schweigen gehüllt, und Dunkelheit
      »bedeckt die Erde, um jener Ruhe zu genießen,
      »welche diesem Leben so nothwendig ist. Jedoch
      »die Zeit rollt heran, wo diese Nacht endigen
      »wird, und jene, die würdig befunden worden,
      »die Stadt besitzen sollen, wo weder das Licht der
      »Sonne noch das des Mondes nothwendig sein
      »wird, da die Glorie des Herrn sie beleuchten,
      »und das Lamm ihr Licht sein wird für immer.«
O. Cowdry.    
      J. N. W. Phelps Esqr.

      Aus den früheren Bemerkungen, so wie aus dem
vorstehenden Auszuge aus dem Briefe Mr. O. Cowdry
an seinen vertrauten Freund, Richter Phelps, ist leicht
zu entdecken, daß unsere Kirche weder mit der katholi-
schen noch mit der protestantischen, hinsichtlich ihres
Ursprunges, ihres Priesteramtes und ihrer Regeln, in
gar keiner Beziehung steht. Deßhalb machen wir auch
keine Ansprüche, weder an die Rechte noch an die Au-
torität des Priesteramtes von irgend einer dieser ge-
gründeten Kirchen; denn: gleich wie die Materialien,
aus denen der Tempel Salomons aufgebaut ward, von
–   52   –

den rauhen Klippen des Libanons genommen, und in
ein herrliches Haus verwandelt wurden, in welchem der
Herr selbst zu wohnen sich würdigte, so war der Grund-
stein unserer Kirche aus dem Steinbruche der Natur
geholt, ohne zuvor unter dem polirenden Meißel irgend
einer religiösen Sekte gelegen zu haben; und deßhalb
war er fähig, jegliche Gestalt anzunehmen, welche dem
grossen Baumeister ihm zu geben gefiel.
      Und so gefiel es dem Herrn, Seinen Engel vom
Himmel zu senden mit dem Siegel der Autorität, um
es den Menschen auf Erden zu übergeben »in der eilf-
ten Stunde des Tages« zur Vollfüllung alles dessen,
was er seinem Diener Johannes offenbarte auf der
Insel Patmos; Offenb. 14, 6 und 7; »Und ich sah
»einen andern Engel mitten durch den Himmel fliegen,
»der hatte ein ewiges Evangelium, es zu verkündigen
»den Bewohnern der Erde, und allen Völkern und
»Stämmen und Sprachen und Nationen,
      »und sprach mit starker Stimme: Fürchtet den
»Herrn, und gebt ihm die Ehre; denn die Stunde sei-
»nes Gerichtes ist gekommen. Betet Den an, Der
»den Himmel und die Erde, das Meer und die Wasser-
»quellen geschaffen hat.« —
      Ferner noch am 7. Kap. 2. V.: »Und ich sah
»einen andern Engel emporsteigen von Sonnenaufgang,
»der das Zeichen des lebendigen Gottes hatte, und er
»rief mit starker Stimme den vier Engeln zu, denen
–   53   –

»Macht gegeben ward, zu beschädigen die Erde und
»das Meer.«
      Und wiederum 18. Kap. 1. V.: »Darauf sah
»ich einen andern Engel herabsteigen vom Himmel,
»der eine grosse Macht hatte: und die Erde ward er-
»leuchtet von seinem Glanze.«
      Aus diesen Anführungen und noch mehreren ande-
ren, welche aus dem alten und neuen Testamente könn-
ten angemerkt werden, ist klar zu sehen, daß der Herr
selbst dazwischen trat in den Zeiten des herannahenden
Endes, um die Siegel der verborgenen Geheimnisse auf-
zubrechen, der Sünde ein Ende zu machen, und ewige
Gerechtigkeit einzuführen, damit da viele hin- und her-
laufen, und Kenntniß wachsen möge immerdar. Sieh
Daniel 12, 4. Ihr weisen Männer, Beherrscher und
Lehrer des Volkes, betrachtet wohl diese gewichtigen
Dinge! —

    Schon glänzt der Morgen und die Schatten fliehen
    Und Zions Banner ist im Wind entrollt;
    Die Dämmerung eines hellern Tages seh' ich ziehen
    Hoch über diese Welt im Strahlen - Gold.


——«·»——




–   54   –




Viertes Kapitel.

Ueber die von der Kirche „Latter Day Saints“ als anerkannt
unterzeichneten Glaubens - Artikel und Lehr - Punkte, die aus jenen
heiligen Schriften ausgezogen worden, welche in unserm Besitze sind.


———

      Um den Wünschen mehrerer Tausenden von Freun-
den in England und Amerika zu willfahren, habe ich
mit fröhlichem Muthe den Entschluß gefaßt, dem deut-
schen Publikum eine klare und kurze Darstellung unserer
Grundsätze zu geben, mit dem festen Glauben, daß sie
gewiß den Beifall jener haben werden, denen ich die
Ehre habe sie vorzustellen. Möchten sie die Arbeit ihres
demüthigen Dieners gehörig würdigen, und von seinen
Bemühungen einige Belehrungen erndten, die gleich
Saamen, in gutes Erdreich gestreut, gedeihen.
      Nachdem ich als ein dienstthuendes Glied eine ge-
wichtige und verantwortliche Stelle in unserer Kirche
seit mehreren Jahren begleitet habe, so habe ich nicht
nur allein Gelegenheit gehabt, mich vollkommen mit
ihren Grundsätzen bekannt zu machen, sondern meine
Pflichtentledigung hat mir auch die unerläßliche Be-
dinguiß gesetzt, mich mit allen ihren Vorschriften und
–   55   –

ihrer Regierungsart vertraut zu machen. Ich hoffe
deßhalb, daß ich fähig sein werde, dem innigsten
Wunsche meines Herzens durch dieß Erzeugniß Genüge
zu leisten, nämlich: dem Herrn zu gefallen, sollte ich
auch die Freundschaft der Menschen dabei verlieren.

——«·»——

Erster Artikel.
Ueber die Gottheit.

      Jeder, der da unternehmen wollte, eine vollstän-
dige Erklärung über das wunderbare und geheimnißvolle
Dasein der Gottheit zu geben, der würde nur seine
Schwäche und seine Thorheit an den Tag legen. Wenn
wir das weite Reich der Natur überblicken, was sehen
wir da, das wir völlig begreifen könnten? Nichts!
Wenn nun die Natur jenen seinen Plan, nach welchem
sie ihre großen Maschinerien treibt, so künstlich unserm
Auge verborgen hat, was müssen wir nun von jenem
Wesen denken, dessen Stimme der Natur ihr Dasein
gab, und alle ihre Theile mit Leben und Bewegung
füllte!?
      Obgleich wir die Gottheit nicht völlig begreifen
können, so sind doch in der heiligen Schrift verschiedene
allgemeine Anzeichen, welche es uns möglich machen,
einige Züge ihres Charakters zu entdecken. Und ver-
mittelst dieser Quellen aus denen wir Belehrungen schö-
pfen können, ist uns folgendes Resultat durch unsere
Untersuchung geworden.
      Es sind zwei Personen, die da die große Unver-
gleichbarkeit ausmachen, die höchste, regierende Gewalt
über alle Dinge, durch welche alles erschaffen ist, Sicht-
bares und Unsichtbares, sei es im Himmel, auf der
Erde oder unter und in derselben oder in der Unermeß-
lichkeit des Raumes. Diese beiden sind der Vater und
–   56   –

der Sohn. Der Vater ist eine geistige Person voll von
Herrlichkeit und Macht, und im Besitze aller Voll-
kommenheit. Der Sohn, der ewig in der Gegenwart
des Vaters war, trägt sein vollkommenes Ebenbild
und
theilt alle seine Glorie, Macht und Vollkommenheit.
Der Mensch ward erschaffen nach dem Bilde der Aehn-
lichkeit dieser zwei Personen, und trägt deßhalb in sei-
nen Gott ähnlichen Zügen die Sinnbilder der Macht
und Herrschaft, und ward an die Spitze aller erschaffe-
nen Wesen gestellt. Aber wie elendiglich ist der Mensch
von Gott abgewichen! Und wie viele werden noch durch
ihr unwürdiges Betragen dieses edle himmlische Bild
entehren, welches zu tragen sie gewürdiget worden sind!
      Der Sohn nahm einen menschlichen Leib in den
Schoose der gesegneten Jungfrau an, nachdem er in
Reinheit von dem heiligen Geiste empfangen worden
war.
Er wurde in diese Welt geboren in Mitte der
Jubeltöne der englischen Sängern, die ihre Stimmen
zu den höchsten Noten anschwellten um Lob und Ehre
dem Fürsten Bethlehems zu geben. »Ehre sei Gott in
»der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die ei-
»nes guten Willens sind.« So lautete der Chor der
Sänger. Diesem himmlischen Besucher, dem Sohne
des höchsten Gottes, wurden die Sünden der Welt auf-
erlegt. Sanftmüthig, unterworfen den Widersprüchen
der Sünder durchwandelte Er Sein wirkendes Leben
unter Bekanntmachung des Willens Seines himmlischen
Vaters, und unter Gutesthun an dem Leibe und an
der Seele, des Menschen bis es zuletzt den Erdenkindern
gefiel, Ihn für Seine Wohlthaten vor einen weltlichen
Richterstuhl zu schleppen, wo Er ungerechter Weise
verdammt und höchst grausam am Kreuze hingeopfert
wurde.
      Aber nun geht er entkörpert hin zu den Geistern
der Menschen, die lange in der Vorhalle weilten – Er
überschreitet die Gränzen ihrer finstern Wohnung –
macht ihnen das Evangelium kund – öffnet den müden
Gefangenen die Thore ihres Kerkers, und befiehlt ihren
–   57   –

Thränen, nicht mehr zu fließen. O ihr Ungläubigen,
die ihr nicht bereutet bei der Predigt Noa's; euere
Leiden waren eurer Ungläubigkeit angemessen; doch jetzt
ist ein Freund zu eurer Hilfe gekommen!
      Am dritten Tage erstund Er von dem Tode, und
nachdem Er noch viele Belehrungen Seinen Jüngern
gegeben hatte, stieg Er hinauf in Seine Heimath, mit
sich bringend zu dem himmlischen Hofe die reiche Beute
des Sieges über Tod, Grab und Hölle. Dort nahm
Er Seinen Sitz zur Rechten des Vaters und ist nun
unser Mittler und Advokat geworden; denn durch Sei-
nen Tod und durch Seine Vermittlung kann der Mensch
gerettet werden, wenn er Seinen Geboten gehorcht und
sich unbefleckt erhält von der Welt. Durch diesen Mann
soll ein gerechtes Gericht kommen über alles Fleisch,
denn Er besitzt denselben Willen wie der Vater, und
dieser Wille ist der heilige Geist
, welcher der ausübende
Geschäftsträger des Vaters und des Sohnes ist. Er
ist ein glorreicher Bote der Wahrheit und des Trostes,
fortgesandt von dem Vater durch den Sohn in die Her-
zen aller jener, die da aufrecht vor Ihm wandeln; und
diese Drei, nämlich: der Vater, der Sohn und der
heilige Geist sind Eins
. Deßhalb sollen alle jene, die
Seine Gebote halten, von Gnade zu Gnade steigen, Er-
ben des Reiches Gottes und Miterben Jesu Christi wer-
den. Je mehr sie sich Gott nähern durch Gehorsam,
desto mehr werden sie von ihrem eigenen Willen verlieren
und von demjenigen des Herrn oder des heiligen Geistes
empfangen. Sie werden wieder umgewandelt werden zu
Seinem Bilde, und zu Seiner Aehnlichkeit mit Ihm,
Der alles in allem füllt und werden Eins sein mit dem
Sohne, wie der Sohn Eins ist mit dem Vater. O
Menschen, wer immer ihr auch sein möget, betrachtet
wohl, was in euer Bereich gegeben ist. Heftet die Neig-
ungen euers Herzens nicht an gemeine und nutzlose
Dinge, sondern gedenkt der hohen Bestimmung, welche
aller jener wartet, die die Tugend zu ihrer Gefährtin,
und ihr Heil zum Ziel ihrer Bemühungen machen.
–   58   –


Zweiter Artikel.
Ueber den Gebrauch und die Gütigkeit der Schriften des alten
und neuen Testamentes in unserer Kirche.

      Dieser geheiligte Schatz ist von den Gliedern un-
serer Kirche anerkannt, und wir fühlen uns verpflichtet,
die darin enthaltenen gerechten und heiligen Vorschriften
durch Beispiele in unserm täglichen Wandel zu erläu-
tern. Indeß wünschen wir nicht, daß dabei verstanden
werden möchte, als ob der heilige Geist auf jeden die-
ser Sätze besonders hingewiesen hätte, oder als ob alle
die Ceremonien, welche unter den alten Juden ausgeübt
wurden, auch auf uns aufgebürdet worden wären. Jedoch
ist kein Theil in der heiligen Schrift zu finden, der
nicht irgend ein Beispiel dem demüthigen Nachfolger
Christi gäbe, aus welchem er nutzvolle Belehrungen ziehen
könnte.
      Niemand hat das Recht, diesen Schriften etwas
hinzu zu fügen, und noch weniger, etwas davon hin-
weg zu nehmen; auch könnte er es nicht thun, ohne
das gerechte Mißfallen des göttlichen Hauptes der Kirche
auf sich zu ziehen. Siehe Offenb. 22. Kap. 18. und
19. V. Sollte es aber dem Herrn selbst gefallen, eine
neue Offenbarung nachträglich den Menschen zu geben,
sei es nun, durch seine eigene Stimme vom Himmel,
durch den Dienst eines Engels, durch den heiligen Geist,
oder durch eine himmlische Vision, so würde dieß nicht
die Hinzufügung, oder überhaupt das Werk der Menschen
sein, sondern nur das Werk dessen, Der durch den
Mund Seines Sohnes erklärt hat, daß alle verborgenen
Dinge aufgedeckt, und alle Geheimnisse an den Tag
gebracht werden sollen. Deßhalb haben jene, die da
besitzen, fernere Ursache, noch mehr zu erwarten, denn
der Apostel Jakobus hat gesagt: »Wenn jemand von
»euch der Weisheit bedarf, laßt sie ihn von Gott er-
»bitten, welcher allen Menschen freigebig gibt, und es
»nicht vorrückt, und sie wird ihm gegeben werden.«
–   59   –

Und Jesus hat weiter gesagt: »Alle Dinge, was
»auch immer ihr verlangt mit festem Glauben, das
»werdet ihr erhalten.« Deßhalb: »sind demjenigen der
»glaubt, alle Dinge möglich« sagt das ewige Wort des
Lebens. Und es ist mein beständiges Gebet und mein
unwandelbarer Glaube, daß der Himmel fortfahren
möge, Sein Wort uns zu offenbaren, bis die Kennt-
niß und Gloria Gottes die ganze Erde erfüllen wird,
und die Völker keinen Krieg mehr kennen werden. Doch
der, dessen Aberglaube und Tradition ihn verleiten wird,
jede neue Kundgabe der Wahrheit vom Himmel oder
von der Erde zu verwerfen (siehe Psalm 85, 11) »soll
gleich der Hitze der Wüste sein, und soll nimmer sehen,
wenn das Gute kommt.«
      Derjenige, welcher weise den Erwerb irdischer Reich-
thümer verfolgt, verwendet sein ganzes gegenwärtiges
Vermögen zu irgend einem sichern und einträglichen
Geschäfte, und sucht dann durch Gewerbfleiß und per-
sönliche Bemühung dasselbe zu vermehren. So soll der
Nachfolger Christi thun. Er soll den bestmöglichsten
Gebrauch von dem bereits gegebenen Worte des Herrn
machen, und auf dem Pfade der Selbstverläugnung,
des Gebetes und des strengen Gehorsames noch mehr
zu erringen suchen, denn Christus hat gesagt: »der,
welcher sucht, wird finden.« Die Kinder des Lichtes
sollen eben so weise sein in ihrer Zeit, wie die Kinder
der Welt; aber der Herr hat gesagt, daß sie es nicht
sind, und dieß ist zu beklagen. Es bleibt zu fürchten, daß
viele ihr Talent in ein Buch binden und vergraben werden.

Dritter Artikel.
Ueber den Glauben.

      Jener Glaube, welcher Heil uns bringt, ist die
Gewißheit, mit der wir unsichtbare Dinge zu erlangen
hoffen, und deßhalb ist er auch die Haupttriebfeder
aller menschlichen Handlungen. Mit dieser Gewißheit
pflügt und bebauet der Ackersmann sein Feld, der
Seemann durchzieht das weite Meer und der Manufak-
–   60   –

turist, Mechaniker und Handwerksmann verfolgt gleich-
gesinnt seinen Beruf, jeder hoffend, etwas zu erlangen,
das er im Augenblicke zwar nicht sieht, dessen er aber
gewiß ist, nämlich Reichthümer.
      Sollte der Ackersmann glauben, daß sein Feld
ihm eine reiche Ernte gebe, ohne es zu pflügen oder zu
bebauen, – würde da sein Glaube allein hinreichen,
ihm die Ernte zu gewähren? Nein!
      Sollte der Seemann glauben, daß er durch seinen
Handel zur See die Reichthümer Indiens aufhäufen
könne, ohne aber dabei jemals an den Bord eines
Schiffes zu gehen, um seine Segel in den Wind hinaus
zu spannen – würde da sein Glaube allein ihm die
gewünschten Reichthümer bringen.? Nein! Oder, sollte
der Handelsmann glauben, daß er sein Besitzthum durch
Kauf und Verkauf vermehren könne, ohne jedoch zu
kaufen und zu verkaufen – würde hier sein Glaube
allein hinreichen, die gewünschte Vermehrung zu verur-
sachen? Nein! So ist es denn mit allen Klassen der
Menschen in dem geschäftlichen Verkehre dieser Welt,
und derselbe Grundsatz gilt auch in Beziehung der wah-
ren Reichthümer, die uns im Himmel hinterlegt sind.
Wenn jemand dieselben an sich bringen will, so muß
er eben so wohl arbeiten als glauben; denn Glaube
und Arbeit sind die zwei Flügel, mit welchen der Christ
von der Erde zum Himmel fliegt. Nimm einen der-
selben davon hinweg, und der andere ist von keinem
Nutzen mehr für ihn, denn mit einem Flügel kann er
nicht fliegen.
      Der Glaube wird erlangt durch Anhörung des Wor-
tes Gottes, erklärt von einem Prediger, der nicht
in jenem Worten spricht, wie die menschliche Weisheit
sie lehret, sondern mit jenen Worten, wie der heilige
Geist sie redet, wenn er geistige Dinge mit Geistigem
vergleichet. Der ganze Umfang der Natur mit all den
blühenden Reizen öffnet eine Fluth des Lichtes dem be-
trachtenden Gemüthe in Bezug auf die ewige Macht
und Hoheit Gottes, des unsichtbaren Schöpfers. Der
–   61   –

schattige Hain, der kräftig fließende Strom, die luftigen
Berge und die sich weithin dehnende Fläche verkünden
das Werk einer allmächtigen Hand. Der Himmel mit
ihren zahllosen Welten die gleich blinkenden Diaman-
ten den nächtlich blauen Dom ausschmücken, beweisen
jeden Auge das Dasein einer mehr als menschlichen
Gewalt.
      Wer kann die Natur in ihrer ewigen Entfaltung
betrachten ohne zu fragen, welche geheime Feder wohl
da unter dem Vorhang verhüllt liegen mag, durch
welche sich die zahllosen Körper im Weltraume mit
solcher Regelmäßigkeit und Ordnung bewegen? Und all
dies Wechseln und Entfalten ist einzig nur zur Bequem-
lichkeit des Menschen da.
      Man nenne nun diese Macht, durch welche die
Natur sich bewegt, durch was immer für einen Namen
als man wolle, so bleibt sie doch immer berechtigt durch
jeden Grundsatz der Wahrheit und Gerechtigkeit, An-
sprüche an unsere aufrichtigste und demüthigste Anbetung
zu machen. Denn erstens: daß sie groß ist, wird Nie-
mand läugnen; und zweitens: daß sie gut ist, kann
Niemand läugnen. Deßhalb verlangt das, was unend-
lich groß und unendlich gut ist, einen Tribut von
abhängigen Wesen, und da Gott nur ein zerknirschtes
Herz und einen reuevollen Geist forderte, nebst der folg-
samen Beobachtung Seiner guten und heilbringenden
Gesetze, wer könnte da wohl so undankbar sein, und die-
ses Opfer dem Herrn vorenthalten?
      Der Herr Jesus ist uns als Erlöser und als Ge-
genstand unsers Glaubens gegeben worden, und kein
menschliches Wesen kann zum Vater kommen, denn durch
Ihn. Ihm ist ein Name gegeben worden unter dem
Himmel und unter den Menschen, durch welchen wir
alle gerettet werden können. Er und Er allein ist un-
ser Mittler. Er hat unsern Kummer getragen, und
unser Elend auf Sich genommen, und er ladet uns
freundlich zu Sich, um durch Ihn gerettet zu werden.
–   62   –

      In dich, o Mensch! sucht der Schöpfer zu dringen
mit seinem heiligen Worte, durch den Mund seiner
Diener, in dich sucht er zu dringen, wenn Er dir Sein
göttliches Bild in den Werken der Natur gleichsam wie
durch einen Spiegel zeigt, und mit Seinem hl. Geiste
will Er dich beleben, der gleich dem Winde, leichter zu
fühlen, denn zu sehen ist.
      Solltest Du aber dein Herz nicht zu ihm wenden,
ohngeachtet der Ueberredungskraft dieser sprechenden
Sachwalter, so wisse, daß du verloren bist, denn der
Herr selbst hat gesagt: »der welcher nicht glaubt, soll
verdammt werden.«
      Vielleicht werden einige Personen sagen: »ich glaube
mit ganzem Herzen, daß Jesus Christus der Sohn Got-
tes ist, so wie auch an Seine heilige Religion, aber
willst du uns auch sagen, was wir zu thun haben, um
diese Religion zu genießen, und in das Reich Gottes
einzugehen?
      Ich bin höchst erfreut, solch ein volles offenes Be-
kenntniß des ersten Grundsatzes der christlichen Religion
zu vernehmen, denn gerade solch ein Bekenntniß fordert
das Evangelium und ich schreite mit Vergnügen vor-
wärts einen zweiten Grundsatz anzudeuten.

Vierter Artikel.
Ueber die Reue.

      Die Reue ist jenes Gefühl des Kummers und der
Betrübniß des Herzens über begangene Beleidigungen
Gottes, welches eine Person mit festem Vorsatze erfüllt,
ihre Sünden und begangenen Ungerechtigkeiten zu mei-
den, und ihren ganzen Lebenswandel umzuändern. Die
Reue ist eine Lehre, welche nur Demuth abzielt, die
Verfeinerung in ihren Folgen bringt, und nur dahin
strebt, ihre Getreuen von Stolz und Hoffart abzustrei-
fen und sie hinzubringen zum Fuße des Kreuzes wo
der Strom der Gnade fließt, damit sie rein gewaschen
werden mögen von ihrer Schuld und von ihren Befleck-
–   63   –

ungen. Die Reue ist in der That gleich der Arznei
des Physikers, die zwar widrig für den Geschmack, aber
der Gesundheit des Körpers zuträglich ist.
      Der weltlich gesinnte Mensch liebt freilich nicht
in seinen Bestrebungen nach Wohlstand und Größe nach-
zulassen, noch will der Mann des Vergnügens sich von
jenen bezaubernden Reizen trennen, die beinahe an je-
dem Orte und in verschiedenen Formen und Gestalten
seine Schritte abzulenken suchen von dem Pfade der
Tugend und Frömmigkeit. Auch wird es dem Reichen
schwer, seine Güter freigebig den Armen zu spenden,
und der Stolze und Hoffärtige hat keine Lust in dem
Thale der Demuth zu wandeln.
      Die Namen solcher Personen mögen wir in der
That oft innerhalb einer Kirche auf Stein eingegraben
finden; aber wenn die Worte Jesu als zuverlässige
Wahrheit gelten, so wisset, daß deren Namen nicht auf
der Liste der Geheiligten vorgezeichnet sind, um einst
im ehrenvollen Andenken zu glänzen an jenem Tage,
wo die, die durch die grosse Trübsal gegangen sind, und
ihre Kleider rein und weiß gewaschen haben im Blute
des Lammes, gekrönt werden mit unsterblichen Ehren
zur Rechten ihres Herrn und Königs.
      Während dem Laufe meines Lebens bin ich durch
verschiedene Gegenden gewandelt, und habe die Men-
schen in verschiedenen Graden angetroffen. Ich sah den
Reichen in seinem Glanze rollen, strahlend von Gold
und Diamanten, gleich als ob er die breiten Falten
des gestirnten Himmels um sich verschlungen hätte. Ich
habe auch den Armen gesehen! Mancher war so elend,
daß das Leben ihm nur eine Bürde schien, die ihm
gegeben ward, sein Elend zu verewigen, damit der Kelch
seiner Drangsale schon hier, auf dieser Erde gefüllt
würde.
      Doch worauf mein Augenmerk sich mit größtem
Interesse wendete, war, zu sehen, wie der starke Arm
der politischen Macht einen goldenen Thronhimmel über
die Kirche ausspannte. Es ziemt mir nicht, jedes Ding
–   64   –

zu verdammen, welches ich nicht in die Harmonie mei-
ner Gefühle bringen kann; jedoch habe ich ernstlich
über die Wahrheit einer Kirche unter solchen Umstän-
den nachgedacht, der es möglich ist, in ihrem Schoose
Grundsätze und Verfahrungsarten zu beherbergen, die
einer reinen und unbesudelten Religion entgegen gesetzt
sind. Die Hand des Winters breitet einen weißen
Mantel über das Anlitz der Erde, und birgt für Au-
genblicke ihre Mißgestaltungen; doch wenn die Sonne
kömmt, und ihre wärmenden Strahlen wieder ausgießt
über die Erde, so schmilzt ihre schneeige Decke hinweg,
und jede rauhe und ungeziemende Stelle erscheint dem
Auge. So naht auch jetzt die Zeit heran, wo der hül-
lende Vorhang, der über alle Nationen geworfen ist,
entzwei gerissen wird, gleich dem Vorhange des Tem-
pels bei der Kreuzigung Christi; und alles Geheime
wird dem Blicke kund gegeben werden, und: »dann
soll jedes Menschen-Werk erprobt werden, welcher Art
es ist.« —
      Wer immer zurückblicken will mit vorurtheilsfreiem
Gemüthe zum Beginne des Christenthums, der muß
bekennen, daß eine grosse Verschiedenheit in dem Zu-
stande der früheren und jetzigen Kirche herrscht. Denn
der grosse Gründer des christlichen Glaubens konnte in
Wahrheit sagen: »Die Füchse haben ihre Höhlen und
»die Vögel ihre Nester, allein des Menschen Sohn hat
»nicht, worauf er Sein Haupt legen könnte.« Er sagte
auch: »daß der Diener nicht über seinen Herrn ist, noch
»der Schüler über seinen Meister« und ich, ich möchte
noch hinzufügen, daß es höchst unnatürlich ist, daß ein
Strom gegen seine Quelle anschwelle; jedoch das moderne
Christenthum ist gegen seine alte Quelle aufgestanden,
und hat die Wolken weltlicher Ehre um sich gezogen.
Soll ich mein Urtheil über diese Ordnung der Dinge
fällen? Nein! Mein Meister hat mich nicht bevoll-
mächtigt, dieß zu thun. Aber er hat mich bevoll-
mächtigt, zu sagen: »daß der Tag kommen wird,
welcher brennt gleich einem Ofen, und daß alle die
–   65   –

Stolzen und die, welche Ungerechtigkeiten üben, gleich
Stoppeln sein werden. Und der Tag wird kommen,
der sie hinweg brennt, Wurzel und Ast, sagt der Herr!«
Wenn denn alle Stolzen, und alle die, welche Unge-
rechtigkeiten üben, hinweg gebrannt werden, wer kann
da gerettet werden? Hätte ich die Beredsamkeit eines
Engels, und hätte ich so viele Zungen, als Hydra, ich
würde sie alle anwenden, Reue zu predigen dieser Ge-
neration.
      Doch ein Mann fragt mich, wie er an das Werk
der Reue zu gehen hätte. Nüchternes Betrachten und
Erwägen müssen seine ersten Schritte sein. Er möge
bedenken, daß es ein gutes Wesen ist, gegen welches
er gesündigt, und dessen Gesetze er übertreten hat, –
und das selbst Seinem Sohn nicht verweigerte, für ihn
zu sterben
– ein Wesen, welches ihn erheben wollte in
der andern Welt, und ihn scheinen machen wollte in
einer Glorie, gleich der Sonne am Firmamente. Der
nächste Schritt ist, daß er oft den Platz geheimen Ge-
betes besuchen möge, um seine Seele auszugießen vor
Gott. Er verbanne jeden eitlen Gedanken aus seinem
Gemüthe und fasse den festen Entschluß, sich selbst dem
Dienste und der Anbetung des Herrn zu weihen; und
ich kann ihm mit Sicherheit sagen, daß er nicht lange
zu warten brauche auf diesem Wege, bis ein Strahl
des göttlichen Mitleides ihn erwärme, und sein eisiges
Herz zu Thränen der Freude schmelze, die von einem
demüthigen Geiste zeugen. Und er bringe alsdann dank-
bares Lob seinem Herrn und Gott.
      Ist der Mensch so weit vorgeschritten in seinem
Streben nach ewigem Leben, so ist er ein geeigneter
Gegenstand für die Wassertaufe, denn er glaubt bereits,
und hat auch aufrichtig bereut seine Sünden.
–   66   –


Fünfter Artikel.
Ueber die Taufe.

      Die Taufe ist der Akt des Untertauchens, oder
Untersenkens des Körpers in Wasser, im Namen des
Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Es
ist ein alter Gebrauch, dem der Herr selbst sich unter-
warf, als Er hier auf Erden wandelte, um den Willen
Seines Vaters zu vollfüllen, und um uns ein Beispiel
zu geben, unserer Nachahmung würdig. Wie stolz mag
der Jordan nicht gewesen sein, in seine umarmenden Fluthen
eine Person, so erhaben wie der Sohn Gottes, aufneh-
men zu dürfen.
      Diese heilige und feierliche Verordnung ward durch
Johannes den Täufer in der Wüste Judäa's als ein
Mittel zur Nachlassung der Sünden des Volkes darge-
stellt. Eine Menge von Männern und Weibern erkann-
ten die Richtigkeit seiner Lehre; sie bekannten aufrichtig
ihre Sünden und stiegen hernach in die Gewässer Jor-
dans hinab durch die Hand dieses sonderbaren aber hei-
ligen Propheten Gottes.
      Unser gesegneter Herr lehrte nicht nur allein die
Nothwendigkeit der Unterwerfung eines jeden Menschen
unter diese Anordnung, sondern bestärkte sie auch in
den bestimmtesten Ausdrücken. Seine eigenen Worte sind:
»wenn jemand nicht wieder geboren wird aus dem Was-
»ser und heiligem Geiste, so kann er in das Reich
»Gottes nicht eingehen.« Und zu einer ferneren Ver-
anlassung zur Taufe sagte er wieder: »der welcher glaubt
»und getauft ist, wird gerettet werden, aber der welcher
»nicht glaubt, wird verdammt werden.« Die Taufe ist
deßhalb eine wichtige Bedingung zur Vergebung der
Sünden, denn unser Herr sagte zu den Apostel Petrus:
»Deren Sünden du vergibst, denen will auch Ich ver-
»geben;« und Petrus, erfüllt mit dem heiligen Geiste
am Pfingstfeste, und tragend die Schlüssel des Himmel-
reiches, war höchst erfreut, den fragenden Juden sagen
zu können: » Bereuet und lasse ein jeder sich taufen im
–   67   –

Namen Jesu Christi zur Nachlaßung der Sünden, und
ihr sollet empfangen die Gabe des heil. Geistes.« Wenn
also Petrus unter solchen Bedingnissen dem Volke Ver-
gebung der Sünden versprach, so ist kein Zweifel, daß
ihnen der Herr auch unter denselben Bedingnissen
vergab.
      Wir wünschen nicht, daß darunter verstanden wer-
den möchte, als ob das Wasser allein die Kraft besäße,
uns von den Flecken der Sünde zu reinigen. Ein Stück
unbeschriebenes Papier ist allein von ganz geringem
Werthe, wenn es aber des Banquiers Stempel Versi-
cherung und Unterschrift empfangen für 500 £ so ist
es grade von demselben Werthe. Das nämliche gilt
mit der Wassertaufe, und des Erlösers Versicherung zu-
folge, müssen wir sie als Nachlassung der Sünden er-
achten, vorausgesetzt, daß sie durch eine Person verrichtet
wird, welche von Gott hiezu bevollmächtigt ist.
      Wir taufen keinen, ausgenommen er ist zu den
Jahren der Vernunft gelangt, und hat selbst erkannt,
daß er gegen seinen Gott sündigte. Wir erachten diese
Handlungsweise in völliger Uebereinstimmung mit dem
Inhalte der Bibel; allein klarer und pünktlicher ist sie
in den alten Urkunden Amerikas aus einander gesetzt,
wovon wir schon, im Anfange dieses Buches geschrieben
haben. Deßhalb können wir das Taufen oder vielmehr
Besprengen der Kinder mit Wasser in keinem andern
Lichte betrachten, sondern blos als eine menschliche An-
ordnung oder vielmehr Verkehrung der alten Ausübung,
die seit langem in der Kirche nun eingeführt ward, seit-
dem die Lampe direkter Eingebung erlosch. Es scheint
mir, daß bei dieser modernen Neuerung, mehr die Be-
quemlichkeit der Ausübung als das Wort oder der Geist
des wahren, lebendigen Gottes berücksichtigt wurde.
      Obgleich nun diese letztere Art seit langem in Aus-
übung, und beinahe allgemein eingeführt worden ist, ja
selbst von grossen und gelehrten Männern bestättigt
wurde, so habe ich doch von einem Manne gelesen,
der grösser ist, als sie alle, daß Er hinab stieg
–   68   –

in den Fluß Jordan, und dort getauft ward. Hierbei
bleibt zu bemerken, daß der lang ausgeübte und allge-
mein eingeführte Gebrauch eines unrichtigen Grundsatzes
ihn eben so wenig heilige, oder ihn in eine Wahrheit
umwandle, als die Sünde durch ihre allgemeine Aus-
übung geheiligt, oder in einen Grundsatz der Gerechtig-
keit vor Gott verwandelt worden ist.
      Dieselbe Erde, welche wir bewohnen, wurde zuerst
in Wasser getauft, um sie zu reinigen von Sünde und
Befleckung, – und einst wird sie wieder getauft wer-
den, aber nicht mit Wasser, sondern mit Feuer und dem
heiligen Geiste. Sie wird befreit werden von den Fol-
gen ihres Falles, um wieder zu einem Paradiese zu
werden, in welchem der Herr selbst wohnen will, mit
allen Sanftmüthigen, wenn da keiner mehr sein wird,
sie zu belästigen oder zu erschrecken. Dann werden sie
empfangen das verheißene Erbe, denn: »Selig sind die
Sanftmüthigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.«
Die Gewässer der Fluth dienten dem Noe zu ei-
ner Heerstraße, welche ihn von der alten Welt, die
dem Verderben geweiht war, um ihrer Sünden und
Verderbtheit willen, hinüber brachte in eine von Uebeln
gereinigte und geläuterte Welt, über welche der Himmel
seine Segnungen ausgoß, und ihr die Verheißung der
Saat und Ernte und der Zeit des Tages und der Nacht
gab. Während dieser ehrwürdige Patriarch und Vater
einer neuen Welt hinaus staunte in die ihn umgebende
Scenen und die wichtigen und mächtigen Thaten Je-
hova's betrachtete, da erschien der Triumpfbogen in den
Wolken, glänzend in all den verschiedenen Tinten des
Regenbogens als ein Zeichen des Guten und als Glücks-
wunsch für die Erde zu dem Empfang ihres neuen
Monarchen.
      Der Apostel Petrus sagt hierüber: »Auf gleiche
Weise macht uns die Taufe selig.« Sie führt uns
hinaus von der Welt, und bringt uns in das Reich
Gottes, wo die Verheißungen des ewigen Lebens um
uns her sprießen und ihre himmlischen Wohlgerüche aus-
–   69   –

streuen um uns zu erfrischen und zu bekräftigen auf der
Reise durchs Leben.
      Wenn immer eine Person stirbt, so bereiten sich
sogleich die Freunde des Verschiedenen, ihm den letzten
Dienst ihrer Güte zu bezeigen, indem sie ihn zur Erde
bestatten. Und es ist ein seltener Fall, daß der Liebe
Thränen auf sein Grab fallen, ohne mit der Hoffnung
gemischt zu sein, daß er nach dem Tode wieder aufer-
stehe, um einen Platz der Ruhe zu empfangen zu seiner
Zeit, jenseits des Grabes.
      So ist es mit einer Person, welche wahrhaft an
Christus glaubt, und aufrichtig ihre Sünden bereut.
Er mag betrachtet werden als todt, das heißt: todt für
die Sünde, und der Freundschaftsdienst, den wir ihm
nachher bezeigen können, ist, daß wir ihn begraben in
dem Wasser der Taufe, mit der seligen Hoffnung, daß
er nicht nur allein auferstehe aus diesem Wassergrabe
als eine neue Kreatur, lebend in Christus, sondern daß
er auch auferstehen werde von den Todten, am Aufer-
stehungs-Tage der Gerechten, um mit ihnen aufgenom-
men zu werden in das himmlische Paradies, wo er auf
immer genießen wird die Früchte seines Gehorsams ge-
gen die Befehle des Himmels.
      Vor einigen Jahren unternahmen einige amerika-
nische Missionare, welche unter unsere westlichen Indi-
aner stationirt waren, um sie, wo möglich zu unter-
richten und zu cilvilisiren, einen gewissen Theil des-
neuen Testamentes in ihre Sprache zu übersetzen. Meh-
rere Indier glaubten daran, zufolge dessen die Priester
ihnen vorschlugen, sich taufen zu lassen. Die nöthigen
Vorkehrungen wurden dem gemäß gemacht, und ein
Becken mit Wasser herbei geschafft. Sobald die Indi-
aner es erblickten, fragten sie, zu was dieß Wasser
hier wäre? Der Priester antwortete: Euch damit zu
taufen. Was! sagten die armen Indianer, wollt ihr
uns in dieses Becken thun? O nein! antwortete der
ministrirende Priester, ich will euch nur damit bespre-
gen. Sogleich holten die Indianer dieselbe Uebersetzung
–   70   –

aus der heiligen Schrift hervor, und sagten zu dem
Priester: »:Ihr habt uns dann das unrechte Buch ge-
geben, denn dieß hier sagt, daß wir begraben werden
müssen mit Christus in der Taufe.«
      Ich habe diese Anekdote hier blos angefügt, um
den Eindruck zu zeigen, den die Schriften auf den vor-
urtheilsfreien Geist dieser gebornen Söhne des Waldes
machten. Und zufolge der zahlreichen Beispiele, die
in den Schriften aufgezeichnet sind, wo die alten Chri-
sten sich an den Ufern des Flusses Schaarenweise sam-
melten, um diesen geheiligten Gebrauch auszuüben, und
dahin zogen, wo viel Wasser war, und dann hinab-
stiegen und im Wasser begraben wurden, – so kann
ich nicht begreifen, wie Personen, die da ihre Bibel
gelesen haben zu einer andern Folgerung kommen, hin-
sichtlich dieses Gegenstandes, als zu einer, zu welcher
die armen Indianer kamen. Der heilige Paulus hat
gesagt ( Röm. 6. Kap. 4. – 5. V ): »Denn wir sind
mit ihm durch die Taufe zum Tode begraben, damit,
gleichwie Christus auferstanden ist von den Todten,
durch die Herrlichkeit des Vaters, also auch wir in ei-
nem neuen Leben wandeln.«
      »Wenn wir nämlich (mit ihm) zusammengepflanzt
sind zur Aehnlichkeit seines Todes, so werden wir es
auch zur Aehnlichkeit der Auferstehung sein.«

Sechster Artikel.
Ueber die Konfirmation nach der Taufe durch Auflegung der Hände.

      Dieß ist eine Verordnung, welche in unsrer Kirche
genau beobachtet wird, und Niemand kann als ein
Glied derselben betrachtet werden, außer er ist durch
Auflegung der Hände der Aeltesten konfirmirt worden.
Nachdem der Kandidat getauft worden ist, so ist es
des funktionirenden Priesters Pflicht, ihm den Nutzen
und die eigenthümliche Beschaffenheit dieser Verordnung
zu erklären, und es seinem Verstande begreiflich zu
machen. Wenn dieß geschehen, dann muß er fortfah-
–   71   –

ren, sich in einem feierlichen Gebete zu Gott dem All-
mächtigen zu wenden und dem Kandidaten die Hände
auflegen im Namen Jesu, damit er ihn so dem Dienste
des Herrn weihe, und die Segnungen des heiligen
Geistes über ihn bestätige.
      Wenn nun jedes Ding auf eine nüchterne, klare
und andachtsvolle Weise geschehen ist, so haben wir
Ursache, den Beifall des Himmel zu erwarten, der
uns die Früchte unsrer Arbeit gnädig bewahren wird
für das ewige Leben, nachdem wir treue Anhänger der
Tugend und Gerechtigkeit waren. Da nun diejenigen,
welche das Amt der Priesterschaft ausüben, gleichsam
das verbindende Glied zwischen Christus und seinem
Volke bilden, so wird uns durch Auflegung der Hände
ein Theil jenes Geistes mitgetheilt, der dem Busen des
höchsten Gottes entströmt
. Und gleichwie die Reben
am Weinstocke ihre Nahrung aus jenem Safte ziehen
der von der Wurzel aufsteigt, und Leben und Frische
bis an ihre äußersten Ende bringt, so führt auch der
Geist Gottes, der aus der ewigen Quelle fließt, durch
den Kanal des Priesterthums, Leben, Gesundheit und
Freude zu allen Gliedern, und theilt ihnen jene Ge-
fühle mit, die eine glorreiche und himmlische Verbin-
dung unter ihnen und mit ihrem ewigen Haupte erzeu-
gen, wo sie auf diese Weise eins werden mit Christus,
so wie Christus Eins ist mit dem Vater. Denn wenn
ein Glied leidet, so leiden sie alle, und wenn ein Glied
geehrt wird, so erfreuen sie sich insgesammt. Christus
sagt hierüber zu seinen Jüngern: »Der, welcher euch
»aufnimmt, nimmt mich auf, und der mich aufnimmt,
»nimmt den Vater auf, welcher mich gesandt hat. Und
»jene, welche euch verachten, verachten mich, und in-
»dem sie mich verachten, verachten sie auch Ihn, der
»mich gesandt hat.« Dann sagte er wiederum: »Was
»ihr immer einem von den Geringsten aus meinen Brü-
»dern gethan habt, das habt ihr mit gethan.« —
–   72   –


Siebenter Artikel.
Ueber das Sakrament des Brodes und Weines.

      Diese erhabene Einsetzung wurde durch unsern Herrn
selbst eingeführt, gerade vorher, ehe Er litt am Kreuze,
in der Absicht, damit es immer unter uns verbleibe,
und in seiner Kirche verewigt werde, bis Er kommen
wird in seiner Glorie, um auf Erden zu herrschen, zu
welcher Zeit er versprochen hat, wiederum Wein zu
trinken mit seinen Kindern in seines Vaters Reiche.
      Eine Absicht dieser Einsetzung in der Kirche war,
daß durch dieselbe immer die vielgewichtige Wahrheit
in dem Andenken ihrer Glieder bleiben möge: daß der
Leib Christi zerbrochen ward für ihre Sünden, und sein
Blut vergossen wurde, um ihre Verbrechen abzuwaschen.
      In unsrer Kirche ist dieß Sakrament an jedem
ersten Tage der Woche gespendet, welcher gegenwärtig
unser Sabbath ist. Im Anfange jedoch war der siebente
Tag der Sabbath; und wir vermuthen, daß der erste
wieder der letzte sein wird, und der letzte gleich wie
der erste. Anstatt daß dieß Sakrament durch öftern
Gebrauch an Feierlichkeit und Gewichtigkeit in der
Meinung des Volkes verliere (so wie Manche vermu-
then), so hat uns bereits die Erfahrung das Gegentheil
gelehrt. Denn der öftere Empfang derselben fordert
auch ein öfteres Bekenntniß von allen jenen, die da
Böses thun; und diesem Bekenntnisse folgt gewöhnlich
ein Vorwurf, der der Natur der Uebertretungen ange-
messen ist. Dieser Tadel, welcher von dem Geiste des
Herrn durch seine Diener an dem Sünder geübt wird,
kann dem schuldigen Gewissen wirklich nicht angenehm
sein, denn er ist mächtig durchdringend und gebietend,
und darauf berechnet, den Geist der Nachsicht für die
Sünde, zu demüthigen und niederzudrücken, und ihn
endlich zu zwingen, gleich einem unwillkommenen Gaste,
von seiner Wohnung zu fliehen.
      Jene, die am öftesten tugendhafte Handlungen
ausüben, lieben auch die Tugend am meisten, und für
–   73   –

sie verliert sie niemals ihre Gewichtigkeit. Jene aber,
welche nur selten ihre Huldigungen auf ihrem Altare
niederlegen, können als keine grossen Günstlinge an ih-
rem Hofe betrachtet werden. »An ihren Früchten werdet
ihr sie erkennen,« sagte Einer, der weiser war, denn
ich. Die Organisation unserer Kirche ist von solcher
Natur, daß alle diese Pflichten mit der größten Leich-
tigkeit und mit ganz geringem Zeitaufwand vollzogen
werden können.
      Brod und Wein werden von dem vorstehenden
Priester gesegnet, und durch die Aeltesten an alle Glie-
der vertheilt.
Nachdem Brod und Wein so gesegnet und
geweiht worden sind, so betrachten wir beide, als ob
sie der Kraft und Wesenheit nach, wirklich das Fleisch
und Blut unsers Herrn Jesus wären, welcher für uns
starb, obgleich es nicht Sein wirkliches Fleisch und Sein
wirkliches Blut ist.
      Um diesen Gegenstand klarer zu machen, will ich
hier ein Beispiel anführen. Der Herr befahl dem Ab-
raham, ihm seinen Sohn Isaak als Brand-Opfer zu
schlachten, und Abraham, der dem göttlichen Befehle
zu gehorchen sogleich bereit war, machte die Zubereit-
ungen zu demselben. Als alles in Ordnung stand, nahm
Abraham das Messer, um seinem Sohne den Todes-
Streich zu geben; allein die Stimme eines Engels vom
Himmel hielt seine Hand inne, und der Herr nahm
den Widder anstatt des Sohnes der Verheißung zum
Brandopfer an. So ward Isaak sinnbildlich, jedoch in
Kraft und Wirkung nach (selbst) geopfert, und Gott
sah immer auf Abraham, als ob er Ihm seinen Sohn
wirklich geschlachtet hätte, obgleich der Widder an seiner
Statt am Altare geopfert wurde.
      So verhält es sich mit dem heil. Sakramente.
Gott sieht auf uns, als ob wir wirklich das Fleisch und
Blut seines Sohnes genössen, obgleich wir es nur im
Sinnbilde empfangen. Jedoch durch die Gebete und
Segnungen des Priesters empfangen Brod und Wein
jene Kraft von Gott, welche nicht mit profanem Auge
–   74   –

zu sehen ist, sondern nur von demüthigen Herzen em-
pfunden wird.
      Jene, welche an diesem Sakramente mit Glauben
und Reinheit Theil nehmen, empfangen geistige Kräfte
und göttlichen Trost. Die öftere Wiederholung dieser
göttlichen Anordnung betrachten wir als unausweichlich
nothwendig, um die Kirche im beständigen gesunden Zu-
stande und Wachsthume zu erhalten.
      Doch geistiger Tod trifft jenen, welcher sich diesem
heiligen Mahle mit unreinem Geiste, oder mit Haß
gegen seinen Bruder nähert.

Achter Artikel.
Ueber das Sündenbekenntniß und die Behandlung gesetzwidriger
Glieder.

      Wenn immer ein Glied unserer Kirche sich ein
Vergehen gegen die Regeln derselben, oder ein unmora-
lisches Betragen zu Schulden kommen läßt, so wird von
seiner Seite ein Bekenntniß nothwendig, so wie auch
ein aufrichtiges Versprechen der Besserung, um sein
Recht der Gemeinschaft zu erhalten. War das Vergehen
ein geheimes, so muß er er es im Stillen vor seinem
Gott bekennen, und vor jenen Personen, die dadurch
beleidigt wurden; war aber sein Vergehen ein öffent-
liches, so muß er öffentlich bekennen, oder in die Vorschrif-
ten der Kirche sich zu fügen, so wird sie aus derselben
verwiesen, und ihr Name aus dem Buche gestrichen
werden.
      Die Kirche mit einem vorsitzenden Aeltesten ist ein
befugtes Tribunal, alle Streitigkeiten und Beschwerden,
die sich unter gewöhnlichen Umständen erheben mögen,
auszugleichen. Doch haben wir auch ein höheres Tribu-
nal, vor welchem die wichtigen Fälle verhandelt werden,
und dieß besteht aus zwölf Hohenpriestern, welche alle
Männer von Erfahrung und hohem, moralischen Werthe
–   75   –

sein müssen. Sollten diese Zwölfe in irgend einem
Falle ihre Meinung nicht verläugnen können, so wird
die fragliche Sache dem Präsidenten dieses Rathes vor-
gelegt, der die Gabe der Prophezeihung besitzen muß.
Dieser nun stellt es dem Herrn im feierlichen Gebete
dar, und fleht ihn an um Erleuchtung und Belehrung.
Und das auf diese Art empfangene Wort des Herrn
macht allen Streitigkeiten ein Ende.
      Eine Person, welche von der Gemeinschaft unserer
Kirche ausgeschlossen worden ist, kann nicht eher mehr
in selbe zurückkehren, als bis sie öffentlich ihre Uebel-
thaten bekannt, um derowillen sie verbannt wurde. Dann
muß sie aber wieder getauft und konfirmirt werden, ehe
sie wieder als theilnehmendes Glied anerkannt werden
kann.

Neunter Artikel.
Behandlung der Kinder in Bezug auf die Kirche.

      Es ist eine unerläßliche Pflicht der Eltern, die ih-
nen die strengsten Bande der Natur und durch
das ausdrückliche Wort des Herrn auferlegt worden ist,
ihre Kinder in Tugend und Gerechtigkeit zu erziehen,
und ihren zarten Gemüthern die wahren Grundsätze der
Frömmigkeit und Religion einzuflößen. Alle Eltern
in unserer Kirche, welche diese Pflichten an ihren Kin-
dern vernachlässigen, sind als gesetzwidrige Glieder be-
trachtet und werden demgemäß ermahnt und behandelt.
      Alle Kinder, welche gehörig erzogen und unterrich-
tet worden sind, und so ihr achtes Jahr erreicht haben,
werden zu dieser Zeit betrachtet, daß sie zur Kenntniß
des Guten und Bösen gelangt sind, und daher fähig
sind, Glauben auszuüben, so wie auch Reue über ihre
Sünden. Deßhalb werden sie in diesem Alter getauft,
und als Glieder der Kirche konfirmirt; nicht eher.
      Alle jene Kinder, welche unter acht Jahren alt
sind, und dessen Eltern zu unserer Gemeinde gehören,
müssen zu unserer Kirche gebracht werden, wo ihnen die
–   76   –

Aeltesten die Hände auflegen und sie segnen im Namen
des Herrn, und sie weihen dem Dienste des Allerhöch-
sten. (Aber kein Besprengen mit Wasser findet statt.)
      Da die Kreatur nur für jene wirklichen Uebertre-
tungen verantwortlich geachtet wird, die sie selbst began-
gen, und da Sünde nur da beigemessen wird, wo ein
Gesetz gegeben wurde – so hat ein kleines gedankenloses
Kind, das für kein Gesetz empfänglich ist, durch das
Verdienst des Todes unsers Erlösers vollen Anspruch
auf Unsterblichkeit, und auf ewiges Leben, (»denn für
solche, sagt Christus, ist das Himmelreich.) Und dieses
Recht kann nur durch die Uebertretung eines gekannten
Gesetzes verwirkt werden, wenn sie die Jahre der Ver-
nunft erreicht haben, und eine solche Uebertretung des
genannten Gesetzes macht Reue und Taufe nothwendig
zur Nachlassung der Sünden.

Zehnter Artikel.
Ueber die Offenbarungen und Befehle, welche Gott seiner Kirche
gab, seit sie organisirt wurde. (1830.)

      Die Ideen, daß der Herr in jetzigen Zeiten seinem
Volke eine Offenbarung oder Befehl gegeben hat, ist
von dem Glauben des größten Theils der religiösen Welt
so weit entfernt, als Loth von Sodoma an ihrem bösen
Tag war. Doch wir haben längst erfahren, daß die
Ungläubigkeit einer umnachteten Welt uns zu keinem
Führer dienen kann, und da wir mit ihr nicht die gleiche
Meinung haben, so werden wir von ihr als Betrüger,
Heuchler und Gotteslästerer betrachtet. Und unter die-
sen Vorurtheile hatten wir nicht nur allein die Falsch-
heit und den Mißbrauch ihrer Zungen; sondern auch
ihre Marterwerkzeuge und Grausamkeiten, ja selbst den
Tod zu erdulden. Das Blut unserer Martyrer dampft von
dem Opfer-Altare zum Himmel empor und verfechtet
dort vor dem Richterstuhl der Gnade mit so Mächtiger
Beredsamkeit unsere Sache, daß Jehova's Mitgefühl er-
–   77   –

weckt wird, und Er Licht und Erkenntniß auf uns he-
rab sendet, gleich erquickenden Schauern, ja gleich bal-
samischem Thaue.
      Seit der Organisation unserer Kirche hat es dem
Herrn gefallen, uns verschiedene Offenbarungen und Be-
fehle durch sein heiliges Priesterthum zu geben, wodurch
uns viele Stellen in den Schriften angezeigt und klar
wurden, die früher dunkel und geheimnißvoll für uns
waren. Kurz es scheint, daß der Finger göttlicher Ein-
gebungen jede dunkle Stelle in der Bibel berührt habe,
damit die Wahrheit derselben in unsere Herzen leuchte
gleich dem erhellenden Glanze einer Lampe an dunklem
Orte.
      Ich kann nicht unterlassen, hier eine Bemerkung
über die Verschiedenheit des Volkes Gottes in früheren
Tagen, und über die Verschiedenheit derjenigen zu ma-
chen, die sich in heutigen Tagen sein Volk nennen. In
den alten Tagen betrachteten diese ihren Zustand höchst
beklagenswerth, wenn der Herr nicht zu ihnen redete, in
den heutigen Tagen aber gilt es ihnen als höchste An-
massung oder Narrheit, selbst auch nur die Möglichkeit
anzunehmen, daß der Herr wieder einmal zu ihnen spre-
chen wolle. Die Alten blickten auf Träume, Prophe-
zeihungen und Visionen, gleichwie eine Dame auf ihre
Diamanten blickt; doch unsere Modernen betrachten solche
Begünstigungen, gleich wie ein Schwein auf eine Perle
sieht. Hätte ich nicht zu oft erfahren, wie häufig man
geneigt ist, solche Dinge mit Füßen zu treten, so würde
ich es nicht gewagt haben, so zu sprechen, als ich that.
Und wäre es dem lichten Seraphen gegeben, die dem
Throne des Höchsten sich nähern, und sich in dem Strahle
der Unsterblichkeit sonnen, über den Mangel des Glau-
bens, und über die Unvernunft der Sterblichen zu wei-
nen, so müßte die Erde mit himmlischen Thränen be-
thauet werden.
      Wir glauben an Prophezeihungen, wir glauben an
Offenbarungen; denn nicht allein den Alten waren sie
gegeben, sondern auch uns. Wir glauben an Visionen,
–   78   –

und wir glauben auch, daß Gott sein Volk durch
Träume warnt und ermahnt. Wir glauben auch an
wirksame Gebete für unsere Kranken, und salben sie
mit dem geweihten Oele im Namen des Herrn. Wir
legen ihnen unsre Hände auf, und der Herr erhört
unser Gebet. Er heilt unsere Kranken, und macht die
Lahmen hüpfen in Freude. —

Eilfter Artikel.
Ueber den Unterhalt und die Lebensweise unserer Priester.

      In unsrer Kirche gibt es keinen Priester, der eine
Besoldung für sein Predigen bekäme, sondern sie sind
alle von der Großmuth des Volkes abhängig, unter
denen sie arbeiten. Wir tragen unsere Kleidung nicht
in einer gewissen Weise, und in der Absicht, dadurch
vor andern Mitbürgern ausgezeichnet zu sein, sondern
wir versehen uns nur mit solcher, die gut und anstän-
dig ist, und sich am wenigsten vor dem Volke aus-
zeichnet.
      Wir glauben ferner, daß es gesetzmäßig und recht
ist, wenn ein Priester sich entschließt, ein Weib zu
nehmen; jedoch kann er kein zweites sich wählen, so
lange das erste am Leben ist
. Ist dieses aber todt, so
hat er völlige Freiheit, wieder zu heirathen. Wir be-
trachten dieß als ehrbar und lobenswerth vor Gott und
den Menschen, denn es scheint uns, daß der Mann
einst verantwortlich sein dürfte für diesen grossen und
besondern Zweck seiner Erschaffung.
      Der Gebrauch des Tabacks ist in unsrer Kirche
nicht erlaubt, besonders nicht den Priestern. Obgleich
diese Gewohnheit beinahe überall herrschend ist, so kön-
nen wir sie nur als eine sehr unflätige betrachten, die
da eine Pflanze zu einem Gebrauche verwendet, für
welchen sie wahrlich nicht erschaffen wurde.
      Man wird sich erinnern, daß in einem vorherge-
henden Artikel über die mancherlei Offenbarungen und
Befehle gesprochen wurde, die der Herr uns seit der
–   79   –

Organisation unsrer Kirche gegeben hat. Und um hie-
bei noch bestimmter die Art unsers Unterhaltes anzu-
zeigen, will ich hier einige wenige Auszüge aus den-
selben einrücken.
      »Und wiederum sage ich zu euch, meine Freunde
»(denn von nun an will ich euch meine Freunde nennen),
»es ist auch dienlich, daß ich euch diesen Befehl gebe,
»damit ihr so werdet, wie meine Freunde, in den
»Tagen, als ich mit ihnen zog, das Evangelium in
»meiner Kraft zu predigen. Ich dulde ihnen nicht,
»einen Beutel, einen Bündel, oder auch nur zwei Klei-
»der mit sich zu führen. Seht! ich sende euch aus, die
»Welt zu prüfen, und jeder Arbeiter ist seines Lohnes
»werth. Und Jeder, der hinaus gehen wird, das
»Evangelium des Reiches Gottes zu predigen, und der
»nicht ermangeln wird, glaubensvoll in allen Dingen
»zu verfahren, der soll weder verfinstert noch müde an
»Geist, Körper, noch Gliedern werden, und kein Haar
»von seinem Haupte wird unbeachtet zur Erde fallen.«
      »Deßhalb laßt Keinen unter euch von dieser Stunde
»an einen Beutel noch Bündel mitnehmen, wenn er
»hinaus geht, das Evangelium des Reiches Gottes zu
»verkünden. Denn seht! ich sende euch, die Welt zu
»tadeln um ihrer ungerechten Thaten willen, und ihr
»ein Gericht zu verkünden, das über sie kommen wird.
»Und wer immer euch empfängt, da werde auch ich
»sein« – denn:
      »Ich werde zu eurer rechten Hand sein, und zu
»eurer linken, und mein Geist wird in euren Herzen
»wohnen, und meine Engel werden um euch her sein,
»euch zu stützen.«
      »Wer immer euch aufnimmt, nimmt mich auf,
»und der, welcher euch nährt, oder kleidet, oder mit
»Geld versieht, wird auf keine Weise seinen Lohn ver-
»lieren. Wer aber diese Dinge nicht thut, der kann
»mein Jünger nicht sein; denn daran werdet ihr meine
»Jünger erkennen. Wenn irgend Jemand euch einen
»Rock oder ein ganzes Kleid gibt, so nehmt das alte
–   80   –

»und werft es unter die Armen, und geht eure Wege
»fröhlich weiter. Wenn einer euch nicht empfängt, so
»geht hinweg von ihm, allein mit euch selber, und rei-
»nigt eure Füsse, selbst mit Wasser, mit reinem Wasser,
»in Hitze oder in Kälte, und gebt Zeugniß gegen ihn
»bei eurem himmlischen Vater, und kehrt nicht mehr
»zu ihm zurück. Und in welches Dorf, oder in welche
»Stadt ihr eintretet, thut deßgleichen. Dessen ohnge-
»achtet suchet fleißig und zögert nicht; und wehe dem
»Hause, dem Dorfe oder der Stadt, welches euch ver-
»stößt, oder eure Worte oder mein Zeugniß. Ja wehe
ȟber die Stadt, das Dorf und das Haus, das euch,
»oder eure Worte oder mein Zeugniß verstößt, denn ich
»der Allmächtige habe meine Hände über die Nationen
»ausgestreckt, um sie zu geißeln für ihre Gottlosigkeit.«

Zwölfter Artikel.
Ueber die Taufe für die Todten.

      Wir haben über diesen Gegenstand das Wort des
Herrn empfangen, das uns zu unserer höchsten Befrie-
digung, dessen Natur und Eigenschaft erklärt. Obgleich
die Schriften über diesen Kirchengebrauch beinahe gänz-
lich schweigen, so gibt es doch in demselben hinlängliche
Anspielungen, die uns aufmerksam machen, daß dieser
Gebrauch in der alten Kirche, weder ungekannt, noch
unberücksichtigt war. Hätte es aber dem Herrn in Sei-
ner großen Güte nicht gefallen, uns die treffenden Son-
derheiten dieses Gegenstandes klar anzuzeigen, so wür-
den wir niemals dessen Schönheit durch den schwachen
Schimmer der Schriften, die selbe auf ihn werfen, ent-
deckt haben.
      Es gibt viele die gestorben sind, ohne jemals eine
Gelegenheit gehabt zu haben, in geeigneter Weise ge-
tauft zu werden, (untergetaucht) während ihrer Lebens-
zeit, durch irgend einen Bevollmächtigten, den der Herr
anerkannt hatte. Deßhalb hat es unserm himmlischen
Vater gefallen, den Gliedern der Kirche das ausgezeich-
–   81   –

nete Vorrecht zu gewähren, daß sie getauft werden kön-
nen, für ihre verstorbene Freunde, mit denen sie per-
sönlich bekannt waren vor ihrem Tode. Hierbei bleibt
aber voraus gesetzt, daß selbe nie Gelegenheit hatten,
unsere Lehre kennen zu lernen, und sie zu befolgen vor
ihrem Tode, und es nicht gethan haben – dann kön-
nen wir nicht für sie getauft werden.
      Was nun bei dieser Handlungsweise gewonnen wird
ist Folgendes. Wenn das Evangelium den Geistern
der Menschen in der Vorhölle gepredigt werden wird,
die während ihres Lebens den Befehlen Gottes unge-
horsam waren, und wenn sie dann geneigt sind, zu be-
reuen und zu glauben, dann können jene, die für sie ge-
tauft worden sind, am Tage des Gerichtes hervor treten,
und sie als Erben des Reiches Gottes in Anspruch neh-
men, um mit ihnen vereint eine Glorie, gleich der Sonne
zu genießen. Auf diese Art können wir Erretter der
Menschen werden, dahingegen, wenn niemand für diese
Abgeschiedenen getauft worden wäre, aller Wahrschein-
lichkeit nach ihre Leiden verlängert würden, und sie einst
eine andere Wohnung erben würden, deren Glorie ge-
ringer ist, gleich dem schwachen Schimmer eines fernen
Sternes.
      Wie muß ein solcher Mensch am Tage des Gerich-
tes fühlen, dem die Gelegenheit gegeben war, in seinem
Leben so viel Gutes zu stiften sowohl für ihn, als ihr
andere, und es nicht gethan zu haben?! Wer wird so
einfältig sein, so langsam im Begreifen, und so an-
hänglich an die Traditionen der Väter, daß er nicht
aufstehen wolle bei dem Rufe der Menschenfreundlichkeit
und sich aufgeweckt zeige zu den zarten Gefühlen der
Sympathie und Wohlthätigkeit sowohl für ihn als für
andere! Der heil. Apostel Paulus hat gesagt 1. Brief
Corinth. 15. K. &c.: »Was thäten sonst die, welche
»um der Todten willen sich taufen lassen, wenn es gewiß
»ist, daß die Todten nicht auferstehen? Warum lassen
»sie sich für dieselben taufen?«
–   82   –


Dreizehnter Artikel.
Ueber das Beten und über die Art der Anbetung.

      Das Gebet ist eine der hauptsächlichsten Pflichten
des Christen, und er ist bei jeglicher Erwägung, die seine
Ehrbegierde anfachen, oder ihm einflößen könnte, darauf
angewiesen, denn es ist gleichmäßig nothwendig zu seinem
Wachsthum und Gedeihen, so wie der Regen dem Felde.
Wo immer aber diese Pflicht vernachlässigt wird, da kann
der Geist des Herrn wohnen.
      Der Herr oder die Frau eines jeden Hauses, oder
einer jeden Familie in unserer Kirche ist verpflichtet, alle
ihre Untergebenen zu einer geeigneten Stunde des Mor-
gens und des Abends jeden Tag zusammen zu rufen,
wo sie gemeinsam vor dem Herrn knieen und Ihm ihre
innigen Wünsche im Namen Jesus darbringen. Einer
spricht bei dem Gebete, und am Schlusse desselben ant-
worten alle vereint: Amen.
      Wir haben keine eigenen Gebetes-Formen, aus-
genommen das Gebet des Herrn: »Vater unser, der
Du bist in dem Himmel« &c.
, denn ein jeder muß für
sich selbst um jene Dinge bitten, deren er bedarf, und
wir glauben, daß die einfache, ungezierte Sprache des
Herzens, von unsern Bedürfnissen geleitet, angenehmer
ist vor Gott, als alle gelehrte Beredsamkeit der Weisen
dieser Welt zusammengenommen.
      Alle Glieder unserer Kirche, sowohl alt als jung,
sind aufgefordert, ihre Gebete täglich dem Herrn in der
Einsamkeit als auch in Gemeinschaft darzubringen, und
wer immer diese Pflicht unter uns vernachlässigt, hat
Rechenschaft zu geben hierüber bei den Bevollmächtigten
unserer Kirche.
      Unser Gottesdienst fängt gewöhnlich Sonntags
Morgens zehn Uhr an. Gebet und Gesang bilden den
Eingang, und dann wird eine Rede dem Volke gehal-
ten; worauf vielleicht einige Exhortationen folgen. Meh-
rere Gesänge werden nach diesem angestimmt und somit
der vormittägige Gottesdienst um zwölf Uhr beschlossen.
–   83   –

      Der Nachmittag wird mit Gesängen, Exortatio-
nen, und mit Spendung der heiligen Sakramente, als
Beicht, Abendmahl und Konfirmation, so wie auch mit
Segnung der Kinder, und andern, den Umständen an-
gemessenen Verrichtungen zugebracht.

Vierzehnter Artikel.
Ueber die Feiertage.

      Das amerikanische Gouvernement ist weder direkt
noch indirekt mit irgend einer Religion verbunden. Es
gewährt Toleranz und Schutz allen Religionen, jedoch
zeigt es keiner irgend eine vorzugweise Gunst. Es
werden übrigens aber von unsern Gouverneurs gewisse
Tage des Fastens und des Gebetes, so wie auch öffent-
licher Danksagung bestimmt und bekannt gemacht, und
das Volk zur Beobachtung derselben aufgefordert. Dieß
ist jedoch kein Gesetz, und es bleibt dem Willen des
Volkes überlassen, das aber immer Achtung genug für
seine Gesetzgeber besitzt, um mit deren Wünschen und
Bekanntmachungen überein zu stimmen, so wie jedes
Volk in Dingen thun sollte, die ihm gut und nützlich
sind.
      Diesen Tagen werden noch andere von Zeit zu Zeit
durch unsern vorsitzenden Aeltesten hinzugefügt, so wie
es die Umstände veranlassen, wo denn unter Fasten
und Beten dem allmächtigen Herrn Dank dargebracht
wird, für Seine uns überflüssig erwiesene Güte.
      Am ersten Tage in der Woche, nämlich Sonntag,
wird keine Arbeit vorgenommen. Die Kaufmannsläden
werden Samstag Abends geschlossen, und nicht wieder
geöffnet, bis Montag Morgens. Besuche machen, oder
Gesellschaften bilden, ist am Sabbath-Tage, so wie es
in Europa der Brauch ist, in Amerika durch populären
Einfluß nicht erlaubt.
      Deßhalb scheint es einem Amerikaner sehr sonder-
bar, den Sabbath meistens nur dem Vergnügen und
der Erholung gewidmet zu sehen, da es doch der Tag
–   84   –

des Herrn ist, und er sieht sich genöthigt, diese Er-
scheinung unter jene neuen Dinge zu zählen, die er in
fremden Ländern sieht.

Fünfzehnter Artikel.
Ueber die Fußwaschung.

      Dieß ist eine Verordnung in unserer Kirche, welche
durch die dienstleistenden Glieder derselben ausgeübt
wird. Sie wird auch von andern Gliedern ausgeübt,
jedoch nicht als eine kirchliche Verordnung, sondern als
ein Beispiel der Demuth und Herablassung in kleinen
religiösen Zirkeln und Familien. Gleich wie Christus
Seinen Jüngern die Füsse wusch, so waschen auch sie
dieselben unter einander.
      Nachdem unsere Priester berufen und ordinirt wor-
den sind, müssen sie auch sogleich ihren Standpunkt
einnehmen. Ist ihnen befohlen, zu reisen und zu predi-
gen, so müssen sie gehen, sind sie aber lokal bestimmt,
so müssen sie bleiben. Haben sie im Verlaufe von zwei
oder drei Jahren sich getreu in der Erfüllung der ihnen
auferlegten Berufspflichten gezeigt, und sind sie von
Gott und der Kirche als gut befunden worden, dann
werden sie einberufen zu einer feierlichen Versammlung.
Und unter gemeinsamen Beten und Fasten umgürtet
sich der Präsident der Kirche mit einem Tuche, und
wäscht und trocknet ihnen ihre Füsse, und hierauf wird
ihr Haupt und Körper mit dem heiligen Oele gesalbt.
Dieses Waschen ist ein Zeichen, daß sie ihre Kleider
gereinigt haben von den Seelen der Menschen; und sie
sind dann anerkannt als Bürger des Herrn, nachdem
sie sich aller der Pflichten entledigt hatten, unter wel-
chen sie zu der Welt standen.
      Und immer hernach müssen wir dem Herrn dienen
in aller Reinheit und Gerechtigkeit in was immer für
einem Amte Er uns berufen hat, entweder zu reisen
und zu predigen, oder den Kirchen vorzustehen.
–   85   –


Sechszehnter Artikel.
Ueber patriarchalische Segnung und ein Wort über Ehe.

      Es ist ein Gesetz unserer Kirche, daß jeder Vater
seine Kinder
zu irgend einer gelegenen Zeit zusammen
rufe, um ihnen seine Hände aufzulegen und sie zu seg-
nen, ehe er sterbe.
      Wenn sich nun der Fall ereignet, daß in unserer
Kirche Personen sind, deren Väter todt, oder nicht un-
sers Glaubens sind
, so haben wir einen Patriarchen,
dessen Geschäft es ist, solchen seine Hände aufzulegen,
und sie an Vaters Statt zu segnen, damit keiner ohne
Vaters Segen bleibe, der in unserer Kirche als sehr
wichtig betrachtet wird.
      Allen Personen in unserer Kirche ist es erlaubt,
zu heirathen, sobald sie das gehörige Alter erreicht ha-
ben, vorausgesetzt, daß sie in keiner nahen Verwandt-
schaft stehen. Es ist den Gliedern unserer Kirche sehr
ernstlich enbefohlen, (jedoch nicht gänzlich verboten) keine
Person von einer andern Religion zu heirathen. Jene,
welche so thun, werden als unweise und als schwach im
Glauben betrachtet
.


——«·»——



–   86   –


Einige gesammelte Gedanken.

——«·»——

      Den Zeichen der Zeit und den weissagenden Worten
eines alt-jüdischen Propheten gemäß ist die Welt am
Vorabende der Wunder; ja, seltsame und gewichtige
Veränderungen stehen uns nahe. Das große Werk der
Vorbereitung zu Christus zweiter Ankunft hat bereits
begonnen, und obgleich es noch im Kinderschritte ein-
herwankt, so fängt es doch schon schnell an, Kraft zu
gewinnen, und mit freudigem Vorgefühle blicken wir
hin auf jenen Tag, wo ein glorreicher und ehrenvoller
Sieg unsere Bemühungen krönen wird, und uns die
Stimme des Herrn zurufen wird: »Ihr habt wohl
gethan meine guten und gläubigen Diener, deßhalb soll
auch grosser Lohn euern Bemühungen werden.« —
      Da aber in den jetzigen Tagen die Meinung all-
gemein vorherrscht: daß Gott in unsern Zeiten nicht
mehr mit den Menschen sprechen will, daß die Engel
längst ihr Werk beschlossen haben und heimgegangen
sind zum Himmel, um nicht wieder zu kommen bis
zum Tag des Gerichts – daß die Visionen die Men-
schen nicht mehr beglücken, daß die Prophezeihungen
mangeln und die Begeisterung von der Erde wich –
so ist es moralisch unmöglich für die Welt, sie mit
der Zeit und Weise der Heimsuchung bekannt zu ma-
chen, denn ihr Unglauben verschloß jeden Kanal, durch
welchen ihr der Herr Belehrung zuführen wollte; deß-
halb »wird der Tag des Herrn über diese Welt herein
brechen, wie ein Dieb in der Nacht.«
      Obgleich convulsivisches Zittern die Erde rüttelt
wie einen gichtbrüchigen Greis, und verzehrende Flam-
men Städte und Dörfer in Asche legen, während die
–   87   –

Diener Gottes, die zur eilften Stunde des Tages
in den Weinberg berufen wurden, hingehen, um zu
verkünden: daß die Stunde Seines Gerichtes gekommen
ist – so kann doch alles nicht den Unglauben der Men-
schen überwinden. Denn sie werden fortfahren an den
abergläubischen Traditionen ihrer Väter mit aller jener
Heftigkeit zu hangen, mit der der sterbende Geizhals
an seinen schimmlichten Schätzen hängt, und sie werden
in ihrem Unglauben verharren, bis der Pfeil des Ge-
richtes ihr Herz durchbohren, und ihrer irdischen Lauf-
bahn ein Ende setzen wird.
      Noe ward mit einer eigenen Botschaft von dem
Herrn zu den Völkern vor der Sündfluth gesandt;
allein diese glaubten ihm nicht, und sie kamen in ihren
Sünden um. Es ward ihnen gesagt, was da kommen
würde, und sie wurden auf eine glaubenswerthe Art
über ihre Gefahr gewarnt, allein sie betrachteten dieses
nur als einen betrüglichen Traum. Sie hatten Augen
und sahen nicht, sie hatten Ohren und hörten nicht,
und sie hatten Herzen, aber sie glaubten und verstanden
nicht. Deßhalb brach die Sündfluth unerwartet über
sie ein, obgleich sie darob gewarnt wurden.
      Nothwendig ist es deßhalb, daß da einige voraus-
gehen mit einer Botschaft vor der zweiten Ankunft des
Erlösers; denn Er hat gesagt: »Stehet auf und gehet
dem Bräutigam entgegen.« – Es bedarf hier wohl
nicht bemerkt zu werden, daß die Mitternacht eine Zeit
grosser Dunkelheit ist, nämlich eine Zeit, wo die Sinne
des größten Theils der Menschheit in tiefen und festen
Schlaf versunken, unempfindlich für ihre Lage sind,
und die herannahende Gefahr nicht gewahren.
      Wem immer Gott die Ehre erweisen wird, ihn
auszusuchen, um der Träger einer direkten Botschaft
von Ihm an dieses sorglose Geschlecht zu werden, so
wie Noe es für seine Zeitgenossen war, so muß er
Spott, Hohn und Verachtung des größten Theils der
Menschen auf sich nehmen. – Man wird ihn einen
–   88   –

Fanatiker, einen Betrüger, einen falschen Propheten,
einen Enthusiasten, einen Narren, einen Ketzer, einen
Gotteslästerer und einen Wolf in Schafskleidern nennen.
Man wird ihn nicht nur allein mit Mahomet, sondern
auch mit jedem fliegenden Meteore vergleichen, welches
den religiösen Horizont seit seinen Tagen durchkreuzte.
      Wer hat da Willen genug, die mächtige Strömung
des schmutzigen Wassers zu dämmen, welches aus ver-
unreinigten Quellen fließt?! Wer will aus freiem
Antriebe dem Herrn seine Dienste weihen, um Sein
Zeugniß zu verkünden im Angesichte eines eben so
strengen als tiefgewurzelten Vorurtheils, welches je eine
Generation charakterisirte? Was mich betrifft, so ant-
worte ich: Der Herr ist mein Helfer; ich will Seinem
Befehle gehorchend hingehen, und Seinen Willen be-
kannt machen, so wie Er ihn mir bekannt machte, un-
ter allen Menschen, sollten sie auch deßhalb meine
Feinde werden, und mich mit Tadel, Schimpf und
Schande überhäufen, weil ich der Entledigung meiner
Pflicht getreu geblieben. Der Herr, dem ich diene,
wird mir diese Schmach in einen blickenden Diamant
verwandeln, um meine Krone an jenem Tage damit
zu schmücken, wo mir gesagt werden wird; »Du bist
getreu gewesen in wenig Dingen, daher will ich dich
über Vieles setzen.«
      Möge doch keiner die Sache verachten, weil sie
nicht in den Zirkeln der Grossen und an den Höfen
der Könige entsprungen ist. Gott kann Licht aus Fin-
sterniß hervorbringen! Denn als einst Finsterniß ihren
dunklen Mantel über das Chaos dieser Erde am Mor-
gen der Schöpfung gebreitet hatte, da rief er: »Es
werde Licht!« und sogleich brach Licht hervor aus der
Dunkelheit und rollte seine glorreichen Fluthen über
das Anlitz einer neugebornen Welt; so plötzlich und
hell, als je ein Funke dem Stahl und Kiesel entsprang!
      Die Zeit wird bald beweisen, welche Aufnahme
dieses kleine Werk erfahren soll, und wie das Volk in
Beziehung dessen handeln will. Meines Erachtens nach
–   89   –

ist es jedoch von solcher Natur, daß Niemand es mit
gänzlicher Gleichgültigkeit vorüber gehen lassen wird.
Ja gewiß; es muß irgend ein Gefühl erwecken! und
wie ich auch beurtheilt werden mag, es geschrieben und
bekannt gemacht zu haben; jene, die es lesen, werden
es gewißlich billigen.
      Ja ich bekenne offen, daß die Sache, welche ich
verfechte, eine Sache ist, für die allein ich nur zu leben
wünsche, und für die ich auch bereit bin zu sterben.
Nicht Augenblicke religiöser Aufwallung, bestimmten
mich zu diesem Zeugnisse, nein, sondern zehn Jahre,
reich an Erfahrungen, während welchen Wohlstand und
Trübsal abwechselnd meine Gefährten waren. Ich fühle
mich manchmal gleich einem kleinen Schiffe (seit ich
abwesend bin von meinem Vaterlande), das auf frem-
den und unbekannten Gewässern segelt, unter deren
Oberfläche vielleicht manche Klippe für den fremden
Schifffahrer verborgen steckt. Und sollte ich auch Schiff-
bruch leiden unter feindlichen Stürmen an einer frem-
den Küste, so bangt mir nicht, denn meine Ladung
(die Seele) ist nach ihrem vollen Werthe versichert in
den Wohnungen des Himmels. Deßhalb habe ich nichts
zu fürchten als nur Ihn, Der tödten und wieder le-
bendig machen kann! Früh schon ward ich als Waise
zurück gelassen – kein väterliches Auge blickte auf
mich, kein Mutterherz schlug mehr für mich. Die
Hand, die meine Kindesthränen stillte, war regungslos,
und die Brust, die mich einst nährte, war erkaltet im
Tode.
      Für zwanzig lange Jahre kannte ich nicht Einen,
in dessen Adern Freundes-Blut für mich geflossen wäre.
Deßhalb genoß ich auch nicht jene Vortheile einer geregelten
Erziehung, die so Viele besitzen, und die so wünschenswerth
sind. Aber da es nur wenige Menschen gibt, die, so geringe
auch ihre erworbenen Fähigkeiten sein mögen, beim Anblicke
des in Feuer stehenden Hauses ihres Nachbars, nicht den
Inwohnern desselben zurufen würden, die Flucht zu er-
greifen, um sich zu retten – gerade so zu thun fühle ich,
–   90   –

wenn ich durch das Glas der heiligen Schrift auf die
Welt hinblicke und sie so blindlings dem Rande eines
schmählichen Abgrundes entgegen strömen sehe, während
Revolutionen, Umwälzungen, Blutvergießungen und
Flammen verzehrenden Feuers bereit stehen, dem un-
rühmlichen Reiche des Satans ein Ende zu machen,
unter dessen drückender Tyranei die Erde für beinahe
6000 Jahre geseufzt hat – ja da fühle ich einen Geist
in meiner Brust erstehen, der über jede Schwachheit
meiner Natur triumphirt. Und würde ich vernachlässi-
gen, allen Klassen, Graden und Professionen der Män-
ner und Weiber Buße und Bekehrung zuzurufen, so
weit mir Macht und Gelegenheit gegeben ist; »würden
die Steine rufen« an meiner Statt. Die Anordnungen
des Hauses Gottes sind verändert, Seine Gesetze sind
übertreten, und der Bund zwischen Ihm und Seinem
Volke ist gebrochen worden, deßhalb brennt das Miß-
vergnügen des Herrn gegen diese Generation, dessen künf-
tige Geschichte theilweise in dem 24. Kapitel des Pro-
pheten Isaias zu lesen ist. Und ich fühle mich bevoll-
mächtigt zu sagen: daß es gut stehen wird mit jedem
Manne, Weibe oder Kinde, das in die Jahre der Ver-
nunft gekommmen, wenn sie bereuen und sich demüthigen
vor dem Herrn, und wenn sie getauft sind im Wasser
zur Nachlassung ihrer Sünden, damit sie den heili-
gen Geist empfangen mögen, zur Nachlassung ihrer
Sünden. Auf diese Weise muß ein Volk versammelt
werden in Glauben, Tugend und Gerechtigkeit, da-
mit, wenn die erste Auferstehung statt findet (welche
den Worten des Engels zufolge in dieser Generation
sich ereignen wird) sie verändert und werden entrückt wer-
den mögen in den Wolken, dem Herrn entgegen in die
Luft, um so immer bei Ihm zu sein« wie Paulus er-
klärt hat Thessal. 4. Kap. 16 und 17. Vers.
      Noe ward in der Arche auf den schwellenden Flu-
then des Wassers, über die Oberfläche der Erde empor-
gehoben, bis sie gereinigt und abgewaschen war von den
Gottlosen, und worauf er wohlbehalten auf den Gebirgen
–   91   –

Arrarat's anlandete. Er sah wie die Gewässer hin-
weg fielen, und der trockene Grund zum Vorschein
kam, und er blickte um sich, und fand sich als den ein-
zigen Erben und Monarchen einer neuen Welt, denn
da war keiner mehr übrig geblieben, der seine Ansprüche
hätte anstreiten können. So wird es auch mit den äch-
ten Schaafen des guten Hirten sein, die da lebend auf
der Erde verweilen, bis zur Zeit der zweiten Ankunft
Christi, wo sie entrückt werden in Wolken dem Herrn
entgegen in der Luft. Dann wird die Phiole des Zornes
Gottes ausgegossen werden über die Gottlosen, ohne
Mischung der Gnade, denn das Salz ist von ihnen ge-
nommen worden durch den Erlöser, und nichts ist mehr
übrig gelassen, die Welt zu retten.
      Unser gesegneter Herr warf selbst einst die Frage
auf, bezüglich Seiner zweiten Ankunft als Er auf Er-
den noch im Fleische wandelte: »Wenn der Sohn des
Menschen kommet, wird Er Glauben finden auf Erden?«
— Er beantwortete diese Frage nicht, allein er wußte
wohl, daß jene, welche im Besitze des Glaubens wären,
um diese Zeit von der Erde entrücket würden um Ihm
zu begegnen in der Luft und daß dann folglich kein
Glaube mehr auf Erden mehr sein würde. Wenn aber
die Erde gereinigt sein wird durch den Geist des Gerich-
tes, oder wenn sie getauft sein wird mit dem Feuer
und dem heil. Geiste; wenn Satan gebunden und die
Quellen der Bosheit verschlossen sein werden, dann, dann
wird der Herr herabsteigen mit seinem Volke, während
die weite Arche des Himmels wiederhallen wird von
dem triumphirenden Jauchzen der Erlösten. Bewun-
dernde Engel werden mit deren Freudentönen lauschen,
die gleich den glänzenden Tropfen des Morgens auf
zarten Blumen, von ihren Lippen gleiten. In ihrem
Chorus werden die Worte erschallen: »Du hast uns er-
löst für Gott durch Dein Blut aus allen Nationen,
Völkern, Stämmen und Zungen, und hast uns vor Gott
zu Königen und Priestern gemacht, um zu regieren auf
Erden.
–   92   –

      Alsdann werden sie die Verheißung, die vor mehr
denn 1800 Jahren gemacht wurde, an ihnen erfüllt sehen:
»Selig sind die Sanftmüthigen, denn sie sollen das
Erdreich besitzen.« Da wird keiner mehr sein, der ihre
Ansprüche streitig macht, denn sie werden gleich Noe die
Erde besitzen, ungestört und unerschreckt.
      Nachdem unsere ersten Aeltern das Gebot des Herrn
durch Theilung der Frucht übertreten hatten, da wurde
die Erde verflucht um des Menschen willen. Jene,
welche die meisten irdischen Reichthümer besitzen, haben
deßhalb auch den grössern Antheil an diesem Fluche,
besonders, wenn sie dieselben zu ihrer eigenen Vergrös-
serung anwenden, und nicht den Ermahnungen der Barm-
herzigkeit und des Mitleides gemäß damit handeln.
Deshalb sagte unser Erlöser: »Es gehet leichter ein
Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in den
Himmel.«
      »Wenn du vollkommen sein willst,« sagte Er fer-
ner, so gehe hin, verkaufe alles was du hast, und gib
es den Armen, und nimm dein Kreuz auf dich und
folge mir nach, und du wirst Schätze im Himmel er-
langen.«
      Diese Lehre ist in unsern Zeiten gerade so unpo-
pulär, als sie es war in den Tagen, wo der Herr sie
zum ersten Male lehrte. Der Reiche wandte sich ab,
und ging hinweg – und so werden sie auch jetzt thun.
Deßhalb sind nicht viele Reiche und Grosse, und Ge-
lehrte und Weise nach dem Urtheile dieser Welt beru-
fen, denn Gott hat die Armen dieser Erde ausgesucht,
die da reich an Glauben sind, die Erben Seines Reiches
zu werden.
      Jene, welche in goldenen Triumphwägen, und über
die Blumenbeete des Wohlstandes zum Himmel fahren
wollen, diese werden all ihren Scharfsinn und all ihre
Geschicklichkeit aufbieten, dieser Lehre eine andere Aus-
legung zu geben, um daß ihr Gewissen ungestört in
Schlaf gelullt werden möge in der Wiege des Reichthums.
Allein diese können kein Haar schwarz noch weiß machen;
–   93   –

so sagte Er, Der nicht lügen kann. Deßhalb ist mein
Rath für die Reichen: »sich Freunde zu machen mit
dem Mammon der Ungerechtigkeit, damit, wenn sie von
der Erde scheiden, sie aufgenommen werden mögen in
die ewigen Wohnungen.« —
      Ich meines Theils betrachte die Güter dieser Welt,
so wie ein Baumeister das Gerüste betrachtet, welches
seine Arbeitsleute trägt, während selbe die Mauern sei-
nes Palastes aufführen. Er hat kein anderes Vergnü-
gen an dem Gerüste als nur in so ferne es beiträgt,
seine Wohnung zur Vollendung zu bringen. Und so
habe auch ich nicht das leiseste Verlangen nach den
Reichthümern dieser Welt als nur in so ferne sie bei-
tragen mögen zur Aufbauung der Sache meines Meisters
und zur Unterstützung bis ich das Werk vollendet
habe, welches mir zu thun gegeben ward. Alsdann aber
hoffe ich durch die Gnade Gottes, Ruhe zu finden in
jenem Tempel, welcher nicht von Menschenhänden erbaut,
sondern erleuchtet ist mit der Glorie Dessen, welcher
starb, um mich zu retten und welcher nun wieder lebt
um meine Sache zu verfechten bei dem Richter über die
Lebendigen und über die Todten.
      Ich habe Jenen keine persönliche Einwendung zu
machen, die sich da so viele Reichthümer aufhäufen, als
sie sich nur immer sammeln, oder wünschen können;
auch beneide ich nicht den Zustand solcher Personen,
Ich wiederhole hier nur jene Grundsätze, die uns unser
Erlöser gelehrt hatte, und welche ich als den heilbrin-
gendsten und besten Rath, der je in meiner Macht
stand, solchen Personen zu geben vermag.
      Der Wunsch, mich der, von meinem Meister mir
auferlegten Pflicht zu entledigen, bewog mich, diese Be-
merkung zu machen, und diesem Triebe gemäß will ich
noch ein Ding anführen, und dann Jedem es seinem
eigenen Gutdünken überlassen, wie er über diesen Punkt
zu handeln gedenkt. Wenn die Grossen dieser Erde
freigebiger gegen die Armen sein würden, und von ihrem
Stolze abließen, oder doch einen guten Theil desselben
–   94   –

fahren ließen, so würden sie viel seltener um Beihilfe
zur Ausgleichung jener Verlurste aufgefordert werden,
die durch Feuer, Erdbeben oder Sturm so häufig sich
ereignen.
      Die Zeit wird kommen, wenn der Fluch von der
Erde genommen werden wird, unter welchem sie seit
beinahe 6000 Jahren seufzet. Wenn ein König, oder
irgend ein Grosser einem seiner besonderen Freunde ein
Geschenk machen will, so wählt er hiezu gewiß nichts
Geringes, sondern irgend etwas Charakteristisches jener
edlen Großmuth, welche Achtung gebietet und Bewun-
derung einflößt.
      So auch will der Herr den Fluch tadeln, welcher
auf der Erde lag, und sie wieder mit dem frischen
Grün des Edens bekleiden; ja Er wird den Baum des
Lebens wieder zurück bringen, und ihn seinem Volke
geben. Aber, so lange sie noch unter dem Fluche schmach-
ten, ist Er nicht geneigt ihn ihnen zu gewähren, denn
sie würden ihn nur benützen, wie ein gedankenloses Kind
ein Rasirmesser (zu ihrer eigenen Verletzung). Erhebet
deßhalb euere Häupter, ihr tugendhaften und demüthi-
gen Armen, die ihr nicht über euere Lage murret, und
die Gebote des Herrn haltet, denn zu euch ist dieses
Wort des Heils gesandt.
      Die Reichen können auch ihren Antheil haben an
diesem grossen Erbe, wenn sie die geeigneten Maaßregeln
hiezu ergreifen. Nein, Keiner ist ausgeschlossen, wenn
er in gerechter Weise darnach trachtet.
      In jenen Urkunden, welche in Amerika gefunden
wurden, und die ich schon früher beschrieben habe, war
auch eine Prophezeihung niedergeschrieben von der Hand
eiesn heiligen Mannes, der der Nation der Nephiten
angehörte. Dieselbe lautete: daß in den letzten Tagen,
wenn diese Urkunden aufgefunden und zur Kenntniß
der Völker gebracht werden sollen, eine grosse Stadt
ebaut werden wird in diesem Lande (Amerika) durch
jenes Volk, welches an diese Urkunden glauben wird.
–   95   –

      In dieser Stadt werden sich Menschen aus allen
Nationen unter dem Himmel versammeln. Dieser Pro-
phezeihung gemäß wurde, nachdem unsere Kirche zu
wachsen und an Wichtigkeit zuzunehmen begann, eine
schöne Gegend ausgewählt, die zum Sammelplatze der
Völker, so wie zum Gründungsplatze der Stadt be-
stimmt ward. Diese Gegend lag in den westlichen Sek-
tionen der Vereinigten Staaten, wo sich nur wenige
Einwohner befanden und deren Grund und Boden größ-
tentheils dem Gouvernemente angehörte, weßhalb er
auch sehr wohlfeil angekauft werden konnte. Die Gegend
war neu und größtentheils unkultivirt. Eine Strecke
Landes ward daselbst von unserm Gouverneur verhan-
delt, und die Auswanderung begann. Hunderte, und
bald nachher Tausende wurden auf diesen Boden sogleich
angesiedelt, bis daß der größte Theil von drei Graf-
schaften von unsern Leuten in Besitz genommen war.
Der Gouverneur des Staates, in welchem diese Graf-
schaften lagen, sowie seine Coadjutoren, denen politi-
scher Einfluß mehr als Menschen Rechte galt, wurden
durch unsern schnellen Wachsthum beunruhigt. Das
amerikanische Gouvernement ist ein elektives, und die
Stimmen-Mehrheit des Volkes bestimmt den Mann
welcher in's Amt zu treten hat. Diese Männer fürch-
teten deshalb, daß, wenn sie unser Vorschreiten unge-
gestört billigen würden, wir bald im Besitze der Ma-
jorität des Staates uns befänden, und die Zügel der
politischen Macht in unsere Hände bekämen. Gesetzt
auch wir hätten so gethan, hätten wir mehr als unser
konstitutionelles Recht genommen?
      Viele der bedeutendsten Männer von Missouri (dies
war der Name des Staates) wünschten deßhalb, daß
wir außer ihre Gränzen ziehen möchten, doch sie konn-
ten nicht einig werden, wie sie uns hiezu veranlassen
wollten. Denn um keinen Preis würden sie zugegeben
haben, daß die Welt erfahre, wie sehr sie unsere wach-
sende Zahl und durch sie, den Verlurst ihrer politischen
–   96   –

Stellung fürchteten. Endlich gelangten sie zu einem
Plane, welchen sie auch ausführten.
      Da die meisten unserer Leute von den östlichen
und nördlichen Staaten, welche frei sind, d. h. wo
keine Sklaverei erlaubt ist, nach dem Missouri-Staate
wanderten, welcher ein Sklaven-Staat ist, so verbreiteten
diese Männer das Gerücht: daß unser Volk sich mit
ihren Schwarzen eingelassen hätte, um den Saamen des
Mißvergnügens unter denselben auszustreuen. Obgleich
diese Aussage gänzlich auf Falschheit beruhte, so waren
doch die dämonischen Furien der Mißgunst eifrig und
betriebsam, derselben bei dem Volke Eingang zu ver-
schaffen, und populären Unwillen gegen uns anzuregen.
Dieß geschah um so leichter, da andere religiöse Sekten
im Hasse gegen uns aufstanden, als sie Tausende von
ihren Gliedern zu unserer Kirche übergehen, und ihre
Priester von den unsrigen überwunden sahen, so oft
dieselben uns zu öffentlichen Debatten herausforderten.
Aber anstatt daß das Gewicht unserer Argumente sie
zur Ueberzeugung gebracht hätte, so geriethen sie dar-
über in Wuth und beinahe in Wahnsinn, und beide
Partheien, sowohl religiöse als politische, waren in die-
ser Zeit so sehr gegen uns erbittert, daß sie jeden Vor-
wand als Deckmantel ergriffen, unter welchem sie ihre
Rache an den Opfern ihrer Wuth auszuüben suchten.
      Von diesem Zeitpunkte fingen sie uns zu hetzen
an. Sie schossen unsere Pferde und unser Hornvieh in
den Feldern, brannten die Häuser mehrerer an ihren
Gränzen angesiedelter Familien nieder und schlugen mit
unmenschlicher Grausamkeit unsere Männer, sobald sie
dieselben finden konnten, wo ihre Zahl der unsern über-
legen war. Jeder, der seine Religion nicht verläugnen-
wollte, mußte dulden, was deren wilde Raserei ihm auf-
bürdete, wenn er so unglücklich war, in ihre Hände zu
fallen.
      Ich will hier von den vielen nur ein Beispiel ih-
res Betragens gegen uns anführen, welches aus den
Schriften eines Augenzeugen gezogen ist.
–   97   –

      Diese schreckliche Scene ging am Nachmittag des
30. Oktober 1838 in einer kleinen Gränz-Ansiedlung un-
sers Volkes vor.
      »Am 6. Tage verflossenen Juli's verließ ich mit
»meiner Familie Kirtland in dem Staate Ohio um
»den obern Theil des Staates Missouri in die Graf-
»schaft Caldwell zu ziehen. Als ich am 13. Okt. über
»den Missisippi in der Nähe der kleinen Stadt Lousia-
»nia schiffte, erfuhr ich auf diesem Platze die unbestimmte
»Nachricht, daß Aufruhr in den obern Gegenden aus-
»gebrochen wäre – allein ich konnte diesem Gerüchte
»noch keinen Glauben beimessen. Ich setzte meinen Weg
»westwärts fort bis zu Campton's Ueberfahrts-Platze,
»wo ich den Grandfluß überschritt und zum erstenmale
»mit Bestimmtheit erfuhr, daß ich in Gefahr wäre von
»einer Compagnie bewaffneter Männer aufgehalten zu
»werden, wenn ich meine Reise weiter fortsetzte. Allein
»so lange ich den vaterländischen Boden unter meinen
»Füssen hatte, war ich nicht geneigt, meine vorgefaßte
»Idee aufzugeben, nämlich mit meiner Familie in eine
»schöne und gesunde Gegend zu ziehen, um dort die Ge-
»sellschaft unserer Freunde und Verwandten zu genießen.
»Folglich reisten wir weiter, und gelangten so zu Whit-
»neys Mühlen, die an einem seichten Flusse in der
»Grafschaft Caldwell gelegen waren. Nachdem wir den
»Fluß überschritten, und so beiläufig drei Meilen zurück
»gelegt hatten, begegneten wir einer Compagnie von vier-
»hundert Mann zu Pferde, die mit Büchsen bewaffnet
»waren. Diese gaben uns sogleich zu erkennen, daß wir
»westwärts nicht weiter vorschreiten könnten, und droh-
»ten uns auch nebenbei mit augenblicklichem Tode, wenn
»wir Versuche hiezu machen wollten. Ich fragte sie um
»die Ursache dieses Verbotes, worauf sie uns antworte-
»ten: dieß geschähe, weil wir Mormonen, oder Latter
»Day Saints wären. Sie fügten auch noch ferner bei:
»daß alle jene, welche unsrer Religion anhingen, binnen
»zehn Tagen den Staat verlassen oder ihrem Glau-
»ben entsagen müßten. Auf diese Art waren wir dann
–   98   –

»genöthigt zu den obengenannten Mühlen zurück zu keh-
»ren. Hier verweilten wir drei Tage, den 26ten Frei-
»tags überschifften wir abermals den kleinen Fluß und
»zogen an dessen Ufer aufwärts eines andern Weges, wo
»durch wir glücklich dem nachsetzenden Haufen entgingen,
»und bald die Wohnung eines Freundes in Myrre's
»Nachbarschaft erreichten. Am 28. Okt. gelangten wir zu
»den Mühlen Hahns, und fanden dort eine Zahl unse-
»rer Freunde versammelt, die Rath hielten, welche Mit-
»tel sie zu ergreifen hätten um sich gegen den anrü-
»ckenden Haufen zu vertheidigen, der unter dem Befehle
»des Obersten Jennings aus der Grafschaft Livingston,
»ihnen mit Tod und Einäscherung ihrer Häuser drohte.
»Sie kamen zu dem Beschlusse, sich auf die bestmöglichste
»Weise zu bewaffnen, und bald darauf stunden achtund-
»zwanzig unserer Männer bereit, sich und ihre Familien
»gegen jeden Angriff irgend einer mässigen Zahl zu ver-
»theidigen, die auf uns einstürmen würde.
      »Dienstag den 30ten Oktober ging jene blutige
»Tragödie vor sich, deren grausame Scenen ich nie ver-
»gessen will. Mehr als drei Viertheile dieses schrecken-
»vollen Tages waren in Ruhe verflossen, alles war still,
»Keiner aus uns vermuthete das unglückliche und plötz-
»lich über uns einbrechende Schicksal, welches, gleich
»einem überschwemmenden Strome die Lage, die Ge-
»fühle und die Umstände von beiläufig dreißig Familien
Ȋnderte. Die Ufer des Shoal-Flusses waren mit scher-
»zenden und spielenden Kindern bedeckt, während die
»Mütter den häuslichen Verrichtungen oblagen, und
»die Väter in den Mühlen, oder anderwärts, so wie
»auch mit dem Einsammeln der Feldfrüchte für den
»Winterbedarf beschäftigt waren. Das Wetter war sehr
»schön – die Sonne schien klar – alles war ruhig,
»und in keiner Brust regte sich die Ahnung jener fürch-
»terlichen Krisis, die uns so nahe, ja die vor unsern
»Thüren war.«
      »Es war beinahe vier Uhr Nachmittags, als ich
»in meiner Hütte sitzend, mein Kind im Arme und
–   99   –

»mein Weib zur Seite, einen Blick auf das entgegen-
»gesetzte Ufer des Shoal-Flusses warf. Ich erblickte
»eine grosse Compagnie bewaffneter Männer zu Pferde,
»die mit größter Eile den Mühlen zusprengten. Und
»als sie so unter den Bäumen herankamen, welche den
»Rand der Wiesen begränzten (denn es war eine neue
»und meist unbebaute Gegend), so bildeten sie einen
»Dreiangel und rückten in geschlossener Ordnung vor-
»wärts. David Evans erblickte sie gleichzeitig, und
»die Ueberlegenheit ihrer Zahl erkennend (es waren
»ihrer 240 Mann, ihrem eigenen Bericht zufolge),
»schwang er seinen Hut und rief nach Frieden. Dieß
»ward aber von ihnen nicht berücksichtigt, sondern sie
»rückten immer näher, und ihr Anführer, Mr. Cum-
»stock, feuerte (der erste) sein Gewehr ab, worauf,
»nach einer feierlichen Pause von zehn oder zwölf Se-
»kunden, beiläufig hunderte von ihnen auf einmal los-
»brannten, und hiebei auf eines Grobschmiedes Werk-
»stätte zielten, wohin sich unsere Freunde zur Sicher-
»heit geflüchtet hatten. Jedoch die Angreifenden dran-
»gen so weit zur Werkstätte vor, daß sie ganz bequem
»durch die Lücken der übereinander gelegten Blöcke hin-
»durch, wovon die Schmiede aufgeführt war, auf die
»Körper jener zielen konnten, die sich zum Schutze vor
»ihren Mördern dahin geflüchtet hatten. Etwas weiter
»entfernt, im Hintergrunde der Schmiede, lebten ver-
»schiedene Familien in Zelten, deren Leben preisgegeben
»war; und in Mitte des Kugelregens, der ihnen nach-
»gesandt wurde, flohen sie in verschiedenen Richtungen
»dem Gehölze zu. Nachdem ich einige Minuten re-
»gungslos auf diese blutige Scene blickte, und gewahr
»wurde, daß ich selbst in der größten Gefahr schwebte
»(indem die Kugeln bereits schon das Haus erreichten,
»worin wir waren), so empfahlen wir uns alle dem
»Schutze des Höchsten, und verließen das Haus an dessen
»Hinterseite. Ich verbarg meine Familie so gut als
»ich konnte; und folgte dann dreien unserer Brüder,
»die aus der Werkstätte entsprungen, den Hügel hinauf
–   100   –

»rannten. Während wir so aufwärts flüchteten, wur-
»den wir von dem nachsetzenden Haufen entdeckt, der
»uns so lange Kugeln nachsandte, bis wir den Gipfel
»erreicht hatten. Beim Hinabsteigen des Hügels ver-
»barg ich mich in ein Dickicht, woselbst ich bis Abends
»acht Uhr lag. In der Dämmerung hörte ich eine
»weibliche Stimme, welche mich beim Namen rief und
»mir im leisen Tone sagte, daß die Verfolger abgezo-
»gen seien, und nun alles vorüber wäre. Ich verließ
»sogleich mein Versteck und eilte dem Hause Benjamin
»Lewis zu, wo ich meine Familie in Sicherheit, jedoch
»zwei meiner Freunde tödtlich verwundet fand, wovon
»der eine noch vor dem kommenden Morgen starb.«
      »Hier brachten wir denn diese Schreckensnacht im
»tiefen und schmerzlichen Nachdenken über die Scenen
»des verlebten Abends zu. Sobald der Tag anbrach,
»eilten ich und noch andere vier Männer, die mit dem
»Leben aus diesem Blutbade entkommen waren, den
»Mühlen zu, um den Zustand unsrer Freunde zu er-
»fahren, deren Schicksal wir leider nur zu gut ahnten.
»Als wir an das Haus des Mr. Hahn's kamen, fan-
»den wir an der Hinterseite desselben, den entseelten
»Körper Mr. Merik's, und an der Vorderseite den
»des Mr. Mc.Brides, der vom Kopf bis zu den Füssen
»im buchstäblichen Sinne des Wortes zerhauen und
»zerstückelt war. Miß Rebecca Judd, welche Augen-
»zeuge gewesen war, erzählte uns nachher, daß er mit
»seinem eigenen Gewehr erschossen wurde, nachdem er
»es abgegeben hatte, und daß Mr. Rogers, aus der
»Grafschaft Davies, welcher eine Fährte an dem Grand-
»Flusse besitzt, ihn hierauf mit seiner Sense so grausam
»zurichtete; der überdieß noch mit dieser seiner That
»von wilder Barbarei prahlte. In dem Hause selber
»fanden wir Mr. Yorks Körper, von wo aus wir,
»nachdem wir ihn betrachtet hatten, der Werkstätte des
»Grobschmiedes zueilten. Hier fanden wir acht unserer
»Brüder bereits verschieden; der neunte, Mr. Cox von
»Indiana lag im Todeskampfe, und starb bald darauf.
–   101   –

»Wir schickten uns sogleich an, sie alle zu einem Be-
»gräbnißplatze zu bringen; jedoch konnte dieser letzte
»Freundschaftsdienst, welchen wir den Reliquien unserer
»hingeschiedenen Freunde schuldig waren, nur in der
»größten Hast und ohne die gewohnten Ceremonien des
»Anstandes verrichtet werden, indem wir alle Augenblicke
»in Gefahr waren, von unsern Verfolgern erschossen zu
»werden. Wir vermutheten sie im Hinterhalte auf eine
»Gelegenheit lauernd, um jene wenigen Uebiggebliebenen
»noch gänzlich zu vernichten, die durch Hülfe der Vor-
»sehung dem Gemetzel des verflossenen Tages entrannen.
      »Wir konnten aber doch ohne Störung dieses mühe-
»volle Werk verrichten. Der Begräbniß-Platz war ein
»Gewölbe in der Erde, welches früher für einen Brun-
»nen bestimmt war, und dahinein mußten wir rück-
»sichtslos die Körper unserer Brüder werfen.
      »Unter den Erschlagenen will ich Sardins Smith's
»erwähnen. Er war der Sohn des Warren Smith
»und beiläufig neun Jahre alt. Dieser kroch aus Furcht
»vor den Verfolgern in den Blasebalg der Schmiede
»und hielt sich dort so lange versteckt bis das Blutbad
»vorüber war. Hernach aber wurde er von Mr. Glaze
»aus der Grafschaft Caroll entdeckt, der seine Büchse an
»des Knaben Kopf haltend, losdrückte und ihm den
»Obertheil desselben zerschmetterte. Mr. Stanley von
»Carroll sagte mir später, daß Glaze sich groß gemacht
»habe, einen jungen Zweig vom Baume »Mormone«
»abgerissen zu haben.«
      »Die Zahl der Erschlagenen und tödtlich Verwun-
»deten an jenem Abende des Blutvergießens waren
»achtzehn oder neunzehn; ihre Namen sind folgende:
»Thomas Mr. Bride – Levi Merrick – Elias Benner
– Josiah Fuller – Benjamin Lewis – Alexander
»Campbell – Warren Smith – Sardins Smith –
»George Richards – Mr. Napier – Mr. Harmer –
»Mr. Cox – Mr. Abbot – Mr. York – Wm. Merrick,
»ein Knabe von acht oder neun Jahren, und noch drei
»oder vier andere, deren Namen ich mich nicht erinnere,
–   102   –

»weil sie Fremde für mich waren. Unter den Verwun-
»deten, welche wieder geheilt wurden, befand sich auch
»Isaak Laney, der mit sechs Kugeln durchschossen wurde.
»Zwei empfing er durch den Leib, eine durch jeden Arm,
»und die anderen zwei durch seine Hüften. Nathan
»Knight ward ebenfalls durch den Leib geschossen, und
»Mr. Yokum, der an vielen Theilen zerhauen und zer-
»quetscht war, empfing ebenfalls eine Kugel durch den
»Kopf. Jacob Myres, Mr. Diyres, Tarleton Lewis,
»Mr. Hahn und noch mehrere andere waren gefährlich
»verwundet. Miß Mary Studwell ward, während sie
»floh, durch die Hand geschossen, wobei sie ohnmächtig
»über einen erhöhten Block hinabfiel, in welchem mehr
»denn zwanzig Kugeln stecken blieben, die sie ihr nach-
»gesandt hatten.
      »Um ihr Zerstörungs-Werk noch vollends zu ver-
»richten, beraubte diese Bande von Mördern, welche aus
»lauter Männern einer Sektion der obern Gegend be-
»stand, und von den Bedeutenderen der Grafschaften
»Davies, Livingston, Ray, Caldwell angeführt wurden,
»auch noch unsere Häuser und Gezelte und Wägen, die
»mit Betten und Kleidern und anderen Bedürfnissen
»beladen waren. Sie trieben unsere Pferde und Wägen
»fort, ohne der Hülflosigkeit der Witwen mit ihren
»Kindern zu achten, die sie so des Nothwendigsten des
»Lebens beraubten; ja sie zogen sogar die besseren Klei-
»dungsstücke von den Körpern der Erschlagenen.
      »Diese Schilderung des oben erwähnten Blutbades
»bestättige ich als eine treue Darstellung von That-
»sachen, die sich in dieser traurigen Epoche ereigneten.«
Joseph Young.      
      Bald nach diesem wurden wir auf Befehl des Gou-
verneurs mit militärischer Macht in kalter Winterszeit
aus dem Staate verwiesen, und wir mußten unser Korn
und unsere verschiedenen Vorräthe, welche für eine
doppelte Bevölkerung, gleich der unsrigen, hinreichend
gewesen wäre, zurücklassen. Auch unser Grund und
Boden, sowie unsere Häuser wurden eine Beute unserer
–   103   –

Verfolger, die uns seither nicht eines Guldens Werth
Entschädigung für das Ganze boten. Ich will es gar
nicht versuchen, die Lage unserer Freunde und besonders
die der verlassenen Weiber und Kinder zu schildern,
welche bisher den Wohlstand des Lebens genossen hatten
– es ist genug, wenn ich hierüber sage, daß wir mit
Drangsalen jeglicher Art bekannt gemacht worden sind.
      Den schmerzlichsten Verlust erlitten wir durch den
Tod unserer Brüder, denn ihre Gesellschaft war uns
theuer und werth. Allein stünde es auch in unserer
Macht, sie wieder zu erwecken, so würden wir sie doch
nimmer zurückrufen in diese Welt des Elendes. Nein!
Ihre Treue blieb standhaft dem Feinde gegenüber, sie
überstanden die grausamsten Behandlungen, und kamen
glorreich aus der blutigen Prüfung mit errungenem
unsterblichem Siege hervor, und flogen als unsterbliche
Geister ihrer himmlischen Heimath zu, wo sie sich nun
sonnen in dem Lächeln ihres Heilandes, und sich schmücken
mit den ewigen Lorbeeren, die sie sich durch ihren Mar-
tyrer-Tod errangen.
      Wenn eine Person den Sinn des Gehörs verliert,
so wird gewöhnlich der Sinn des Gesichtes schärfer und
lebhafter – so gab denn nun auf dieselbe Art der Tod
unsrer Brüder den Herzen der Zurückgebliebenen ver-
mehrte Kraft! Allein nach Allem diesem blieb doch
eine wunde Stelle zurück. Wer ist wohl gesinnt, einen
neuen Dorn in selbe zu drücken; oder gleich dem barm-
herzigen Samariten Oel und Wein hineinzugießen und
sie zu verbinden?
      Unsere Nachbarn, die nicht unserer Religion ange-
hörten, wandten alle vorhergehenden Dinge gleichsam
als Mittel an, um uns von unserer Ketzerei, so wie
von den Vorzügen und hohen Tugenden ihrer Religion
zu überzeugen; allein es gelang ihnen nicht, uns zu be-
reden, daß ihre Religion gut, oder die unsere falsch wäre.
      Der Gouverneur des Nachbarstaates, wohin wir
verwiesen wurden, durchwanderte inkognito die Scenen
unserer Verfolgung, und sah unsere Lage; und er und
–   104   –

die Bürger seines Staates (Illinois) empfingen uns
mit der größten Güte. Sie räumten uns Häuser ein
und versahen uns mit Nahrungsmitteln, bis daß wir
uns sie selbst verschaffen konnten. Ja, wir können in
Wahrheit von ihnen sagen: »wir waren Fremdlinge und
sie nahmen uns auf; wir waren hungrig und sie speisten
uns!« Und ob ich gleich jetzt ferne bin, so ruft mein
Herz für sie zum Herrn: »Gott, Du Allgütiger,
segne sie!«
      Wir erfuhren unter diesen Umständen die Wahr-
heit des alten Spruches: »Das Blut der Märtyrer ist
der Saamen der Kirche,« – denn nicht so bald waren
wir in Illinois angelangt, so fingen wir an, in den
Häusern, und wenn es das Wetter erlaubte, unter freiem
Himmel, auf offenem Felde und unter Baumgruppen
zu predigen; und es war nicht selten zu sehen, daß
fünfzig bis hundert Personen an einem Tage getauft
wurden, um unserer Kirche einverleibt zu werden. Unter
diesen war ein Mann, welcher 25,000 Acker Landes
besaß, und die er uns, den Acker zu zwei Thaler, ver-
kaufte, wofür wir ihm das Geld nach zwanzig Jahren
ohne Interesse zu bezahlen gehabt hätten. Allein seit-
dem hat er großmüthig eine Verzichtsleistung auf das
Ganze unterzeichnet. Das gesetzgebende Gouvernement
des Staates gab uns einen Freiheitsbrief, eine grosse
Stadt zu bauen mit den Privilegien, deren Gränzen so
weit auszudehnen, als es uns beliebe. In Folge un-
sers schnellen Wachsthums fürchtete das Volk von
Missouri, daß, wenn wir zu Kräften gekommen wären,
wir zurückkehren würden, um sie zu züchtigen, und
unser Land wieder in Besitz zu nehmen. Deßhalb drohten
sie uns, über uns herzufallen und uns weiter zu trei-
ben. Hierauf wurden Petitionen um Schutz an unsern
Gouverneur gerichtet; und er organisirte uns alle mili-
tärisch, schickte uns Kanonen und kleine Geschütze,
sorgte, daß wir alle regelmäßig bewaffnet wurden, und
befahl uns zuletzt, uns selbst zu vertheidigen.
–   105   –

      Da sich nun unsere Männer dem gemäß exerzirten
und einübten und eine geraume Zeit hindurch Waffen-
Uebungen vornahmen, so sind einige großmüthig gewesen,
uns in ihren Zeitungen als eine fechtende und kriegerische
Kirche darzustellen. In der That, ich habe selbst sogar
in einem Regensburger Tagblatte einen falschen Bericht
gelesen, welcher vermuthlich aus einem englischen oder
amerikanischen Blatte übersetzt worden war.
      Der Name der neu gegründeten Stadt ist Nauvoa.
Sie liegt am östlichen Ufer des Mississippi-Flußes, 40°
nördlicher Breite, im Staate Illinois. In diese Stadt
und deren angränzenden Umgebungen wanderte unser
Volk aus allen Theilen der vereinigten Staaten ein.
Beiläufig 1500 kamen von England, und erst kürzlich
habe ich einen Brief von einem meiner Freunde in Eng-
land erhalten, worin er mir anzeigt, daß nahe an 10,000
mehr auswandern werden, sobald sie die nöthigen Vor-
kehrungen hiezu werden getroffen haben. Ein Theil der-
selben wird noch diesen Herbst gehen und die andern
wahrscheinlich im nächsten Frühjahre. Die Zeit ist nicht
mehr ferne, wo in jeder Nation viele sich zu unserer
Sache bekehren, und sich hier (Amerika) versammeln wer-
den, gleichwie der Landmann seinen Weizen sammelt
zur Zeit der Erndte, oder gleich dem Fischmann, wenn
er sein Netze ans Land zieht. Denn wenn der Mitter-
nachts-Ruf gehört wird: »komme aus von ihr mein
Volk« – dann werden sie nicht länger mehr schlafen.
      Deßhalb wünschen wir, daß die Regierer und Gro-
ßen der Erde, so wie überhaupt jedermann erfahren
möge, daß Gott Sein Reich errichtet, und Seine Fahne
erhoben habe, und daß Seine Stimme weit hin gehört
werden wird, bis an die Enden der Erde. So hat Er
Seinem Diener dem Propheten Mr. Smith erklärt:
daß Er mit Feuer und Sturm und Erdbeben streiten
will, mit dieser Generation, und daß Er die Gottlosen
hinwegräumen will, durch Heinsuchungen jeglicher Pla-
gen und Strafen. Der Weinstock der Erde muß beschnit-
ten werden, denn seine Trauben sind völlig reif. Aber
–   106   –

schon ist eine Zufluchts-Stätte bereitet worden und die
Könige werden gewißlich darnach suchen. Zions Ban-
ner ist entfaltet, und ladet den Gläubigen jedes Him-
melsstriches ein zu kommen, um unter seinen Schatten
zu ruhen.
      Jerusalem wird aufstehen, denn ein Wort der
Gnade ist gesprochen worden, und obgleich nicht
zu Gunsten derer, die sie unterdrücken oder deren Pri-
vilegien einschränken, weil sie Juden sind. Ich bin kein
Jude, auch nicht der Sohn eines Juden; aber ich bin
ein Freund der Juden; denn das Heil der christlichen
Religion verursacht ihnen Betrübniß. Wenn Christus
nicht gekreuzigt, und Sein Blut nicht vergossen worden
wäre, so hätte er die Menschen nicht erlösen können;
es mußte Ihn Jemand tödten, denn dafür kam er ja
in diese Welt – wer Ihn aber tödtete, der hatte Schläge
und Leiden aller Art zu dulden. Die Juden traten vor,
und verursachten Seinen Tod – und seither haben sie
unter der Geißel gelegen, damit Heil über die Völker
käme. Wie undankbar muß deßhalb nicht ein Christ,
sein, der einen Juden verachtet! Die guten Eigenschaften
einer Person können am besten nach der Zahl der Leiden
und Entbehrungen berechnet werden, denen sie sich unter-
zieht, um anderen Gutes zu thun. Was größeres Gu-
tes konnte nun den Völkern widerfahren, als daß das
Christenthum sein Licht über sie verbreitete? Wahrlich
kein größeres! Und wer von uns hat wohl am meisten
gelitten, solchen Segen für die Welt zu verursachen?
Die Juden und sie leiden dafür noch bis auf diesen Tag.
Es scheint, daß sie gleichsam einem blinden Schicksale
überlassen wurden, so zu thun, als sie thaten; und die
Zukunft wird zeigen, ob sie nicht, nach allem, die
größten Wohlthäter der Welt gewesen sind und ob es
nicht in dem ewigen Plane des unsichtbaren Gottes lag,
diese grossen Ereignisse geschehen zu lassen. Zum Schluße
dieser gesammelten Gedanken möge es mir erlaubt sein
zu sagen, daß ich die größte Verbindlichkeit für die, mir
von dem allmächtigen Gott erwiesene Güte fühle. Fürs
–   107   –

Erste hat Er mir gewährt in dieser Zeit zu leben, wo
ich Sein Licht schauen kann, das Er zu scheinen ver-
anlaßte zur Kenntniß der Völker – zweitens hat Er
mich gewürdigt Seinen Namen hinzutragen vor die
Welt und die frohe Botschaft dieser Latter Day's in
vier Weltheilen zu verkünden. Drittens hat Er mich
durch Gebete eines Seiner Diener und durch An-
wendung des heiligen Oeles in Seinem Namen vollkom-
men von einem Uebel befreit, dessen Heilung viele Aerzte
vergebens versuchten.
      Obgleich da viele sagten, daß ich auch ohne diese
Anwendung hätte geheilt werden können, so kann ich
doch ihren Worten keinen Glauben beimessen, denn mir
ist es zur Ueberzeugung geworden, daß ich im Namen
des Herrn von meinem Uebel befreit ward.
      Ich bin nun bald drei Jahre von meinen Freun-
den und meiner Familie entfernt gewesen, und die Zeit
meiner Heimkehr rückt schnell heran. Wenn ich so der
Stunde entgegenblicke, wenn ich diesen Platz verlassen
werde, so erhebt sich in meiner Brust das Gefühl der
Zärtlichkeit für meine Brüder in Amerika. Obgleich
mir die Bekanntschaften, die ich während meines Auf-
enthalts in Regensburg gemacht habe, mir sehr werth
gewesen sind, so ist doch mein Herz voll Freude über
die Aussicht bald Jenen zu begegnen, die grössere An-
sprüche auf meine Zuneigung haben.
      So werden auch meine Gefühle sein, wenn die
Stunde heranrückt, wo ich diese Welt verlassen werde.
Ja, mit gleicher Bereitwilligkeit hoffe ich hinzugehen,
um mich jener triumphirenden Versammlung der Hei-
ligen anzuschließen, die da oben im Himmelslichte be-
kleidet sind mit dem Gewande der Unsterblichkeit.
      Als ich von Syrien, Palästina und Egypten im
verflossenen Februar zurückkehrte, fand ich es geeignet,
während einer oder zwei Jahreszeiten mich in dieser
Gegend aufzuhalten, um mich an den Blumen der
deutschen Literatur zu ergötzen, nachdem ich verschiedene
–   108   –

Monate unter den Dornen und Disteln einer uncivi-
lisirten Welt gewandelt hatte.
      Um meine müssigen Stunden nützlich auszufüllen,
habe ich einige englische Lektionen gegeben, und durch
Mitwirkung eines meiner Schüler ist es mir zuletzt
möglich geworden, dieses kleine Werk in der deutschen
Sprache zu bearbeiten.
      Obgleich ich meine Heimath verließ, ohne auf diese
grosse Reise weder eines Guldens Werth an Geld, noch
ein Oberkleid, einen Stock oder Schirm mitzunehmen,
so hat es mir doch an nichts gemangelt. Ich habe
immer genug für mich selbst, und auch noch etwas für
Jene übrig gehabt, die dürftiger waren als ich. Mein
Vertrauen hat seitdem nicht im Geringsten abgenom-
men, denn ich glaube, daß Der, Welcher zu mir redete
in den Visionen der Nacht, und Dessen Stimme ich
hörte am Mittage in den Wäldern Amerika's, mich
auch noch ferner erhalten wird in jeder Prüfung, und
mich stützen will mit den Flügeln Seiner Güte, bis
ich mein Werk vollbracht habe.
      O allmächtiger Vater! ich bitte Dich im Namen
meines Heilands Jesu Christi, bewahre mich vor jedem
Uebel, leite mich durch Deinen Geist und erhalte mich
aufrecht durch deine Macht, bis der Tod mich abruft,
und meine Seele alsdann ihrer sterblichen Wohnung
enteilt. Dann, o dann nimm mich gnädig bei Dir
auf, und gib mir einen Platz in Deinem Reiche, wo
die Gottlosen aufhören uns zu belästigen, und wo der
Müde eingeht zur ewigen Ruhe.

————————

      Es möchte vielleicht dem Leser dieses kleinen Werkes nicht
unangenehm sein, wenn ich hier eine Abschrift jenes Certifikates
beifüge, das ich von der Hand des Amerikanischen Konsuls in
Rotterdam empfing. Als ich von London daselbst anlandete, hatte
–   109   –

ich Gelegenheit, ihm meine Pässe und andere Papiere vorzulegen,
damit er sich überzeugen konnte, ob alles in gehöriger Ordnung
wäre.

Konsulat
der
Vereinigten Staaten zu Rotterdam.
      Ich, J. Wambersie, Konsul der Vereinigten
Staaten von Amerika für den Hafen von Rotter-
dam, bezeuge : daß ich die Beglaubigungs- und
Empfehlungs-Schreiben des Revd. Orson Hyde,
Prediger des Evangeliums, und Bürger der Ver-
einigten Staaten von Amerika, durchsucht und sie
als gut und von unbezweifelter Quelle gefunden
habe.
      Der Gouverneur von Illinois (einer der ver-
einigten nordamerikanischen Staaten) so wie meh-
rere hochgestellte Personen haben sich in den ach-
tungsvollsten Ausdrücken über Mr. Hyde ausge-
sprochen, der mit geeigneten Pässen von dem
Staats-Sekretär der Vereinigten Staaten Ame-
rika's, so wie auch von dem Minister des genann-
ten Staates am Hofe St. James versehen ist.
      In Zeugniß dessen habe ich hier meinen
Namen unterschrieben, und das Siegel des Kon-
sulates der Vereinigten Staaten zu Rotterdam
aufgedrückt.
      Rotterdam, den 24. Juni 1841.
            (L.S.)
J. Wambersie.      
–   110   –




A n h a n g.
——«·»——
      Dieß vorhergehende kleine Werk wurde in Regens-
burg geschrieben, und der Verfasser hatte die Gesinnung
es daselbst heraus zu geben; allein nachdem das
Manuscript hievon dem Censor, so wie auch dem Stadt-
Commissär vorgelegt worden war, um Erlaubniß hiezu
zu erlangen, erhielt ich zur Antwort: daß in Folge der
darin enthaltenen Grundsätze, die so verschieden von
denen der in diesem Lande eingeführten Religion wären,
mir die Erlaubniß, dasselbe alldort heraus zugeben, nicht
bewilligt werden könne, da es nur Aufregung und Un-
ruhe unter dem Volke veranlassen würde. Sollte ich es
indeß doch wagen, es dort zu verbreiten, so würde die
ganze Ausgabe in Beschlag genommen werden, und ich,
(so wie mir durch eine dritte Person gesagt wurde) mich
einer Geldstrafe oder auch dem Einsperren zu unterziehen
haben. Um der Sache der Tugend und Religion willen
eine Geldstrafe zu zahlen, oder eingesperrt zu werden,
ist kein Schrecken für mich; allein meine Mühe und
mein Geld, das ich zum Besten meiner Mitmenschen
anzuwenden gedachte, ohne Aussicht zur Vollendung ei-
ner so wünschenswerthen Sache vergeuden zu müssen,
dieß mag mich hinlänglich entschuldigen, wenn ich den
guten Samen in ein freundlicheres Erdreich streue, wo
die Vögel unter dem Himmel nicht so zahlreich sind, um
ihn hinweg zu holen, ehe er noch Zeit hatte, Wurzel
zu fassen.
–   111   –

Im Jahre 1837 ward ich in Gesellschaft mit an-
dern in einer Mission nach England gesandt, um unsere
Kirche alldort einzuführen. Wir landeten in Liverpool
den 18. Juli desselben Jahres und verweilten in Eng-
land bis zum 20ten April des folgenden Jahres; folg-
lich 9 Monate und zwei Tage in diesem Lande, wo wir
8 Monate in großer Thätigkeit zubrachten. Unsere Lehre
verbreitete sich in einer Schnelligkeit, die unsere eigene
Erwartung überstieg. Die Straßen, die Marktplätze und
Kirchen (wenn wir solche haben konnten) waren das Feld
unsrer Arbeiten, und so auch arbeiteten wir von Haus zu
Haus. Eine Menge Volkes drängte sich Tag und Nacht
um uns. Manchmal wurden wir von einem halben
Dutzend Priestern anderer Religionen auf einmal wider-
sprochen, allein, da es der Herr so haben wollte, daß
jeder Widerspruch, welchem wir begegneten, unsrer Sache
neue Schwungkraft verlieh, so kamen unsere Widersacher
bald zur Ueberzeugung, daß sie unfähig wären, unsere
Fortschritte durch gewöhnliche, rechtliche Mittel zu
hemmen.
      Diese faßten daher den boshaften Entschluß, ihren Ein-
fluß dahin zu benutzen, daß jeder, der da unsern Lehrsätzen
anhinge, außer Beschäftigung gesetzt, und bei Noth und
Bedürfniß dahin gezwungen würde, dasjenige zu verlassen,
was sie Ketzerei nannten. Viele wurden außer Beschäfti-
gung gesetzt und ihre Oberherrn verweigerten ihnen Empfeh-
lungs-Schreiben, wodurch sie anderwärts unterkommen
können. Dieß war eine Zeit der Versuchung! Sie ka-
men häufig, uns um Rath zu fragen indem sie sagten:
»Was sollen wir thun? Unsere Existenz hängt von un-
»serer Arbeit ab, und wenn wir keine Beschäftigung
»erhalten, müssen wir und unsere Familien darben.«
Wir fragten sie, ob sie vielleicht ihren Oberherrn nicht
treu gewesen wären bei der Erfüllung ihrer Berufsgeschäfte
sowohl in Zeit als Arbeit, und vielleicht deßhalb ent-
lassen wurden? Sie aber sagten nein, nicht wegen Vernach-
lässigung ihrer Arbeit und Pflicht, sondern in Folge
–   112   –

ihrer Religion. Wir gaben ihnen nicht selten den letzten
Schilling, welchen wir hatten, damit sie sich Brod kau-
fen konnten.
      Bei einer Gelegenheit in der Stadt Preston in der
Grafschaft Lancashire hielt ich eine Anrede an eine zahl-
reiche Versammlung im Theater. Unter anderm berührte
ich auch den Gegenstand der grausamen und fühllosen
Weise mit welcher sie sich der Botschaft widersetzten,
welche Gott zu ihnen durch uns gesandt hatte. Nach-
dem ich über diesen Punkt gesprochen und ihnen das Un-
geeignete und Unmenschliche ihrer Verfahrungsart von
Augen gestellt hatte, sagte ich ihnen im feierlichen Tone
folgendes:
      »Der Jahre sind nur wenige, und der Monate nicht
»viele, wo ihr dasselbe zu leiden haben werdet, welches
»ihr nun über meine Brüder zu verhängen sucht. Euer
»Land wird trauern, und ihr werdet Euer Brod von
»Thür zu Thür betteln und dennoch hungrig sein.«
      Als ich diese Worte geendigt hatte, stund ein
Mann in der Versammlung auf und sagte mit bos-
hafter Freude: »Sie haben uns hier harte Dinge ge-
»sagt, mein Herr! jedoch bezeichneten Sie uns nicht
»bestimmt die Zeit, wann wir diese schönen Tage ha-
»ben sollen, wovon Sie sprechen. Wollen Sie wohl
»die Güte haben, mein Herr! uns dieselben zu be-
»stimmen.«
      Meine Antwort war: »Ehe Sie noch darauf vor-
bereitet sein werden.«
      Um dieser und noch anderer Reden willen, von
gleichem Sinne, (welche glücklicher Weise um jene Zeit
einen Weg in verschiedene öffentliche Journale fanden)
wurde ich als ein Gotteslästerer betrachtet, der sich
eine Macht und Gewalt anmaßte, welche kein Mensch
in dieser Zeit mehr besitzen kann. Ich beugte mich
jedoch willig unter ihre Vorwürfe, bei dem Bewußtsein
meines eigenen Herzens, daß ich recht hatte; und seit
dieser Zeit sind dieselben und ähnlichen Dinge durch
die Priester unserer Kirche in beinahe jeder Stadt Eng-
–   113   –

lands, Schottlands und Wales wiederholt verkündiget
worden.
      Es geschieht nicht selten, daß jene Mittel, welche
selbstsüchtige und stolze Völker zu ihrem Wohlbehagen
und zu ihrer Sicherheit anwenden, nur einen desto
schnelleren und völligeren Umsturz über dieselben her-
beirufen.
      Es thut mir wirklich leid, daß ich nicht die Er-
laubniß erhalten konnte, dieß Werk in Regensburg
herauszugeben und zu verbreiten. – Ich will auch we-
der den Stadt-Kommissär noch irgend eine einzelne
Person hierüber tadeln, denn so wie ich vermuthe, ver-
bieten es die Gesetze des Landes; allein dieß ist ein
Unglück, mit welchem es jene Folgen zu erdulden hat, die
aus dem Wesen seiner Regierungsform entspringen,
welche da nicht duldet, daß seine Religion auf ihren
eigenen Verdiensten bestände, sondern welche es zu
Schutz und Vertheidigung mit dem starken Bollwerke
menschlicher Gesetze umzogen hat.
      Und indem sie so thaten, haben sie jeden Zugang
gegen das Eindringen eines jeglichen Grundsatzes ge-
schlossen, welcher auf irgend eine Weise, gegen ihre
Gewohnheiten, ihre Traditionen und ihren Ritus an-
streiten möchte, würde auch ein Engel zu ihnen reden.
      Obgleich viele Personen in Regensburg sind, für
welche ich hohe Achtung habe, und deren Namen ich
stets mit Dank in mein Gedächtniß zurückrufen werde,
so regt sich doch ein Gefühl der Pflicht in mir, wel-
ches mir die traurige Verbindlichkeit auflegt, dem
Volke jenes Landes sagen zu müssen, daß, wenn sie
sich noch ferner weigern, diese Religion zu dulden, sie
nur ein vermeintliches Uebel zurückweisen, um einem
wirklichen dafür Aufnahme zu gewähren; und daß:
wenn sie in dieser Beziehung nicht schnell ihre Gesetze
reformiren, damit diese Religion unter ihnen verbreitet
werden möge, sie heimgesucht werden von einem Boten,
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welchem ihre Gesetze weder den Eingang verwehren,
noch den ihre Armeen bemeistern können. Sie werden
nicht nur allein genöthigt sein, seine Botschaft zu
hören, sondern auch zu fühlen, so lange diese Schranken
nicht gehoben werden; und in Zukunft wird es sich
zeigen, ob diese Worte die Frucht eines boshaften Her-
zens waren, oder ob sie eingegeben wurden von dem
Geiste der Billigkeit und Wahrheit.
      Möge es doch niemanden einfallen, gegen die in
diesem Werke dargestellten Grundlehren zu spotten, oder
sie lächerlich zu machen, denn es wird weder ihm noch
seinen Hörern Segen bringen. Ich sage nicht, daß dieß
Werk vollkommen in seinem Mechanismus ist: ich ver-
stehe die deutsche Sprache nicht vollkommen, allein
in Mitte der düstern Blicke der öffentlichen Meinung,
die man gegen uns in den Spalten aller Journale oft
in der fälschlichsten und schimpflichsten Sprache aus-
streute, sondern auch ohngeachtet Verbannung, Schwert
und Tod dasjenige freimüthig zu erklären, was uns
Gott mitgetheilet hatte; so werden wir gleich unserm
Meister als Gotteslästerer und Usurpatoren einer Macht
betrachtet, welche keinem Menschen zukömmt. Allein die
öffentliche Meinung ist nicht unser Führer. Wir haben
nur einen Gegenstand zu vollfüllen, und dieser Gegen-
stand ist: die Botschaft, welche Gott uns gegeben hat,
in allen Nationen unter dem Himmel zu verbreiten.
Und wenn immer auch ein Hinderniß unserm Wirken
entgegen tritt, so wird dasselbe entweder durch unsere
eigenen Gesuche, oder durch mittel- oder unmittelbares
Dazwischentreten einer allvermögenden Gewalt gewißlich
gehoben.
      Wir lehren nicht, daß wir Engel, sondern Men-
schen sind, auch nennen wir uns nicht vollkommen; wir
fühlen aber unsere Abhängigkeit von Gott unsers Lebens
und Heiles wegen, und wir glauben, daß, nachdem
–   115   –

wir hier unser Werk vollbracht haben, wir auf dieselbe
Weise vollkommen werden, wie unser Meister, nämlich:
durch Leiden. Indeß ist es uns bei weitem lieber,
diejenigen zu sein, welche für diese Sache zu leiden
haben, als diejenigen, welche uns deßhalb Leiden verur-
sachen.
      Wer da immer suchen wird, diese Lehre mit Freund-
schaft und gutem Willen zu verbreiten, um dadurch
dem Herrn in Reinheit und Gerechtigkeit zu dienen,
wird himmlischen Frieden bei diesem Wirken finden;
wer aber immer sie zu unterdrücken, oder sich derselben
zu widersetzen sucht, der wird unfruchtbar am Geiste,
und jenes Friedens beraubt sein, welchen unser Hei-
land Seinen Jüngern gab, als Er zu ihnen sagte:
»Meinen Frieden gebe ich euch, meinen Frieden hinter-
lasse ich euch.« – Jeder möge deßhalb sein eigenes
Betragen in Bezug auf diese Sache vor dem Richter-
stuhle seines eigenen Gewissens in der Gegenwart Got-
tes bringen und bei sich selber die Wahrheit dessen
beurtheilen, was ich gesagt habe.
      Wir haben mehrere Prediger in Amerika, welche
Deutsche von Geburt und Erziehung sind. Einige der-
selben werden wahrscheinlich bald nach Deutschland ge-
sandt werden, und wenn der Herr will, so werde auch
ich wieder zurückkehren, nachdem ich die Vereinigten
Staaten Amerika's besucht haben werde.



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