Das ’unbezahlte‘ Priestertum



Ob man in der Kirche aufwächst oder sich später für sie interessiert, man wird in jedem Falle lernen, daß es in der Kirche kein bezahltes Priestertum gibt, ja sogar, daß das ein bestimmendes Zeichen für die wahre Kirche Gottes ist, da auch Christus und seine Apostel keinen Lohn für ihre Arbeit empfingen. Deutlich wird dies auch durch einen Vers im Buch Mormon:
„Aber der Arbeiter in Zion soll für Zion arbeiten; denn wenn sie für Geld arbeiten, werden sie zugrunde gehen.“ (2.Nephi 26:31)
Doch nicht lange nach Gründung der Kirche veränderte sich diese Einstellung. Auf einer Konferenz in Hiram, Ohio wurden am 12.November 1831 folgende Dinge beschlossen:
„Joseph Smith, jun., sagte ... zweitens, Bruder Oliver hat mit mir von Anbeginn im Schreiben und dergleichen gearbeitet. Bruder Martin hat von Anbeginn und auch Brüder John Whitmer und Sidney Rigdon haben für geraume Zeit mit mir gearbeitet, und da nun diese heiligen Schreiben an die Kirche für ihren Vorteil gehen, daß wir Ansprüche an die Kirche als Ausgleich geltend machen können - falls diese Konferenz diese Dinge den Preis wert erachtet, um sie als vorzeigbare Niederschrift zu haben ... wurde von der Konferenz beschlossen, daß die oben genannten Brüder dem Bischof in Zion bekannt sein sollen als eines Erbteils unter dem Volk des Herrn würdig entsprechend den Gesetzen der Kirche.“ (HC 1:236)
Gleich anschließend erhielt Joseph Smith folgende ’Offenbarung‘:
„Wer bestimmt ist, in geistlichen Belangen zu wirken, der ist seines Lohnes wert, und zwar ebenso wie diejenigen, die zu einer Treuhandschaft in zeitlichen Belangen bestimmt worden sind, ja, sogar noch reichlicher.“ (LuB 70:12,13).
Damit war der Weg endgültig frei für ein bezahltes Priestertum, zumindest für den Propheten und seine engsten Mitarbeiter.

Informiert man sich heute näher, erfährt man immerhin, daß die Generalautoritäten (GA) einen Unterhaltszuschuß bekommen. Das klingt zunächst noch vertretbar, denn wer seine gesamte Zeit für die Kirche arbeitet, muß ja auch irgendwie leben. Dabei sollte man jedoch beachten, daß die GA durchweg sehr vermögend sind, sie also auf einen Unterhaltszuschuß verzichten könnten. Deshalb sei hier angeschnitten, wie hoch diese ’Zuschüsse‘ sind. (Da dieses Thema für GA peinlich und entlarvend ist, gibt es überhaupt keine öffentliche Stellungnahme dazu. Deshalb muß auf ältere Zahlen zurückgegriffen werden (siehe Heinerman/Shupe: The Mormon Corporate Empire), der Leser möge daran die heutige Größenordnung selbst abschätzen.)

Anfang der 80er Jahre (unter Präsident Kimball):
Mehr noch, die GA bekommen auch verschiedene Nebenleistungen. So wurden Präsident Kimballs Wohn-, Reinigungs- und Transportkosten von der Kirche bezahlt. Er durfte auch Kredite bei der Kirche aufnehmen. Zum Vergleich hat ein Apostel noch Anfang der 70er Jahre zwischen 18.000 und 23.000 US$ jährlich erhalten. Wenn man noch die Entwicklung der Kirchengröße hinzuzieht, kommt man auf Werte, bei denen man nicht mehr von einer kleinen Entschädigung für die alltäglichen Ausgaben sprechen kann. Sicher sind diese Einkommen nicht vergleichbar mit den Gehältern von entsprechenden Führungskräften ähnlicher Organisationen oder gar in der Wirtschaft, es handelt sich aber doch um eine handfeste Bezahlung, von Ehrenamtlichkeit kann hier keine Rede mehr sein.

Da bei dieser Bezahlung ein Auskommen ohne weiteres möglich ist, stellt sich als nächstes Frage, warum dann niemals jemand als GA berufen wird, der nicht so großen finanziellen Erfolg im Leben hatte. Die Antwort hierauf gibt die tägliche Praxis der HLT-Kirche: Weil in der Kirche immer eine Verbindung zwischen Rechtschaffenheit und Erfolg gezogen wird. Die GA kennen sich meist schon lange, deshalb werden solche Berufungen auch meist im Westen der USA verteilt, erst seit kurzem wird hier und da mal eine Ausnahme gemacht.

Fairerweise sollte aber angemerkt werden, daß auf den untersten Organisationsstufen, also auf Gemeinde- oder Pfahlebene der Anspruch auf Ehrenamtlichkeit noch erfüllt wird. Die gesamte Gemeindearbeit wird von den Mitgliedern erfüllt, da es auf örtlicher Ebene keine bezahlten Kirchenbeamten gibt. Niemand sollte jedoch glauben, daß es deshalb auch auf den höheren Organisationsebenen so ist.


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