Nun hatte die Kirche in den Jahren in den Rocky Mountains nicht so viel mit Schwarzen zu tun. Aber mit zunehmender Internationalisierung und auch der fortschreitenden Gleichberechtigung aller Rassen stieß diese Praxis auf immer größere Kritik. Nicht zuletzt war es auch schwierig zu entscheiden, wann jemand noch als Schwarzer zu zählen hatte und wann nicht mehr. Außerdem sollte die Kirche wachsen, aber die Missionare konnten oft nur Weiße belehren. In Südamerika schlossen sich dennoch sehr viele Menschen der Kirche an, ohne in Führungspositionen arbeiten zu dürfen. Bald konnten nicht mehr ausreichend weiße Führungskräfte 'importiert' werden. Auch in der Kirche entstanden Strömungen für eine Liberalisierung. So wurde 1976 in Washington vor Pressevertretern eine nicht autorisierte Ordination eines Schwarzen durch einen weißen Priestertumsträger vorgenommen. Umfangreiche Ausschlüsse waren die Folge. Die Kirche geriet mehr und mehr ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik für diese praktizierte Rassendiskriminierung. Schließlich drohte noch das amerikanische Finanzministerium massiv damit, den Steuersonderstatus der Kirche aufzuheben.
Am 8. Juni 1978 setzte Spencer W. Kimball einen Brief auf, indem er sagt, er habe eine Offenbarung empfangen, die das Ende dieser Praxis markiere. So heißt es: "Demnach können alle würdigen männlichen Mitglieder der Kirche ohne Rücksicht auf Rasse oder Hautfarbe zum Priestertum ordiniert werden." Dieses Schreiben wurde der Kirche am 30. September 1978 vorgelegt, angenommen und als Amtliche Erklärung Nr. 2 in Lehre und Bündnisse aufgenommen.
Die Diskriminierung wird mit dem Hinweis relativiert, daß Joseph Smith schon immer gegen Sklaverei gewesen sei, und das lange vor dem amerikanischen Bürgerkrieg. Dazu zwei Anmerkungen. Joseph Smith kam aus dem sklavenfreien Norden des Landes. Joseph Smith äußerte, daß sich die Kirche nicht für den schwarzen Mann engagiere. ("The church takes no stand for the black man's cause.") Während diese Einstellung im 19. Jahrhundert noch als neutral gewertet werden konnte, galt sie im 20. Jahrhundert bereits als höchst diskriminierend. Der äußere und innere Druck führte letztendlich doch zu einer Änderung der Kirchenpolitik.
Hier handelt es sich um die einzige Änderung in der Kirche in diesem Jahrhundert, von der behauptet wird, auf der Grundlage einer Offenbarung durchgeführt worden zu sein.