Finanziell geht es der HLT-Gemeinschaft heute so gut wie kaum einer anderen
Organisation. Obwohl das nicht immer so war, stand der finanzielle Aspekt
schon seit Gründung der Kirche im Vordergrund. Über die Jahre hat
sich dieses Denken auf eine Großzahl der Mitglieder übertragen.
Finanzieller Erfolg wird mit Gottes Segnung für Rechtschaffenheit gleich
gesetzt.
Der Wohlstand der Gemeinschaft oder besser der Körperschaft
ist in erster Linie darauf zurück zu führen, dass alle Mitglieder
zehn Prozent ihres Bruttoeinkommens den so genannten Zehnten
an die Organisation abführen. Diese Regelung gibt es so aber erst seit
Brigham Youngs Zeiten als Prophet. Joseph Smith lehrte noch die Zehntung vom
persönlichen Überschuss (abgesehen von den Zeiten, als die Vereinigte
Ordnung geprobt wurde). Deshalb lehrt z. B. die Reorganisierte Kirche noch
heute diesen Grundsatz. Den Unterschied spüren vor allem Haushalte mit
niedrigem Einkommen, die sich ohnehin nur das Notwendigste kaufen können.
Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, werden auch psychologische Druckmittel
angewandt. Zahlt jemand weniger als zehn Prozent, so werden die Segnungen
des Tempelbesuches verwehrt.
Die Zehntengelder werden nicht für Bedürftige verwendet. Für
wohltätige Zwecke zahlt ein Mitglied zusätzlich das so genannte
Fastopfer. Die Empfehlung für den Betrag ist zehn Prozent vom Zehnten.
Zusätzlich gibt es noch andere Fonds, in die man Geld einzahlen kann,
z.B. den Missionarsfond.
Trotz der recht hohen Abgaben wird das Budget der einzelnen Organisationen
der Gemeinschaft auf Gemeindeebene immer weiter gekürzt, während auf
den höheren Organisationsebenen das Geld viel reichlicher zur Verfügung
steht. Dadurch kommt es am Jahresende kaum zu Kämpfen um die winzigen
Budgets für das folgende Jahr. Größenordnungen der Budgets von
gerade mal DM 50,- für das gesamte Jahr waren in meinem Erfahrungsbereich
keine Seltenheit. Auch beim Kauf von Einrichtungsgegenständen ist man sehr
spartanisch. Häufige Folge ist die Resignation von Mitgliedern, die dann noch
einmal in die eigene Tasche greifen, um wenigstens das Notwendigste zu besorgen.
Besonders leidtragend ist hier naturgemäß die Kinderorganisation.
Dabei sollte man annehmen, bei so großem finanziellem Erfolg sei eine
derartige Knausrigkeit nicht notwendig. Wie hoch sich dieser Erfolg beziffern
lässt, dazu hat sich die Führung allerdings schon immer ausgeschwiegen.
Selbst treue Mitglieder bekommen keinen Einblick in die finanzielle Situation
gewährt. Entsprechend kann auch hier kein genauer Bericht gegeben werden.
Allerdings gab es über die Jahre verschiedene Recherchen, um diese Geheimnisse
etwas zu lüften. Die umfangreichsten Ermittlungen veröffentlichte die
Arizona Republic im Juli 1991, und sie
werden wohl noch für Jahre die umfangreichste Auskunft liefern. Einen Artikel
zur Finanzgeschichte schrieb die Zeitschrift unabhängiger Mormonen
Sunstone
im Sommer 1996. Die derzeit aktuellsten Daten stammen aus dem
Time Magazine
vom August 1997, auch wenn sie nicht so umfassend sind. Fazit: Das Vermögen
beinhaltet nicht nur Immobilien und Guthaben, auch Firmen und Beteiligungen
gehören dazu. Umfangreiches Eigentum hat die Körperschaft in der
Landwirtschaft, den Medien, Versicherungen und im Handel. Das Gesamtvermögen
summiert sich zu vielen Milliarden US-Dollar.